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Beantwortet
Autor Johannes Krenz am 20. Februar 2013
10715 Leser · 0 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Armutseinwanderung

Guten Tag,

vermehrt liest man in den letzten Tagen wieder mehr vom Thema "Armutseinwanderung" in den Medien. Der Tonus ist meist der gleiche: Sinti und Roma aus Südosteuropa kommen nach Deutschland und Leben mehr oder weniger direkt von Sozialhilfe oder Hartz 4. Mangels Sprachkenntnissen, Bildung und Arbeitsqualifikation haben diese Menschen keine Möglichkeit selber für ein geregeltes Auskommen zu sorgen und sind entweder Tagelöhner oder verdingen sich als Taschendiebe, Bettler oder durch Prostitution. Im Umfeld solcher "Problemhäuser", wo meist pro Matratze Miete gezahlt wird kommt es zu Belästigungen zwischenmenschlicher, als auch hygienischer Art (wilde Müllkippen).

Die Ursachen liegen in Missregulierungen durch die EU, fehlende Vorrausschau auf Bundesebene und werden verstärkt durch finanzielle Probleme der Kommunen.

Wieso wird das Problem so aktiv ignoriert?
Ist Zuwanderung ein zu heißes Thema?
Ist unkontrollierte Armutszuwanderung unqualifizierter Menschen gewollt? Wenn ja, warum? Wenn Nein, wieso wird nichts unternommen?
Wie wird den Einwohnern Deutschlands erklärt, dass es anscheinend gewollt oder toleriert wird, dass angesichts knapper Kassen, Neuverschuldung, Bankenrettung, Griechenland etc. und einer Verschwendung von 25 Milliarden Euro Steuergeldern und einem Haushalt, in dem der größte Punkt die Sozialausgaben sind, mehrere Tausend, gar Hunderttausend Bürger der EU, ohne Gegenleistung Gelder aus den sozialen Sicherungssystemen in Anspruch nehmen?

Wieso übernimmt Deutschland die Verantwortung, die doch eigentlich Bulgarien und Rumänien übernehmen müsste, ohne Widerspruch?

Wieso werden weitere ungelöste Integrationsprobleme, gerade in den betroffenen Städten, noch weiter verschärft?

Zum Nachlesen:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/armutseinwander...

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/armutseinwander...

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/hanau-offenbach-und...

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/razzia-im-proble...

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 15. März 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Krenz,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Freizügigkeit ist innerhalb der Europäischen Union ein hohes Gut und ein besonderer Wert für die Menschen. Leider gibt es Fälle, in denen dieses Recht missbraucht wird. Denn Freizügigkeit heißt nicht, wegen höherer Sozial- leistungen in ein anderes Land ziehen zu können.

Die Bundesregierung hat bereits im Herbst 2012 ein Gesetz auf den Weg gebracht, um einen Verlust des Freizügigkeitsrechts im Falle von Rechts- missbrauch oder Betrug feststellen zu können. Zum Beispiel bei Personen, die weder Arbeitnehmer noch Selbstständige sind und nicht über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen. Das regelt seit dem 29. Januar 2013 das sogenannte EU-Freizügigkeitsgesetz.

Die Bundesregierung nimmt Berichte über Probleme in einigen Großstädten mit bestimmten Gruppen von Zuziehenden, vor allem aus Rumänien und Bulgarien, sehr ernst. Tatsache ist: Der ganz überwiegende Teil der Menschen aus diesen Ländern kommt hierher, um zu arbeiten, zu studieren oder unternehmerisch tätig zu werden. Sie streben oft einen längeren Aufenthalt und eine dauerhafte berufliche Tätigkeit in Deutschland an.

Städte und Gemeinden sind aufgerufen, das Gesetz auch zu nutzen und zum Beispiel genauer hinzuschauen, welche Zuwanderung oder welche Gewerbeanmeldungen es bei ihnen gibt. Wenn in einer Wohnung mehrere Dutzend Firmen gemeldet sind, ist Misstrauen angebracht. Wird das Freizügigkeitsrecht offensichtlich missbraucht, kann die Entscheidung lauten, Personen zurückzuschicken.

Vor allem jedoch müssen die Regierungen der Herkunftsländer Bedingungen schaffen, die ihren Bürgern ein Existenzminium und Leben in Sicherheit ermöglichen. Das gilt auch für Rumänien und Bulgarien. Beide Länder erhalten Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds. Diese Mittel sollen auch genutzt werden, um Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen besseren Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheitsleistungen zu gewähren.

Generelle Lösungen können die EU-Staaten nur gemeinsam finden. Anfang März hat Bundesinnenminister Friedrich in Brüssel mit seinen Amtskollegen aus Rumänien und Bulgarien Gespräche über den Wegfall der Grenz- kontrollen, also die Anwendung der sogenannten Schengen-Regelung, und über Freizügigkeitsmissbrauch geführt. Es geht darum, der EU-Kommission Vorschläge zu unterbreiten, wie sich Fehlentwicklungen berichtigen lassen.

Solange ein großes Wohlstandsgefälle innerhalb der EU besteht, wird es keine kurzfristigen Lösungen geben. Ab Januar 2014 gilt volle Arbeitnehmer- freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren. Deshalb ist es erforderlich, Integrationsangebote in Deutschland in großem Umfang auszubauen. Dazu zählen zum Beispiel auch Sprachkurse oder spezielle Angebote für Zuwanderer-Kinder in Kitas und Schulen.

Mehr Informationen:

Änderungen im Freizügigkeitsrecht http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilung...

Bundesinnenminister Friedrich im Interview zur Armutszuwanderung http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Interviews/DE/2013/02/b... Beratungen in Brüssel zum Schengen-Abkommen http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2013/o... Broschüre „Willkommen in Deutschland – Informationen für Zuwanderer“ http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschuere...

Mit freundlichen Grüßen Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung