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seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor André Kühnemund am 30. Mai 2013
10830 Leser · 2 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Integrationsgipfel und die doppelte Staatsbürgerschaft

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin:

Ich wurde 1963 in Deutschland geboren, lebte und arbeitete hier, bis ich 1993 in die USA zog.
2001 wurde ich US-Staatsbürger - nicht wissend, dass mir Deutschland damit die deutsche Staatsangehörigkeit entzog. Ebenfalls nicht wissend, dass ich eine Beibehaltungsgenehmigung hätte beantragen können.
Unsere Familie zog 2010 zurück nach Deutschland. Da meine Frau in den USA ausgebildete und zugelassene Reachtsanwältin ist, können wir die US-Staatsangehörigkeit nicht ablegen, da uns dies uns jegliche Rückkehrmöglichkeit in die USA nehmen würde.

Wir sind hochqualifiziert mit 3 Kindern. Deutschland müsste froh sein, dass wir uns zu unserer deutschen Nationalität bekennen wollen. Stattdessen setzt uns Bayern die Pistole auf die Brust und sagt "Entweder Deutscher oder Amerikaner!".

Obwohl die CSU gegen die doppelte Staatsangehörigkeit ist, hat uns ihr Kollege, Herr Geis, MdB (CSU) seit unserer Antragstellung auf Wiedereinbürgerung massiv unterstützt - bis zum bayerischen Innenminister. Leider bisher ohne Erfolg.

Wir erwägen inzwischen zurück in die USA zu ziehen, da wir in Deutschland offensichtlich nicht willkommen sind.

Unsere speziellen Fragen:

- Warum wird einem gebürtigen Deutschen die Staatsbürgerschaft gegen seinen Willen entzogen?
- Wie ist es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetztes vereinbar, dass einem Deutschen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wird wenn er eine ausländische Staatsangehörigkeit annimmt, einem anderen Deutschen dagegen nicht, wenn er die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes annimmt?
- Warum kann mein Kollege Yaser gebürtiger Syrer und Deutscher zugleich sein, ohne dass Deutschland darin ein Loyalitätsproblem sieht - ich aber nicht gebürtiger Deutscher und Amerikaner sein darf?

Mit freundlichen Grüssen,

André Kühnemund

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 20. Juni 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Kühnemund,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Das Grundgesetz regelt, dass die Bundesländer das Staatsangehörigkeits- recht als eigene Angelegenheit ausführen. Der Bund kann daher im Einzelfall nicht die Amtshandlung einer Verwaltungsbehörde beeinflussen, die nach Landesrecht zuständig ist. Gern geben wir Ihnen aber folgende Informationen zu diesem Thema:

Die deutsche Staatsangehörigkeit geht automatisch per Gesetz (§ 25 Staatsangehörigkeitsgesetz) verloren, wenn jemand auf Antrag eine ausländische Staatsangehörigkeit annimmt (z. B. durch Einbürgerung). Es sei denn, er hat vorher von einer deutschen Behörde eine schriftliche Genehmigung erhalten, die es ihm erlaubt, die deutsche Staatsangehörigkeit beizubehalten.

Grundsätzlich setzt daher auch die Einbürgerung nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes (§ 10 StAG) voraus, dass man die bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt. Davon gibt es aber bestimmte Ausnahmen, die in § 12 StAG geregelt sind. Beispielsweise ist das der Fall, wenn dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, also insbesondere wirtschaftliche oder vermögensrechtliche Nachteile. http://www.gesetze-im-internet.de/rustag/BJNR005830913.html

In den sogenannten Vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundes- innenministeriums (BMI) vom 17. April 2009 (s. Link) finden Sie eine Reihe detaillierter Informationen beziehungsweise Empfehlungen hierzu. Wichtig sind besonders die Informationen zu § 12 „Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit“. Hier gibt es besondere Hinweise, wann Ausnahmegründe erfüllt sein können. Die Behörde könnte beispielsweise berücksichtigen, dass jemand seine Rentenansprüche oder -anwartschaften verliert, wenn er die alte Staatsangehörigkeit aufgibt. Das Gleiche gilt, wenn geschäftliche Beziehungen in den ausländischen Staat durch die Aufgabe der Staatsangehörigkeit konkret gefährdet wären, wie Sie es auch in Ihrer Mail schildern. http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/Them...

Allgemeine Informationen zum Thema Einbürgerung finden Sie hier: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Publikation/IB/w...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (2)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 03. Juni 2013
    1.

    Sehr geehrter Herr Kühnemund,

    meiner Empfindung nach wird die doppelte Staatsbürgerschaft nicht möglichst pragmatisch gelöst, sondern regelrecht politisch aufgeblasen. Was Sie an Beispielen schildern, sollen offenbar die so bezeichneten Ausnahmen sein gegenüberl Ländern, die aufgrund der anders angenommenen Staatsbürgerschaft, die ursprüngliche nicht nur entzogen haben, sondern die Betreffenden schlichtweg nicht mehr einreisen lassen, weil sie das als Verrat empfinden.

    Der Iran ist wohl ein vergleichbarer Fall. Von der Verrat-Annahme ist Deutschland allerdings weit entfernt, weil jeder Mensch, dem die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wurde, zu jeder Zeit ohne alle negativen Konsequenzen einreisen darf.

    Befriedigend finde ich das allerdings bei weitem nicht. So kann ich als hier Lesender und mitunter auch Eintragender Sie vollauf verstehen. Es wird Zeit, die Angelegenheit unbefangener anzugehen. Wenn unter Globalisierung nicht nur der Warenwirtschaftsverkehr gemeint sein soll, sondern auch die gesammelte andernorts jahrzehntelange Erfahrung von Menschen, kann einer doppelten Staatsbürgerschaft, sprich: dass sich Menschen in zwei Heimaten zu Hause fühlen, eigentlich nichts entgegen stehen.

  2. Autor André Kühnemund
    am 10. Juni 2013
    2.

    Sehr geehrter Herr Krüger:

    Vielen Dank für Ihr Verständnis! Die oft vorgetragene Meinung, dass man nur einem Land gegenüber loyal sein kann, ist unserer Meinung nach nicht mehr zeitgemäss. Das mag ein Problem gewesen sein, als Deutschland und Frankreich vor 100 Jahren Erzfeinde waren. Heutzutage sind beide Länder enge Verbündete und man kann problemlos beide Staatsangehörigkeiten haben. Meine Schwägerin ist argentinische Staatsangehörige (Geburt), deutsche Staatsangehörige (Abstammung) und seit letztem Jahr auch französische Staatsangehörige, nachdem Sie einen Franzosen geheiratet hat.

    Wenn Deutschland den Standpunkt vertreten würde, dass man die deutsche Staatsangehörigkeit nur annehmen kann, wenn man die andere ablegt - OK.. Ohne Ausnahmen. Wenn man das nicht will oder kann, dann könne man eben nicht Deutscher werden. Dem ist aber nicht so. Es gibt inzwischen so viele Ausnahmen, wo man die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verliert oder diese annehmen kann ohne die deutsche zu verlieren. Hier einige davon:

    - Wenn man die Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Landes annimmt. Einschliesslich Kroatien jetzt 27 Länder.

    - Wenn man die schweizerische Staatsbürgerschaft annimmt.

    - Wenn man aus einem Land kommt, dass es nicht erlaubt , dessen Staatsbürgerschaft abzulegen (viele südamerikanische oder arabische Länder, viele Diktaturen).

    - Wenn man eine "ältere Person" ist...

    - Wenn übermässige Geldbeträge dafür verlangt, jemanden aus dessen Staatsangehörigkeit zu entlassen.

    Insgesamt sicher ca. 100 Länder. Im Fall von westlichen Demokratien wie den USA, Kanada, Australien und Neuseeland dagegen, zwingt man Antragsteller, zwischen beiden Staatsanghörigkeiten zu wählen. Bei z.B. arabischen Diktaturen dagegen hat Deutschland kein Problem damit, die doppelte Staatsangehörigeit zu genehmigen. Welchen Sinn macht das?

    Unser Antrag auf Wiedereinbürgerung unter Beibehaltung unserer US-Staatsbürgerschaft wurde inzwischen abgelehnt. Bleibt anscheinend nur zu klagen, oder zurück in die USA zu gehen. Wir würden nicht zuletzt nicht wollen, dass unsere Kinder hier in Deutschland als Ausländer aufwachsen müssen.

    Viele Grüsse,

    André Kühnemund

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