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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Daniel Roth am 23. Mai 2011
15071 Leser · 4 Kommentare

Soziales

Rentenreform

Sehr geehrte Damen und Herren des Presse- und Informationsamtes,

ich möchte Sie als VertreterInnen der Bundeskanzlerin fragen, wie sie zu folgendem Vorschlag einer Rentenreform stehen.

Zur Konkretisierung zitiere ich Georg Schramm:
"Wir bilden ein Zwangsrentensystem, bei dem ausnahmslos alle, die älter sind als 18 Jahre, drin sind. Also auch alle Rüttgers, alle Merkels, alle Becks, Ackermänner, Beamte. Und die zahlen alle in die Rentenkassen ein. Sagen wir.. 4 bis 8 % ihres Einkommens inklusive Dividende, Prämie, Abfindung.
Es gibt keine Beitragshöchstgrenze, aber dafür eine Höchstrente, z.B. 2500 Euro. Außerdem gibt es eine Mindestrente. Also alles, was bei uns (angeblich) durch Gleichmacherei den Leistungswillen der Bevölkerung lähmt und kommunismusähnliche Zustände herbei führt. Also der Untergang des Abendlandes.
Heute Abend (29.04.2008) kann die Bundeskanzlerin den Untergang des Abendlandes beobachten. Sie ist nämlich in der Schweiz zum Staatsbesuch. Die Schweizer haben seit Jahrzehnten genau ein solches Rentensystem. Und zwar ohne erkennbare Auszehrung des Leistungswillens oder der Wohlhabenden."

Georg Schramm rechnete vor, dass ein monatlicher Bruttoverdienst von 2000 Euro zu einer Rente auf Sozialhilfeniveau führen wird. Ich füge an, dass seit der Ausweitung des Niedriglohnsektors per Agenda 2010 durch Schröder und Fischer ein monatlicher Bruttoverdienst von 2000 Euro in vielen Bundesländern noch etwa 800 Euro über dem durchschnittlichen Niedriglohn ist. Ein populäres Beispiel ist Berlin.

Ich bin gespannt, wie Sie zu diesem Rentenkonstrukt stehen.

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 21. Juni 2011
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Schnee,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Das deutsche Rentensystem hat sich in seiner bereits mehr als 100-jährigen Geschichte bewährt. Die gesetzliche Rente hat sich von einem bloßen Zuschuss zum allgemeinen Lebensbedarf zu einer maßgeblichen Grundlage für ein finanziell abgesichertes Alter entwickelt. Denn: Wer Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leistet, erhält in der Regel später auch eine auskömmliche Rente.

Im Übrigen dürfen Sie nicht vergessen, dass die gesetzliche Rentenversicherung mehr als nur das Alter absichert. So wird auch das Risiko der Erwerbsminderung abgesichert. Darüber hinaus umfasst die gesetzliche Rentenversicherung auch Rehabilitationsleistungen und den Hinterbliebenenschutz.

Nach der parlamentarischen Sommerpause wird die Bundesregierung einen „Regierungsdialog Rente“ starten. Am Dialog werden alle relevanten Gruppen beteiligt sein, darunter Wohlfahrts- und Sozialverbände, Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Wissenschaft. In die Debatte wird u. a. auch eine Mindestrente für Geringverdiener mit einbezogen.

Grundsätzlich gilt: Wer in Deutschland durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter, Invalidität oder Pflegebedürftigkeit in Not gerät, dem hilft die Solidargemeinschaft. Darum hat jede Bürgerin und jeder Bürger - unter bestimmten Voraussetzungen - einen Anspruch und ein gesetzlich garantiertes Recht auf Sozialhilfe und/oder Grundsicherung.

Eine Art Mindestrente erhalten Bürgerinnen und Bürger, die wegen ihres Alters oder aus anderen Gründen nicht mehr arbeiten können und deswegen ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. 2003 hat die Bundesregierung deshalb die „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ eingeführt.

Diese Form der Grundsicherung ist jedoch keine echte Mindestrente, sondern sie ist eine bedarfsorientierte soziale Leistung, die den Lebensunterhalt – ähnlich der Sozialhilfe – sicherstellen soll. Es handelt sich hierbei um eine Sozialleistung aus Steuergeldern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (4)Schließen

  1. Autor Norbert Stamm
    am 31. Mai 2011
    1.

    Vermutlich könnten bei dem vorgeschlagenen Modell sogar die Beitragssätze gesenkt werden, ohne dass es Finanzierungsprobleme gäbe, wenn man reell vorginge und die versicherungsfremden Leistungen in voller Höhe vom Staat aus Steuereinnahmen beigetragen würden.
    Aber darum geht es den Regierenden doch offensichtlich gar nicht.
    Schon Bismarck führte ja die Sozialversicherung seinerzeit ein, weil er sich davon versprach, dass die Arbeiter, wenn sie erst einmal pensionsberechtigt wären, nicht mehr an Revolution denken würden. Denn Revolution, das hat er von seinem Lehrer Stahl gelernt, muss unter allen Umständen vermieden werden; und das ist die Aufgabe des „modernen“ Konservatismus, den dieser Begründer der christlich-konservativen Staatslehre in Vormärz- und Reaktionszeit (1830-1860) propagierte. Heute hat man den Konservatismus natürlich noch weiter entwickelt und „modernisiert“. Man will jetzt die gesetzliche Rentenversicherung und am besten auch die gesetzlichen Krankenkassen abschaffen und durch die angeblich bessere private Altersvorsorge und private Krankenversicherung ersetzen. Die Finanzindustrie ist ganz gierig darauf.
    Warum?
    Das wird ein Geschäft werden! Da können einige einen Reibach machen und die Solidarität der Bürger geht den Bach runter. Private Versicherungen wollen Gewinn machen. Doch wenn Versicherung nicht mehr das Risiko der Betroffenen durch Solidarität aller, die dem Risiko unterliegen, absichern, sondern Gewinn bringen soll, dann wird diesem Gewinn notwendigerweise ein Verlust gegenüberstehen.
    Das scheint mir evident zu sein.

  2. Autor Norbert Stamm
    am 01. Juni 2011
    2.

    Über die Rolle der gesetzlichen Rentenversicherung geben Untersuchungen des ehemaligen BMW-Betriebrats Otto Teufel Aufschluss:
    Wir haben kein Solidarsystem. Es gibt keinen einzigen demokratischen Rechtsstaat in Europa, bei dem nicht die Rentenversicherung einheitlich geregelt ist. Nur Deutschland hat eine Arbeitnehmerversicherung für abhängig Beschäftigte, während Dänemark, Finnland, die Niederlande, Schweden und die Schweiz eine Volksversicherung für alle ihre Bürger haben. Belgien, Frankreich, Luxemburg, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich, Portugal und Spanien haben eine Erwerbstätigenversicherung für alle Erwerbstätigen.
    Es ist erschreckend, mit welchem Selbstverständnis unsere staatlichen Eliten ein Zweiklassenrecht bei der Altersversorgung verinnerlicht und durchgesetzt haben. Der Gesetzgeber ist zugleich der Empfänger von Pensionen. Über Rentenfragen sprechen bei uns öffentlich in der Regel ausschließlich solche Personen, die davon in keiner Weise betroffen sind. Sie haben nicht das geringste Interesse, da was zu ändern, weil sie erheblich davon profitieren. Nicht umsonst haben Bundestag und Länderparlamente es immer wieder abgelehnt, ihre eigene Altersversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung anzuvertrauen
    Ein anderes und ganz zentrales Problem ist der Griff des Gesetzgebers in die Rentenkassen. Das ging schon gleich 1957 weiter, mit der willkürlichen Umstellung auf das Umlageverfahren. Diese Umstellung war ein Manöver Adenauers, mit dem er in erster Linie die Entlastung der öffentlichen Haushalte bezweckt hat. Adenauer hatte das Problem mit der Versorgung von Millionen Kriegsteilnehmern, Heimatvertriebenen, Kriegerwitwen usw.

    Alle Leistungen sind als versicherungsfremd anzusehen, die nicht oder nicht in vollem Umfang durch Beiträge der Versicherten gedeckt sind. Zum Beispiel Kriegsfolgelasten, Anrechnungszeiten, Zwangsarbeiterrenten, Aussiedlerrenten, Entschädigungsleistungen für NS-Unrecht und für SED-Unrecht und andere vereinigungsbedingte Leistungen und vieles mehr. Die Wiedervereinigung wurde ja im Wesentlichen aus der Rentenkasse mitfinanziert. Diese versicherungsfremden Leistungen, die der Rentenkasse entnommen werden, erfüllen gesamtgesellschaftliche Aufgaben.

  3. Autor Norbert Stamm
    am 01. Juni 2011
    3.

    Fortsetzung, da 300 Wörter zu wenig sind:
    Herr Teufel stellt gar nicht die Wichtigkeit dieser Aufgaben in Frage, „sondern nur, dass sie, statt mit Steuermitteln finanziert zu werden, systematisch der Rentenkasse zur Zahlung aufgebürdet werden. Also von Angestellten, Arbeitern und Rentnern bezahlt werden.
    Politiker, Selbständige und Beamte beteiligen sich nicht, obwohl es sich doch um die Finanzierung von Aufgaben der Allgemeinheit handelt. Und was nun die sogenannten Bundeszuschüsse beziehungsweise die angebliche Rentensubvention betrifft: Diese Bundeszuschüsse werden fälschlicherweise vonseiten der Politik und auch von den Medien als Zuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung bezeichnet. Als Finanzspritze für die notleidende Rentenkasse.
    Und nun kommt es, der große Skandal, der immer verdeckt werden soll." (Siehe dazu auch die "Teufelstabelle" im Internet: http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/einer-schuftet... )
    Es handelt sich um die Plünderung der Rentenkassen. Die aufgelaufene und nicht durch zurückgezahlte Bundesmittel gedeckte Summe ist riesig. Seit 1957 haben die verschiedenen Bundesregierungen rund 700 Milliarden Euro inklusive 300 Milliarden Zinsen quasi veruntreut. Sie wurden zweckentfremdet, für versicherungsfremde Leistungen aus der Rentenkasse in Anspruch genommen. Dieses Geld schuldet die Regierung unserer Rentenkasse.
    Es ist immerzu die Rede von der drohenden Pleite der Rentenkasse wegen der demografischen Entwicklung. Diese Propaganda ist Teil des Konzepts der systematischen Demontage des Sozialstaats. Solche Schlagworte der Meinungsmanipulation dienen der gezielten Irreführung der Versicherten und der Öffentlichkeit. Dafür sorgen hoch bezahlte Experten für Demografie in Sachen privater Altersvorsorge. Man muss sich fragen, warum eigentlich wirkt sich der demografische Wandel nur auf die gesetzliche Rentenversicherung aus? Tatsache ist, bei den Finanzierungsproblemen der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich nachweislich nicht um die Folgen ,langfristiger demografischer Veränderungen', sondern um die Auswirkungen der Eingriffe des Gesetzgebers in die Rentenkasse. Wir leiden nicht unter einem demografischen Problem, wir leiden unter einer wirtschaftspolitischen Elite, die sich bereichert. Wir haben kein Rentnerproblem, wir haben ein Verteilungsproblem.“

  4. Autor Gunther G.
    am 09. Juni 2011
    4.

    Danke Herr Stamm.
    Ich habe den Link aufgerufen und den Artikel gelesen.
    Durch Schweigen bleiben wir stumm und erreichen nichts, aber auch gar nichts. Die Geschichte lehrt es. Gemeinsam sind wir stark.
    Hier ein Kommentar von Frau Antje zum Artikel von Frau Goettle.

    02.02.2011 21:21 Uhr:
    von Antje:

    Danke, Frau Goettle,
    ein selten guter Artikel über unser geplündertes Rentensystem.
    Je mehr man sich selbst mit der Enteignung unserer Rente, durch politische Willkür, beschäftigt, je unglaublicher wird es. Dass dieser Artikel ein Volltreffer ist, sieht man auch daran, wie einige der Nutznießer dieses Systems z.B. in Foren mit übler Polemik reagieren.
    Wo kämen wir denn hin, wenn die durch eigene Maßnahmen, die privilegierten Gesellschaftsschichten, sich an den gesamtgesellschaftlichen Aufgaben beteiligen. Schließlich hat die Ausbeutung des gemeinen arbeitenden Volkes Tradition.
    Was macht eigentlich der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Sozialverbände?
    Ulrike Mascher, die jetzige Präsidentin des VDK, ist nach ihrer Arbeit bei der Allianz, Staatssekretärin unter AM Riester geworden und hat fleißig das Ihrige zur Zerstörung der GRV beigetragen.

    Und besonders übel ist, dass der ganze Riester Betrug, auch noch von den Gewerkschaften, voran der DGB, mit unterstützt wird. Und das gemeinsam mit den Sparkassen, Verbraucherzentralen, Arbeitgeberverband etc., die von den Volkshochschulen angebotenen Seminare "Vorsorge macht Schule" in denen ehemalige Banker den Leuten die private Vorsorge schmackhaft machen- alles aus den Beitragsgeldern der DRV, auch die massive Werbung für Riester & Co. auf den Internetportalen der DRV, durch eine externe PR-Firma! Man muss sich das mal zu Gemüte führen, die Verwalter der GRV erledigen mit Beitragsgeldern das Geschäft der privaten Versicherungs- und Finanzdienstleister!
    Mit Geldern, die ihnen zu treuen Händen überlassen.

    Wie viel Beamte sitzen im Bundestag und genießen die selbst beschlossenen Privilegien? Wer glaubt irgendeine Partei ändert daran was, der irrt. Wer sägt an dem Ast, auf dem er sitzt?

    Gunther Gräfe

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