Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Thomas Wenk am 11. Oktober 2012
11069 Leser · 2 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Frage zur Demokratie in der EU

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich würde gern einmal Ihre Meinung zur Tatsache, dass die EU keine demokratische Institution ist, hören. Wir das Volk in Europa wählen ja das Parlament. Jedoch hat dieses Parlament keinen Einfluss auf die Gesetzgebung durch die EU-Kommision. Das Parlament kann keine Gesetze einführen bzw. neue Gesetze, welche von der Kommission geschaffen wurden, verhindern.
Da es für die Ernennung der Mitglieder in der Kommission keine demokratische Grundlage(Volk bzw. Volksverträter wählen) gibt, ist meiner Ansicht und von vielen die Tatsache bekräftigt, dass es sich nicht um eine Demokratie sondern eher um eine Diktatur handelt.
Man kann nicht bestreiten, dass die Grundsätze einer Demokratie keine Anwendung in Europa finden.
Könnten Sie bitte dazu Stellung nehmen?

Mit freundlichen Gruß

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 12. November 2012
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Wenk,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Wir widersprechen Ihrer Auffassung, die Europäische Union (EU) sei keine Demokratie, sondern eine Diktatur. Selbstverständlich ist die EU demokratisch verfasst. Dazu folgende Fakten:

Mit dem Vertrag von Lissabon ist das Europäische Parlament (EP) gleichberechtigt mit dem Ministerrat als Vertretung der Mitgliedstaaten Gesetzgeber in der EU. Ohne das EP geht nichts. Das heißt, das Parlament kann jeden Gesetzentwurf der Kommission zurückweisen oder ändern. Und die Kommission kann aus eigenem Recht selbstverständlich keine Gesetze erlassen. Das wäre undemokratisch.

Sie haben also als EU-Bürger die Möglichkeit, über die Wahl des Parlaments, aber auch durch die direkte Ansprache Ihres Abgeordneten Einfluss zu nehmen. Im Übrigen sind die Minister, die ihre Länder in Brüssel vertreten, natürlich auch demokratisch legitimiert. Schließlich handeln dort Regierungen, die in ihren Heimatländern demokratisch gewählt sind.

Richtig ist, dass das EP keinen eigenen Gesetzgebungsvorschlag machen kann. Das sogenannte Initiativrecht liegt bei der EU-Kommission. Inzwischen ist es aber so, dass das EP die Kommission immer wieder auffordert, zu bestimmten Themen tätig zu werden. Ebenso verfahren die Staats- und Regierungschefs bei ihren Treffen.

Der Vertrag von Lissabon hat darüber hinaus das Bürgerbegehren eingeführt. Das heißt, eine Million Bürgerinnen und Bürger der EU können die Kommis- sion auffordern, ein bestimmtes Anliegen aufzunehmen.

Zu einer funktionierenden Demokratie gehört auch eine unabhängige Justiz. Der Europäische Gerichtshof hat sich im Laufe der Jahre zum angesehenen Wächter über die europäischen Verträge entwickelt und sorgt auch immer wieder für bürgerfreundliche Urteile.

Auf unseren Internetseiten können Sie sich über den Vertrag von Lissabon, in dem die demokratischen Regelungen der EU niedergelegt sind, informieren. Der Vertrag enthält auch die Charta der Grundrechte der EU, die Ihnen zeigt, dass die EU nicht nur eine Gemeinschaft von Staaten ist, sondern auch eine Wertegemeinschaft.

Mehr zum Thema Europa: http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Europa/...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (2)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 29. Oktober 2012
    1.

    Sehr geehrter Herr Wenk,

    ich selbst halte hier das angenommene Gegensatzpaar Demokratie und Diktatur für verfehlt, mit der Folge, dass ich die Art und Weise der EU-Gesetzgebung keinesfalls als diktatorisch, allerdings aber als minder demokratisch empfinde. Dies hat ja auch das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren faktisch festgestellt, als der Bundestag m. E. etwas leichtfertig wesentliche Rechte aus der Hand gab zugunsten der Gewählten der Gewählten der Gewählten.

    Das Demokratiedefizit liegt ja nicht am Gedanken der Europäischen Union selbst, wohl aber liegt das Defizit darin, seitens der nationalen Regierungen nur recht spärlich Kompetenzen an das Europäische Parlament übertragen zu wollen. Da, im Parlament, kann dann eben schwerer als unter Regierungen von Nation zu Nation verhandelt werden.

    Doch genau diese Art von Überzeugung, die von jeglicher akribischer Verhandlung und Gesichtsstandswahrung unbeleckt ist, braucht Europa. Dass in einem bis in die hohe Nacht ausgehandelten Schriftstück der eine dieses Wort, der andere jene Passage, der Dritte dieses Komma und der Vierte das Semikolon oder eine Fußnote setzen darf, an dieser kleinkrämerischen Verhandlungsweise kann die Jahrhundertidee der europäischen Einigung nur scheitern. Schon allein deshalb, weil die Protagonisten selbst nicht recht davon überzeugt sein können, Sieg und Niederlage, um was es geht, anstelle von Inspiration.

  2. Autor H. Förnzler
    am 30. Oktober 2012
    2.

    EU-Diktatur - das ist schon richtig so.

    Kommission und Rat bewerkstelligen die Gesetzgebung in der EU, das Parlament hat sehr geringe Mitwirkungsrechte, jedenfalls kein Initiativrecht.

    In der Kommission sind die Gesetze geschrieben von Lobbyvertretern, die Hochfinanz-Vertreter schreiben ihre eigenen Gesetze (!) Pharmalobby usw.,
    also wir müssen uns nicht wirklich wundern, dass es neuerdings so drunter und drüber geht in unserem Deutschland, dass wir wegen der von politischen Führungskadern verfolgten Angleichung der Lebensverhältnisse in Überfremdung und Überschuldung gestürzt werden.

    War es nicht auch das Europaparlament, in dem 1 Stimme eines Maltesers so viel wiegt wie 1000 deutsche Stimmen? Das ist Hohn!

    Es ist auch die "einzigartige EU", in der per ESM die Nehmerländer im Gouverneursrat darüber befinden dürfen, wieviel die Geberländer abzudrücken haben.

    Deutsche Steuerzahler bürgen für ihre eigenen Exporte - Deutschland liefert, der Steuerzahler haftet für die Nichtbezahlung.

    EZB druckt Geld zum Wohle der Banken und entschuldet per Inflation zu Lasten der Steuerzahler.

    Wo ist unser deutsches Gold aus den Warenverkäufern in den Jahren um 1960? Bei der FED in USA.

    Also ich muss schon sagen, entweder pervers oder in Deutschland wird geschwungen: die Knute der Diktatur. Ich tippe auf letzteres.

  3. Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.