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Beantwortet
Autor Peter H. am 03. Dezember 2012
13427 Leser · 4 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Zwei neue Schulfächer: Sozialkompetenz und Selbstmanagement?

Sehr verehrte Frau Dr. Merkel,

Was halten sie von der Einführung zweier neuer Schulfächer, nämlich "Sozialkompetenz" und "Selbstmanagement"? Vorab möchte ich auch sagen, dass ich natürlich weiß, dass die Bildung Ländersache ist. Da ich aber nicht alle 16 Ministerpräsidenten einzeln anschreiben kann, wende ich mich an sie in der Hoffnung gehört zu werden.

Unter dem Schulfach "Sozialkompetenz" stelle ich mir ein Schulfach vor, in welchem die Kinder die ganz einfachen Grundregeln von respektvollem zwischenmenschlichen Zusammenleben lernen. Denn ich glaube, dass vielen Kindern diese Werte von Haus aus nicht mehr vermittelt werden, kein Wunder bei solchen Vorbildern wie Sido und Bushido. Ich denke auch nicht, dass ein solches Schulfach in Konflikt mit dem Islam kommen würde, weill es meiner Meinung nach universelle menschliche Werte gibt, die von jeder Religion akzeptiert werden. Dieses Schulfach sollte verpflichtend sein, von der 1. bis zur 12. Klasse, wobei es von Jahr zu Jahr natürlich immer psychologisch tiefgründiger und anspruchsvoller werden sollte. Dabei sollten die Kinder aber nicht "dressiert" werden, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten, sondern Ziel sollte vielmehr die psychologisch fundierte Einsicht sein, warum gewisse Verhaltensweisen sozialverträglich oder eben sozialschädlich sind.

Aber zu einem "zurecht finden" in einer globalisierten Welt gehören nicht nur soziale Fähigkeiten, sondern eben auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation. Deshalb plädiere ich für ein weiteres Schulfach namens "Selbstmanagement". Ein solches Fach wäre meiner Meinung nach viel wichtiger, als die Kinder mit noch mehr rein inhaltlichem Wissen vollzustopfen, was sie später sowieso wieder vergessen werden.

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 16. Januar 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr,

vielen Dank für ihre Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Bildung ist mehr als bloße Qualifizierung und Ausbildung für den Arbeitsmarkt. Bildung heißt auch Persönlichkeitsentwicklung, ermöglicht soziale Teilhabe und die aktive Mitgestaltung der Gesellschaft. Wesentliches Element von „Bil- dung“ ist daher auch die Vermittlung von Werten und Kompetenzen, um die persönliche und berufliche Entwicklung selbst gestalten zu können.

Um jungen Menschen Orientierung und Halt zu geben, müssen wir uns verstärkt um die Vermittlung Werten und Maßstäben kümmern. Neben dem Elternhaus fällt diese verantwortungsvolle Aufgabe vor allem den Schulen zu. Die Schule ist einer der zentralen Orte, an denen Kinder persönlichkeits- prägende Erfahrungen machen. Hier lernen Kinder am besten, Konflikte zu lösen, respektvoll und fair miteinander umzugehen sowie Verantwortung zu übernehmen und die Konsequenzen ihres Handelns zu tragen. Das sind wichtige Fähigkeiten, die junge Menschen in die Lage versetzen, ihren Lebensweg eigenständig zu gehen.

Aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland sind die Länder für den schulischen Bildungsbereich verantwortlich; sie haben im Schulwesen das alleinige Recht der Gesetzgebung und sind für Planung, Organisation, Aufsicht und Verwaltung zuständig. Über die Gestaltung der Lehrpläne und die Auf- nahme weiterer Fächer in das Unterrichtsangebot der Schulen entscheiden deshalb ebenfalls die Länder in eigener Verantwortung.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (4)Schließen

  1. Autor Peter H.
    am 04. Dezember 2012
    1.

    Noch eine kleine Ergänzung: Sie werden in ihrer Antwort wahrscheinlich argumentieren, dass es an vielen Schulen bereits den Ethikunterricht gibt, in welchem ihrer Ansicht nach wahrscheinlich ausreichend Sozialkompetenz vermittelt wird. Ich habe diesen Ethikunterricht selbst erlebt und muss sagen, dass es für meine zwischenmenschlichen Beziehungen rein gar nichts gebracht hat, weil dort lediglich sehr philosophsich-abstrakte Theorien wie z.B. von Albert Schweizer besprochen wurden. Unter einem Schulfach "Sozialkompentenz" verstehe ich dann doch auch eher das Ziel, den Kindern in ihren ganz konkreten zwischenmenschlichen Alltagsproblemen zu helfen. Dabei müsste auf jeden Fall berücksichtigt werden, dass Jungen und Mädchen schon von Natur aus anders ticken und deshalb auch im Sozialkompetenzunterricht nicht nach völlig identischen Maßstäben beurteilt werden könnten. Klar könnten sie auch den Ethikunterricht inhaltlich reformieren, so dass dort Sozialkompetenzen vermittelt werden. Das wäre dann aber eine so radikale Umgestaltung dieses Schulfaches, dass man es dann ja gleich als neues Schulfach, nämlich Sozialkompetenz, einstufen könnte.
    Sie werden wahrscheinlich auch argumentieren, dass es mittlerweile mehr von der so viel zitierten "individuellen Förderung" gibt, bei welcher angeblich auch Selbstmanagementfähigkeiten vermittelt werden würden. Ich habe den Eindruck, dass diese individuelle Förderung zwar schulische Inhalte, aber keine Methodik zur Selbstorganisation vermittelt. Meine Meinung ist, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass in Hartz-IV Familien mit Migrationshintergrund, die sich schon der Arbeitslosigkeit "eingerichtet" haben ausreichend Kompetenzen zur Selbstorganisation vermittelt werden. Wenn diese Kinder in einer globalisierten Welt überhaupt eine Chance haben wollen, dann MUSS der Staat seinen Erziehungsauftrag wieder stärker wahrnehmnen und den Kindern das Rüstzeug mit an die Hand geben, welches sie im Leben WIRKLICH gebrauchen können.

  2. Autor Peter H.
    am 18. Dezember 2012
    2.

    Wenn sie sich mit dieser Frage auseinandersetzen werden sie sich mit Sicherheit fragen, wie das alles finanziert werden soll. Also ich wäre dafür, an Stelle dieser beiden neuen Schulfächer den Ethik- und Religionsunterricht als eigenständige Fächer abzuschaffen und deren Lehrinhalte in verkürzter Form in den Geschichteunterricht zu integrieren. Das hätte viele Vorteile:
    1. Das wäre ein Kompromissangebot an die Hardliner in ihrer eigenen Partei und an die Muslime, weil der Staat immer noch "religiöse Bildung" vermitteln würde.
    2. Es wäre finanzierbar, weil der Religionsunterricht würde wegfallen und statt dessen durch den Sozialkompetenzunterricht ersetzt werden. Es wäre also nur ein "Austauschen". Lediglich das Schulfach "Selbstmanagement" würde zusätzliche Kosten verursachen.
    3. Die Kinder würden eventuell anfangen, ihre "hauseigene" Religion kritisch zu hinterfragen, weil sie ihre Religion immer vor dem objektiven geschichtlichen Hintergrund sehen würden.
    4. Sie müssten nicht die Befürchtung haben, dass ein Islamunterricht an deutschen Schulen mit seinen Inhalten eventuell nicht im Einklang mit dem GG stehen könnte, weil es ja überhaupt für gar keine Religion mehr ein eigenes Unterrichtsfach gäbe und der einzige Lehrer der dann noch religiöse Inhalte vermitteln würde wäre der Geschichtelehrer. Und der würde im Rahmen seines Geschichteunterrichts auf alle Religionen gleichermaßen eingehen, ganz objektiv und gleichberechtigt versteht sich.
    5. Dadurch könnten die Kinder unterschiedlicher Religionen mehr Verständnis für die Religion ihrer Mitschüler erlangen.
    6. Dies alles würde einen "unaufgeklärten religiösen Fanatismus" durch rationale Bildung den Boden entziehen. Der Israel-Palästina-Konflikt wird z.B. oft von religiösen Fundamentalisten für ihre Propaganda missbraucht ohne auf dessen geschichtliche Wurzeln einzugehen. Man kann die Lage dort unten aber nur wirklich verstehen, wenn man die wahre Geschichte kennt.
    7. Im Sozialkompetenzunterricht würden die gemeinsamen Werte für ein vernünftiges friedliches MIteinander vermittelt werden. Diese gemeinsamen Werte könnten das neue "Bindeglied" zwischen unseren einzelnen Gesellschaftsteilen werden.

  3. Autor Peter H.
    am 02. Januar 2013
    3.

    Ergänzung: Auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation halte ich für besonders wichtig, denn in der Berufsausbildung und insbesondere an der Uni wird vorausgesetzt, dass man diese Fähigkeiten während der Schulzeit bereits entwickelt hat.
    Wichtig wäre den Kindern im Selbstorganisationsunterricht beizubringen, dass man nicht einfach so "in den Tag hineinleben" kann, wenn man im Leben etwas erreichen will, sondern dass es dazu einer gewissen Planung bedarf. Und die Kinder sollten darin unterstützt werden, dass sie ihr eigenes Organisationssystem finden, d.h. der Selbstmanagementunterricht sollte nicht darauf ausgerichtet sein den Kindern beizubringen "was sie unbedingt sofort alles tun müssen um im Leben erfolgreich zu sein", sondern er sollte ihnen besser die gesamte Bandbreite an Möglichkeiten aufzeigen, wie man seinen Alltag organisieren KANN, aber nicht genau so muss. Denn Selbstmanagement ist im Ergebnis beim einzelnen Menschen einfach zu individuell, als dass man es wie ein klassisches Schulfach "von oben herab" unterrichten könnte. Hier würde sich natürlich auch eine Kombination mit der so viel zitierten "indnividuellen Förderung" oder der "Gruppenarbeit" anbieten, indem den Kindern in Einzelgesprächen geholfen wird, ihr eigenes Organisationssystem zu entwickeln oder indem die Kinder untereinander in Gruppen unter Anleitung eines Lehrers ihre eigenen Erfahrungen über ihre Selbstorganisation austauschen.

  4. Autor Helmut Krüger
    am 03. Januar 2013
    4.

    Ich glaube, Herr Hansen,

    dass es in der "deutschen Kultur", wenn ich es mal so bezeichnen darf, immer noch vergleichsweise schwieriger ist, gerade Selbstorganisation in einem erstmal kaum Kontrollierbaren zu befördern als vglw. in anderen Kulturen, denen die Einhaltung akribischer Fahr- und Lehrpläne nicht ganz so wichtig ist.

    Das spricht nicht gegen Ihren Vorschlag, sondern gerade FÜR ihn.

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