Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Abstimmungszeit beendet
Autor Peter Dennhöfer am 21. August 2013
9744 Leser · 4 Kommentare

Außenpolitik

Werden Sie das "Vierte Reich" in Europa zulassen?

Sehr geehrte Frau Merkel,

mit großer Bestürzung nehme ich seit Monaten die Vorgänge um die Enthüllungen von Edward Snowden wahr - zuletzt die am 19.8. bekannt gewordenen Übergriffe des englischen Geheimdienstes GCHQ gegen die Zeitung "The Guardian" und das Verhör des Lebensgefährten vom dortigen Chefredakteur am Flughafen Heathrow durch die englische Polizei. Beides Aktionen, die den Methoden der Gestapo im dritten Reich in nichts nachstehen, da sie auf keinem nachvollziehbaren Rechtsgrund basieren und nur dubios mit irgendwelchen "Antiterror-Gesetzen" begründet werden.

Dass so etwas in einem Staat, der zum Kern der westeuropäischen Wertegemeinschaft gezählt wird, (wieder) möglich ist, konnte ich mir bis dato nicht vorstellen.
Aber bei genauerem Nachdenken muss ich zugeben, dass meine Vorstellung natürlich naiv war - schließlich werden unsere verfassungsmäßig garantierten Grundrechte ja seit Jahren mit Füßen getreten - im Namen der "inneren Sicherheit".

Das ganze Prozedere um die Vorratsdatenspeicherung inkl. dem ablehnenden Urteil des Verfassungsgerichts 2010 ist ohnehin ad absurdum geführt, seit bekannt ist, dass der BND mit Hilfe der NSA etc. in viel größerem Umfang teilweise noch weitaus sensibleren Daten als "unsere" Telekommunikationsverbindungen ausgespäht und gesammelt hat - ohne explizites Wissen des Bundeskanzleramts, wenn man Ihren Worten Glauben schenkt.

Die Geschichte beweist, dass staatliche Macht immer wieder missbraucht wurde und wird und dass Kontrollinstanzen absolut notwendig sind, um diesen Missbrauch zu verhindern.

Was gedenken Sie zu tun, um Deutschland und Europa noch vor der Neuauflage des Schicksals totalitärer Überwachungsstaaten zu bewahren? Und wie gedenken Sie mit Helden vom Format eines Herrn Snowden in Zukunft zu verfahren?

Kommentare (4)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 29. August 2013
    1.

    Sehr geehrter Herr Dennhöfer,

    ich glaube, dass Sie mit der mir polemisch erscheinenden Vokabel "Viertes Reich" - nach den deutschen Reichen von Karl den Großen bis zur Auflösung auf dem Wiener Kongress 1815, der ausgerufenen und schon faatalen Neubegründung 1870/71, der noch selbstsüchtigeren ausgerufenen Neubegründung 1933 - eher schon berechtigt Ablehnung erfahren, als dass Sie auf offene Ohren stoßen.

    Die Abhörpraktiken vom NSA und vom GHCQ sind ja nicht unbedingt Großmachtbestrebungen geschuldet, vielmehr beruht das Ganze ja auch einem simplen Weltbild eines vermeintlichen Guten - auf dessen Seite man selber stehe - und einem ausgemachten Bösen, auf dessen Seite der andere stehe.

    Jeder Anschlag irgendwo im hinterletzten Winkel des Erdballs nährt dieses Weltbild, wer ihm denn erliegt. Menschen, die zu differenzieren in der Lage sind, wissen: Was ist das so behauptete "Böse" anderes als dass vor Jahr und Tag an anderen Orten unter anderen Umstände zuvor Gut-Geheißene? Frieden beginnt in jedem Menschen selbst und es sind die Hardliner, diejenigen, die dem Kampfanzug nicht entrinnen wollen, die doopelte und Dreifach-Ketten vor die Wohnungstür befestigen und die Geldbörsen mit Alarmfunktion ausstatten.

    Jede Technik verführt zu ihrer maximalen Anwendung, soweit Menschen nicht die Weisheit besitzen, um einer Zurückhaltung willen vorher Halt zu machen.

  2. Autor Peter Dennhöfer
    am 30. August 2013
    2.

    "Viertes Reich" polemisch? Ein bisschen, zugegeben. Aber ich sehe das nicht nur verknüpft mit Großmachtbestrebungen im Sinne von Angriffskriegen. Die Gräuel des "dritten Reiches" bezogen sich ja auch auf die eigenen Landsleute. Und Hitlers Angriffskriege wären gar nicht möglich gewesen, hätte er nicht vorher jede Opposition ausgeschaltet.

    Großmachtbestrebungen existieren vielleicht (noch?) nicht im Sinne von Angriffskriegen gegen andere Staaten, aber im Sinne von maximaler Kontrolle der eigenen Bürger auf jeden Fall. Wenn der Datenschutz gegenüber staatlichen Exekutiv-Organen nicht mehr gewährleistet ist, öffnet das Tür und Tor für Polizeiwillkür und Missbrauch von staatlicher Macht gegen seine Bürger generell. Aber die meisten von denen, die das in Deutschland erleben mussten, haben diesen Planeten ja schon verlassen... ich bin sicher, diese Leute würden ganz anders aufstehen gegen das, was wir momentan erleben!

    "Frieden beginnt in jedem Menschen selbst"
    Da stimme ich Ihnen absolut zu! Und genau daran kann man einen Herrn Cameron und einen Herrn Obama auch messen... finden Sie Ihr Urteil selbst!

    "Jede Technik verführt zu ihrer maximalen Anwendung, soweit Menschen nicht die Weisheit besitzen, um einer Zurückhaltung willen vorher Halt zu machen."
    Tja... wenn man F. Dürrenmatt folgt, besitzt der Mensch diese Weisheit aber eben nicht.
    Ich habe jedenfalls keine Lust, in einem Land zu leben, in dem Regierende sich vor unliebsamen Veröffentlichungen schützen können, indem sie Medien durch Geheimpolizei mundtot machen dürfen. Wenn sowas in England eine gesetzliche Grundlage hat, bedeutet das nichts anderes als einen kontinuierlichen de-facto-Ausnahmezustand. Wenn das normal wird in Europa, hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht, die Grundlagen unserer westlich-demokratischen Gesellschaften zu zerstören. Und das als Anfang vom Ende zu sehen, halte ich für folgerichtig und vertretbar, daher meine Polemik "Viertes Reich in Europa". Wie verwundbar eine Demokratie ist, haben die Deutschen ja ab 1933 erlebt. Ich will dergleichen nicht auch erleben müssen.

  3. Autor Helmut Krüger
    am 02. September 2013
    3.

    So sehr wir (beide) uns einig darin sind, dass die Entwicklung schleichender sein könnte, als es die meisten Menschen annehmen, so will ich dennoch meine Kritik an der Vokabel "Viertes Reich" aufrechterhalten.

    In meinen Augen leitet sie die Gedanken in die Irre.
    Soweit jemand um den Hintergrund des 1. Reiches weiß (was zugegebenermaßen die Wenigsten wissen), so ist es ja die Begründung eines deutschen Reiches durch den genannten Karl den Großen. Das war eben noch kein Nationalstaat mit Ausweis und festem Staatsvolk in heutigem Sinne. Das 2. Reich war dann der militärische Zusammenschluss Deutschlands, den ich hier als Verhängnis bezeichnet habe, weil der demokratische Zusammenschluss 22, 23 Jahre vorher gewalttätig niedergeschlagen wurde. Das Dritte Reich ist den Meisten bekannt und die Meisten assoziieren es mit der Gleichschaltung Adolf Hitlers, mit der Abschaffung demokratischer Parteien und mit der systematischsten Vernichtung eines Bevölkerungsteiles, die in dieser Systematik auf dem Erdball ihresgleichen nicht findet. Vor diesem Hintergrund wirkt eine Bezeichnung "Viertes Reich" missverständlich, ja, im Grunde irritierend und DAHER für mich polemisch.

    Ich denke, es wäre gut, wenn sich die Diskussion auf den technischen Aspekt konzentrieren würde, ohne die eben genannte Irritation hervorzurufen. Hierin stimme ich Ihnen voll und ganz zu:

    "Wenn sowas in England eine gesetzliche Grundlage hat, bedeutet das nichts anderes als einen kontinuierlichen de-facto-Ausnahmezustand. Wenn das normal wird in Europa, hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht, die Grundlagen unserer westlich-demokratischen Gesellschaften zu zerstören"

    Das schließt dann tatsächlich an das Wahlmotiv ab 1929 an, indem Menschen die NSDAP weniger wegen ihrer Hetze gegen Juden, sondern weit mehr aus dem Motiv wählten "Bei denen funktioniert´s wenigstens, da herrscht Ordnung, während es die anderen - die Demokraten - nicht auf die Reihe bekommen." Dies ist allerdings politisch unterbelichtet, gerade wegen der Vokabel, und darin sehe ich das Problem.

  4. Autor Christian Adrion
    am 21. September 2013
    4.

    Herr Dennhöfer,
    wenn es denn mal so wäre wie sie es da schildern, das wäre ja schön, weil man dann endlich mal auf unsere Meinung hören würde. Ich denke eher es ist so , dass man unsere Meinung gar nicht wissen will. Wie sonst erklären Sie sich die absolute Realitätsferne unserer Eliten?
    Christian Adrion

  5. Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.