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seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Monawwar A. am 13. September 2010
9995 Leser · 0 Kommentare

Kultur, Gesellschaft und Medien

Meinungsfreiheit missbraucht

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin
In den letzten Tagen standen Muslime weltweit unter Beschuss - die angedrohte Koranverbrennung, die Behauptungen Thilo Sarrazins, dass Muslime ihre angeborene Dummheit weiter vererbten etc.., diese Behauptungen haben in der deutschen Bevölkerung sehr großen Beifall erhalten und tragen maßgeblich dazu bei, dass sich immer mehr Muslime auf der Straße angefeindet und nicht Willkommen fühlen.

Ist das der Zweck von Meinungsfreiheit - gegen eine Minderheit in der Gesellschaft zu hetzen und sie sich als Folge dessen Anfeindungen auf der Straße gefallen lassen müssen?

Gerade jetzt, wo Muslime, die, wie einst die Juden, als Sündenböcke der schlechten wirtschaftlichen Lage, der schlechten Pisa Ergebnisse und Kriege in der Welt hinhalten müssen, haben Sie den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard ausgezeichnet und als Symbold der "Presse- und Meinungsfreiheit" geehrt.
Dies hat mich als muslimische deutsch-pakistanische Bürgerin irritiert- ich halte das Recht auf Meinungsfreiheit enorm wichtig und bin dankbar für dieses Recht.
Als es 1789 in unserer Geschichte verankert wurde, war der Zweck dieses Rechts der, dass man ohne Angst vor Bestrafung den "Mächtigen" seine Meinung sagen durfte - es war ein Recht der Unterlegenen gegenüber den Machthabern.
Nun wurde dieses Recht von Herrn Westergaard und Herrn Sarrazin gegen Menschen eingesetzt, die sich nicht wehren können.

Herr Westergaard hat durch seine Karikaturen Millionen von Menschen in ihren Gefühlen verletzt. Ist es eine ehrenvolle Tat, wenn ein geliebter Mensch, der noch nicht einmal mehr unter uns ist, sich nicht wehren kann und immer Frieden gelehrt hat, gedemütigt werden soll und der Verursacher dieser Tat, sich dann hinter der Meinungsfreiheit versteckt?
Würde es Sie als Christ-Demokratin, verletzen, wenn ich nun eine Karikatur veröffentlichen würde, die den Papst in einer obszönen oder menschenverachtenden Haltung zeigt?
Selbstverständlich würde ich so etwas niemals tun, denn ich habe als Muslimin respekt vor jedem Menschen - ganz gleich welchem Glauben er angehört oder welche Hautfarbe er hat.
Dass Herr Westergaard Morddrohungen erhalten hat und viele Muslime in der Welt zornig und gewaltsam reagierten, ist Unrecht und absolut falsch und entspricht nicht dem Islam. Ein wahrer Muslim sucht immer Hilfe und Geduld im Gebet und nicht in persönlichen Rachefeldzügen.
Doch zurück zur Ehrung von Herrn Westergaard: Ich wünsche dem Mann nichts schlechtes. Trotzdem verstehe ich nicht, wieso Sie ihn ehren, obwohl er mit seinen Karikaturen Unfrieden in die Welt gebracht hat, viele Menschen sind bei den Ausschreitungen gestorben. Wenn Herr Westergaard die Presse- und Meinungsfreiheit genutzt hätte, um Liebe und Frieden auf der Welt zu verbreiten, dann könnte ich es sehr gut verstehen.
Durch die Karikaturen hat er nicht nur die Gefühle von Millionen Menschen, sondern auch die ursprünglichen Bestrebungen der Begründer der Meinungsfreiheit mit Füßen getreten. Die Menschen, die damals mühsam dafür kämpften, dass die Meinungsfreiheit Gesetz wurde, taten dies, damit die Menschen menschlicher miteinander umgehen. Herr Westergaards Karikaturen hatten nur den Zweck zu spotten und Menschen gegeneinander aufzuhetzen bzw zu sticheln, was ihm dann leider auch letztendlich gelungen ist.
Meinungsfreiheit ja - aber mit Verantwortung, Moral und friedlichen Zielen. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie, vor derm Hintergrund, den ich Ihnen oben erläutert habe, gerne fragen:

1. Weshalb Sie Herrn Westergaard ehren, obwohl er Millionen verletzt hat und sein Werk einzig und allein aus Spott bestand, der das Ziel hatte Menschen gegeneinander aufzusticheln

2. Weshalb ehren Sie Herrn Westergaard, obwohl er den Gedanken der Meinungsfreiheit missbraucht hat und die ursprüngliche Bedeutung der Meinungsfreiheit überhaupt nicht erfüllt

und 3: Weshalb ehren Sie ihn GERADE JETZT, dafür, dass er den Begründer der muslimischen Religion verspottet hat, obwohl die Muslime in diesem Land, derzeit so viel Hass ausgesetzt sind (Thilo Sarrazins Gen Thesen über Muslime und die Koranverbrennung)

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 14. Oktober 2010
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Monawwar Ahmed,

vielen Dank für Ihre E-Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Bundeskanzlerin hat am 8. September 2010 beim M100-Sanssouci-Colloquium in Potsdam die Hauptrede gehalten und dabei auch den diesjährigen Träger des Medienpreises, den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard, gewürdigt. Im Mittelpunkt der Rede der Bundeskanzlerin stand das Hauptthema der diesjährigen Konferenz, die „Pressefreiheit in Europa“.

In ihrer Rede hat die Bundeskanzlerin den Wert der Freiheit und – mit ihr verbunden – der Meinungs- und Pressefreiheit für Frieden und Wohlergehen der deutschen Gesellschaft beschrieben. Sie hat sich damit an alle Menschen in Deutschland, ob sie Muslime sind oder nicht, gerichtet.

Die Bundeskanzlerin hat zugleich klargestellt: Es besteht kein Widerspruch zwischen dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit und dem Respekt vor Glaube und Religion. Der Respekt vor Glaube und Religion ist für die Bundesregierung ein gleichermaßen hohes Gut.

Die Fragen, die Sie ansprechen, hat die Bundeskanzlerin in ihrer Rede bei der Preisverleihung ausführlich behandelt. Wir schlagen Ihnen vor, die Rede nachzulesen. Sie finden sie hier:

http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/201...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung