Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Thoralf Johansson am 23. August 2010
12187 Leser · 0 Kommentare

Wirtschaft

Energiepolitik und Demokratie

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

wer bestimmt über die Energiepolitik in Deutschland?

der Aufruf von über 40 Topmanagern, mit dem versucht wird, massiv die Energiepolitik in Deutschland in eine bestimmte Richtung zu lenken, ist zwar legitim, macht aber deutlich, dass die vier großen Energieversorger und viele Konzerne Gewinnmaximierung über die Interessen der Mehrheit des Volkes stellen.
Vor ein paar Wochen drohten die Energieversorger gar, (Kern-)Kraftwerke abzuschalten, wenn eine Brennelementesteuer eingeführt wird. Da meiner Meinung nach Energieversorger systemrelevant sind, sollte man diesen Herren klarmachen, dass solche Drohungen ihre eigene Existenz gefährden. Wenn die Konzerne die Versorgung mit Energie nicht mehr leisten wollen, muss der Staat seinerseits mit einer Verstaatlichung zumindest drohen (Bei Banken ging das ja auch.).
Die Regierung darf sich nicht von solchen Drohgebärden beeinflussen lassen. Sie ist nicht für die Energiekonzerne und deren Interessen, sondern für das deutsche Volk verantwortlich.
Die gleichen Konzerne, die mit der rot-grünen Regierung einen rechtsverbindlichen Vertrag geschlossen haben, wollen von diesem nichts mehr wissen und wollen selbst gegen zusätzliche Steuern klagen. Die Energiekonzerne hatten seit dem Vertrag über den "Atomausstieg" viele Jahre Zeit, neue Energie-Konzepte zu entwicken. Wo sind diese? CO2-Abscheidung ist meiner Meinung nach nur eine PR-Maßnahme. Stadtwerke u.a. kleine Energieerzeuger haben im Vertrauen auf den beschlossenen Atomausstieg massiv in imweltfreundliche Energien investiert. Wer schützt diese Investoren vor den großen 4, wenn allein deren Interessen von der Politik berücksichtigt werden?
Wenn gefordert wird, dass Energie bezahlbar bleiben soll, so muss dies auch für zukünftige Generationen gelten. Fossile Energieträger, die heute verbraucht werden, erhöhen die Energiepreise und die Folgekosten durch Umweltveränderungen für morgen. Radioaktive Abfälle, die heute generiert werde, belasten viele zukünftige Generationen auch finanziell, denn diese müssen lange geschützt werden.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich habe den Eindruck, dass die Industrielobby versucht, Politik zu machen, die allein der Gewinnmaximierung dient. Politik sollte jedoch für die Mehrheit des Volkes gemacht werden.
Alle Wirtschaftsverbände, die von dem Sparpaket getroffen sind (Energieversorger, Luftverkehr, energieintensive Unternehmen, ...) scheinen mit ihren Versuchen, finanzielle Belastungen abzuwenden, Erfolg zu haben, so dass wieder nur der "Steuerzahler" die Sparbeiträge aufbringen muss. Wirtschaftsnahe Politiker setzen sich massiv gegen diese Teile des Sparpakets ein. Wo ist die Lobby des (Wahl-)Volkes?
Sollte sich die Energiekonzernlobby durchsetzen, wird die die Demokratie in Deutschland weiter geschwächt. Setzen Sie ein Zeichen und bestimmen Sie mit Ihrer Regierung die Energiepolitik unseres Landes. In vielen Studien wurde gezeigt, dass langfristig eine sichere Versorgung allein mit regenerativen Energien möglich ist. Um unsere Lebensbedingungen zu erhalten, müssen wir JETZT handeln.
Nachfolgende Generationen werden es Ihnen danken

Über eine baldige Antwort würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thoralf Johansson

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 05. Oktober 2010
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Dr. Johansson,

vielen Dank für Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Wir stimmen Ihnen zu: Es ist in der Tat Aufgabe der Politik – nicht der Unternehmen – ein umfassendes Konzept für die zukünftige Energieversorgung unserer Volkswirtschaft zu entwickeln. Genau das hat die Bundesregierung getan und einen bezahlbaren, sicheren und umweltschonenden Weg zu den erneuerbaren Energien eingeschlagen.

Wie die Abschöpfung der Zusatzgewinne deutlich macht, kommt die Laufzeitverlängerung keinesfalls ausschließlich den Energieversorgern zugute. Sie ist Bestandteil eines sehr ehrgeizigen Energiekonzeptes, das die gesamte Interessenslage der Bürgerinnen und Bürger, der Umwelt und der künftigen Generationen im Blick hat.

Die Basis unseres Energiekonzepts sind wissenschaftliche Szenarien sowie unsere energie- und klimapolitischen Ziele und Verpflichtungen. An wesentlichen Grundentscheidungen waren die Atomkonzerne aus guten Gründen überhaupt nicht beteiligt: an der Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten, den strengen Sicherheitsstandards und der Festlegung, dass wir einen Gutteil der zusätzlichen Gewinne der Unternehmen abschöpfen. Das alles hat die Regierung ausschließlich nach politischen und fachlichen Gesichtspunkten entschieden und den Konzernen vorgegeben, denn da gibt es nichts zu verhandeln.

Wohl aber galt es, bei den Details der Abschöpfung die Ergebnisse schriftlich festzuhalten: http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Intervie...

Deutschland soll bis 2050 bei wettbewerbsfähigen Energiepreisen und hohem Wohlstandsniveau eine der energieeffizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt werden. Mit dem Energiekonzept geben wir Wirtschaft und Verbrauchern eine verlässliche Orientierung auf dem Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Auf dem Weg ins regenerative Zeitalter werden der Markt und der Wettbewerb Garanten für Innovationsschübe sein.

Es bleibt beim Ausstieg aus der Kernenergie. Fest steht aber auch: Ohne Kernenergie schaffen wir keinen sicheren Übergang ins Zeitalter der erneuerbaren Energien.

Für ein hohes Maß an Versorgungssicherheit müssen auch in Zukunft genügend wirtschaftliche und schnell verfügbare Ausgleichs- und Reservekapazitäten bereit stehen. Deshalb sind ausreichende Investitionen vor allem in flexiblere Kohle- und Gaskraftwerke, aber auch in erneuerbare Energien notwendig.

Die Laufzeitverlängerung wird nicht zu einer Schwächung der Wettbewerbssituation der kleineren Energieanbieter führen. Denn mit der Brennelementesteuer und den Zahlungen in den Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien wird der größte Teil der Zusatzgewinne abgeschöpft. Damit wird einer wirtschaftlichen Besserstellung der Energieversorger vorgebeugt. Die zusätzlichen Fördermittel für erneuerbare Energien kommen auch kommunalen Betreibern zugute. Um die Wettbewerbssituation kleinerer Anbieter auf dem Strommarkt zu verbessern, will die Bundesregierung sie zudem bei der Förderung der CCS-Technik (CO2-Abscheidung und -Speicherung - engl. Carbon Dioxide Capture and Storage, kurz CCS) begünstigen. Für die in den Kommunen besonders wichtigen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen besteht außerdem weiterhin ein Einspeisevorrang.

Die Bundesregierung will bis 2050 die Treibhausgasemissionen um mindestens 80 Prozent verringern. CCS ist eine wichtige Option vor allem für energieintensive Industriezweige mit hohen CO2-Emissionen (z.B. Stahl, Kalk, Zement, Chemische Industrie, Raffinerien). Darum schafft die Bundesregierung eine gesetzliche Grundlage, um diese Technik zu erproben.

Ausführliche Informationen zum Energiekonzept 2050 finden Sie hier: http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Energiekonzept... Informationen zur Vereinbarung mit den Energieversorgungsunternehmen: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2010/09/...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung