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Beantwortet
Autor Wolf B. am 27. November 2013
10485 Leser · 6 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Diese Wirtschaft tötet

Sehr geehrte Frau Merkel,

der Papst Franziskus veröffentlicht ein sozialkritisches Lehrschreiben, darin steht:

„Solange die Probleme der Armen nicht von der Wurzel her gelöst werden, indem man auf die absolute Autonomie der Märkte und der Finanzspekulation verzichtet und die strukturellen Ursachen der Ungleichverteilung der Einkünfte in Angriff nimmt, werden sich die Probleme der Welt nicht lösen. Diese Wirtschaft tötet. Der Mensch an sich wird wie ein Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann.“

Glauben Sie auch, dass die ungleiche Verteilung des Reichtums die wichtigste Ursache aller sozialen Übel und von Gewalt ist?

Mit diesem Lehrschreiben kritisiert der Papst die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, die Sie und Ihre Regierung getroffen haben. Bei uns sind die Reichen immer reicher geworden und die Armen immer ärmer. Die Banken spekulieren weiterhin. Die Einführung des Mindestlohnes 2015, mit den zu erwartenden Ausnahmeregelungen, werden Armut und Not nicht verhindern. Wir sind schon lange kein Land mehr, dass nach Leistung bezahlt und gerecht entlohnt.

Mit freundlichen Grüßen

Wolf Bertelsdorf

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 09. Dezember 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Bertelsdorf

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Deutschland setzt mit der Sozialen Marktwirtschaft auf ein Modell, bei dem die sozialen Belange der Menschen einen hohen Stellenwert haben. Wer aufgrund von Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit kein eigenes Einkommen erzielen kann, ist vom Staat abgesichert. Durch Steuern und Sozialleistungen werden soziale Ungleichheiten in hohem Maße ausgeglichen. Das heißt: Wenn Reichtum unterschiedlich verteilt ist, muss das nicht automatisch ein Problem sein. Wer mehr leistet oder mehr Verantwortung übernimmt als andere, erzielt ein höheres Einkommen. Aber er hilft auch den Schwächeren, beispielsweise durch höhere Steuern und Sozialabgaben oder indem er Arbeitsplätze schafft.

Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in Deutschland nicht weiter geöffnet. Sie schließt sich sogar leicht. Das sogenannte Armutsrisiko liegt mit 15,8 Prozent unter dem Durchschnitt in der Europäischen Union (16,9 Prozent). Ein Mensch gilt als armutsgefährdet, wenn er mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushalts-Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss.

Jeder soll eine faire Chance haben, etwas aus sich zu machen. Die Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg in Deutschland werden weiter verbessert. Das ist auch ein Ansatz, der im 4. Armuts- und Reichtumsbericht diskutiert wird. Den hat die Bundesregierung im März 2013 verabschiedet: http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a334-4-armuts...

Generell gilt: Arbeit ist das beste Mittel gegen Armut. In Deutschland sind derzeit über 42 Millionen Menschen erwerbstätig - ein Rekordwert. In den vergangenen Jahren haben wir durch den Abbau der Arbeitslosigkeit viel erreicht: Die verfügbaren Jahreseinkommen der privaten Haushalte sind von 2005 bis 2010 um durchschnittlich 700 Euro gestiegen. Davon haben vor allem die Einkommensschwächeren profitiert. Löhne verhandeln in Deutschland Arbeitgeber und Gewerkschaften. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht, da sich auf diesem Wege ein für beide Seiten gerechter Lohn finden lässt.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (6)Schließen

  1. Autor Erhard Jakob
    am 29. November 2013
    1.

    Wolf,
    der Baum, der hier gehegt und gepflegt
    wird, heißt *Kapitalismus*.
    .
    Wir im Osten hatten von 1949 bis 1990
    ein Baum mit dem Namen
    *Sozialismus*.
    .
    Diesen haben die Menschen gerodet und
    den Baum *Kapitalismus* gepflanzt.
    .
    Nun sehen die Pflanzer, dass das auch
    nicht gerade das Gelbe vom Ei ist.

  2. Autor Erhard Jakob
    am 01. Dezember 2013
    2.

    Wolf,

    Ihr Beitrag trifft, wie
    *die Faust aufs
    Auge*!
    .
    Eine Wurzelbehandlung wird wohl
    hier nicht mehr ausreichen. Es
    wird wohl der ganz Baum
    gerodet und ein neuer
    gepflanzt werden
    müssen.

  3. Autor Erhard Jakob
    am 01. Dezember 2013
    3.

    Ja, >diese< (freie Markt)
    Wirtschaft tötet.
    .
    Besser gesagt, die "Veranstalter"
    bzw. (Heuschrecken lt. Münte)
    >dieser Wirtschaft< töten.

  4. Autor Erhard Jakob
    am 02. Dezember 2013
    4.

    Nicht die *Wirtschaft* tötet
    sondern die unfähigen
    Wirtschaftslenker!
    .
    Nicht die *Hunde* töten
    sondern die unfähigen
    Hundehalter!

  5. Autor Kurt Simmchen
    am 02. Dezember 2013
    5.

    Eure Beiträge sind sehr poetisch.
    Den Worten von Papst Franziskus stimme ich vollinhaltlich zu.
    Was aber dann pflanzen? Roden ist leicht.

    Ich erlebe hier in der Ukraine die Pflanzer, die uns Dank Wiedervereinigung erspart blieben. Der grausamste Menschenfeind ist der überzeugte Systemnutznießer des "Kommunismus" der sich Kapital klauen konnte und heute einen auf Kapitalist macht.

    Ich denke, dass unser Baum in Deutschland noch formbar ist wenn er den richtiger Gärtner bekommt. Die mögliche große Koalition hat dazu schon ein paar wichtige Maßnahmen vorgesehen.

  6. Autor Helmut Krüger
    am 02. Dezember 2013
    6.

    Auch ich möchte mich den Worten des Papstes (oder des Menschen José Maria Bergoglio) anschließen, die dieser unter Franziskus so treffend formuliert hat.

    Ohne das Schriftstück im Wortlaut zu kennen, so glaube ich, dass Franziskus nicht meint, dass die Wirtschaft darauf abzielt, zu töten, allerdings im Endergebnis Tode von Menschen in Kauf nimmt. Die Plakate von Brot für die Welt und auch von Adveniat soweit ich weiß, thematisieren ja nicht umsonst die Nahrungsmittelspekulation in der Weise, dass die geschaffene Logistik zuallererst nicht denjenigen zugute kommt, die Lebensmittel am Dringensten brauchen, sondern denjenigen, die eh schon satt und geradezu übersättigt sind.

    Es braucht ja nicht unbedingt und überall Gesetze, sondern eines moralischen und ethischen Kodexes, auch und gerde von Seiten der Regierung: Mit Lebensmitteln zu spekulieren ist noch weit unethischer als die Spekulation mit Finanzen ohnehin schon. Wohl aber bedarf es einer soliden kaufmännischen Kalkulation und - auch wenn das antiquiert klingen mag - eine Portion Altruismus bei allem.

    Sie haben vor Jahren Sten Nadolnys Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit" gelesen. Das ist ja eine etwas andere und unaufdringlich andere Weltsicht in Bezug auf die Wahrnehmung von Geschwindigkeit. Das Gleiche benötigen wir m. E. in Bezug auf die Stellung von Geld - als Mittel zum Zweck, nicht hingegen als Selbstzweck.

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