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seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Daniel Roth am 14. März 2011
17903 Leser · 3 Kommentare

Soziales

Verfassungskonformität von Hartz IV

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung,

ich möchte in Erfahrung bringen, ob Sie die derzeitige Gesetzgebung in Einklang mit der Verfassung sehen, oder diesbezüglich Änderungen planen?

Derzeit erlaubt der § 31 SGB II eine Absenkung des Hartz4-Regelsatzes, welcher für sich das menschenwürdige Existenzminimum darstellt. Eine Sanktion nach § 31 kann dieses Existenzminimum unterschreiten. Geht es anfangs nur um Würde, wenn man z.B. Essensgutscheine einlösen muss, so kann der Staat bis zu 100% der Regelleistung einschließlich Kosten der Unterkunft für mindestens 3 Monate einbehalten.

Ich möchte nun nicht darauf eingehen, was überhaupt geschehen muss, damit eine derartige 100%-Sanktion eintritt. Vielmehr geht es mir darum, dass die Folgen einer solchen Sanktion gesetzlich abgesegnet sind, obwohl sie verfassungsrechtlich in Widerspruch stehen.

Der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ist unverfügbar und bedingungsfeindlich. Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 09.02.2010 festgestellt*.

Tatsache ist, dass auch heute noch dieses menschenwürdige Existenzminimum an Bedingungen geknüpft wird; man vergleiche das Recht auf körperliche Unversehrtheit, welches ebenfalls bedingungsfeindlich ist.
Tatsache ist, dass auch heute noch über das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verfügt wird, obwohl es dem Grunde nach unverfügbar ist.

Dabei wird missachtet:
Die gesamte physischen Existenz, seine zwischenmenschlichen Beziehungen und eine
Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben des Menschen ist jederzeit zu sichern.

* Das BVerfG hat nicht nur über das Verfahren zur Berechnung des Existenzminimums entschieden. Zwangsläufig kann eine
Regelung zur Berechnung des Regelsatzes nur dann verfassungswidrig sein, wenn ein
grundsätzlicher Anspruch auf dies Existenzminimum besteht.

- H. S.

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 31. März 2011
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Schnee,

vielen Dank für Ihr Schreiben, das wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Grundsicherung soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stärken. Wer vorübergehend oder auch dauerhaft seinen Lebensunterhalt und auch den seiner Familie nicht aus eigener Kraft absichern kann, ist „Leistungsberechtiger“.

Da Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe von der Allgemeinheit getragen werden, hat jeder Empfänger von Grundsicherung auch die Pflicht, alle Anstrengungen zu unternehmen, um von staatlicher Unterstützung unabhängig zu werden.

Bei der Suche nach einer Arbeit sind die Jobcenter behilflich, aber auch eigene Anstrengungen sind nachzuweisen. Deshalb wird mit jedem Leistungsberechtigten eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Im Prinzip ist erwerbsfähigen Beziehern von Grundsicherung jede Arbeit zumutbar.

Der von Ihnen angeführte § 31 des SGB II regelt Sanktionen bei Pflichtverletzungen. Hier wird genau beschrieben, welche Verstöße gegen die getroffene Eingliederungsvereinbarung sanktioniert werden. Sie treten nur ein, wenn ohne Angabe von wichtigen Gründen Arbeitsangebote abgelehnt werden, oder eine Qualifizierungsmaßnahme nicht angetreten oder abgebrochen wird. Gleichzeitig ist festgelegt, in welcher Höhe und mit welcher Dauer die Grundsicherung eingeschränkt werden kann.

Sanktionen werden auferlegt, wenn man gegen die Eingliederungsvereinbarung verstößt. So wird Ihr Arbeitslosengeld II für drei Monate um 30 Prozent (der für Sie maßgebenden Regelleistung) gekürzt, wenn Sie eine angebotene Arbeit ablehnen. Sollten Sie einen befristeten Zuschlag erhalten, wird dieser ebenfalls für drei Monate gestrichen. Lehnen Sie innerhalb eines Jahres eine zweite zumutbare Arbeit ab, erfolgt eine weitere dreimonatige Kürzung – dann um 60 Prozent Ihrer Regelleistung. Bei jeder weiteren Ablehnung innerhalb eines Jahres wird das Arbeitslosengeld II vollständig gestrichen. Bei einer Minderung der Leistungen um mehr als 30 Prozent können Sie dennoch Sachleistungen, z.B. Kleidung oder Lebensmittelgutscheine, erhalten.

Wenn Sie unter 25 Jahre alt sind und eine zumutbare Arbeit ablehnen, wird Ihre Regelleistung für 3 Monate gestrichen. Gestrichen werden auch die Zahlungen für Mehrbedarfe und der befristete Zuschlag. Zahlungen für Unterkunft und Heizung werden in der Regel dann direkt an den Vermieter überwiesen, damit Sie Ihre Wohnung behalten können. Das Notwendigste zum Leben erhalten Sie in Form von Sachleistungen (etwa Lebensmittelgutscheine oder Kleidung).

Bei einer wiederholten Arbeitsablehnung entfällt auch die Zahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung an den Vermieter. Diese Kosten werden jedoch sofort wieder übernommen, wenn sich der Jugendliche nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen.

Der Leistungsträger kann die Sanktionen darüber hinaus flexibel einsetzen. Das Gesetz gibt ihm die Möglichkeit, im Einzelfall die Absenkung bzw. den Wegfall der Regelleistung von drei Monaten auf sechs Wochen zu verkürzen. Weitere Informationen finden Sie hier:

http://www.bmas.de/portal/42606/2010__02__24__sanktionsre...

http://www.bmas.de/portal/22140/arbeitsmarktreform__frage...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (3)Schließen

  1. Autor Andreas Schmidt
    am 24. März 2011
    1.

    Ich finde diese Bevormundung mithilfe der Sanktionen anunfürsich menschenunwürdig. Das zeigt hier auch mein Beitrag "Altenpfleger- kein Traumjob für Arbeitslose" deutlich.
    Jeder hat doch das Recht auf freie Berufswahl. Hartz 4 - Arbeitslose werden benachteiligt, weil sie nicht entscheiden dürfen, welchen Beruf sie ausüben wollen. Für sie gilt nicht das Gleichstellungsgrundgesetz. Warum nicht? Sie sind so erpressbar. Deshalb gibt es viele Arbeitslose mit Depressionen.
    Es darf nichts vom Existenzminimum weggenommen werden! Besser ist, man bekommt als Anreiz für die Arbeit, die man macht ein Zusatzgeld, dann haben die Menschen auch mehr Lust auf Arbeit und es lohnt sich Steuern zu zahlen, weil dann jeder was davon absetzen kann und nicht nur derjenige, der welche zahlt.

  2. Autor Andreas Schmidt
    am 25. März 2011
    2.

    Ja, sicher sehe ich das so wie Sie, Herr Schnee und allen anderen auch. Sie haben sehr viele Stimmen erhalten und somit Zuspruch.
    Ich fühle mich erpresst. Ich muss arbeiten gehen, sonst kriege ich weniger Hartz 4. Wenn ich arbeiten gehe, muss ich meine private Krankenversicherung aufgeben, weil ich nur wenig verdiene. Ich muss für die Kinder Unterhalt zahlen und habe viele andere Nachteile. Also kann ich erpresst werde und lebe dann so oder so unter dem Existenzminimum, also mit Arbeit oder ohne mit Sanktionen.
    Es muss das Existenzminimum bleiben!
    Frau Merkel, was sagen Sie dazu?

  3. Autor Paula Sternberg
    am 25. März 2011
    3.

    Sehr geehrer Herr Schnee, ich danke Ihnen für Ihren Beitrag, auch wenn wir vermutlich nur wie üblich eine ausweichende Antwort erhalten werden.

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