Sehr geehrte Frau Kursawe,
vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.
Artikel 4 unseres Grundgesetzes besagt, dass die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich sind.
Zu der durch Artikel 4 geschützten Religionsfreiheit gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Auch Bekleidungsvorschriften sind hiervon umfasst. Dies bedeutet: Zumindest im Rahmen der privaten Lebensgestaltung ist das religiös motivierte Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit als Ausdruck einer bestimmten religiösen Überzeugung durch Art. 4 Abs. GG geschützt.
Differenzierter ist dies zu sehen, wenn die kopftuchtragende Person im Staatsdienst steht. Hierzu gibt es zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts:
1) 2013 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass beispielsweise Lehrkräften in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit das Tragen religiöser Symbole verboten werden kann. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass eine entsprechende gesetzliche Grundlage vorliegt.
Daraufhin trafen verschiedene Bundesländer Regelungen in den Schul- bzw. Beamtengesetzen, die die Wahrung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates sicherstellen sollen. Die Regelungen zielten insbesondere auf Lehrkräfte an öffentlichen Schulen außerhalb des Religions- und Weltanschauungsunterrichts. Der Bund erließ für seine Bundesbeamten keine vergleichbare Regelung.
2) Am 13. März dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung veröffentlicht, nach der ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen mit der Verfassung nicht vereinbar ist. Um ein Kopftuch-Verbot zu rechtfertigen, genügt es nicht, dass von dieser äußeren religiösen Bekundung eine abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausgeht. Vielmehr muss die Gefahr hinreichend konkret sein.
Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung festgehalten, dass eine solche Gefährdung denkbar wäre, wenn:
-
über die Frage des richtigen religiösen Verhaltens sehr kontroverse Positionen mit Nachdruck vertreten werden - insbesondere von älteren Schülern oder Eltern;
-
diese Positionen in einer Weise in die Schule hineingetragen werden, die die schulischen Abläufe und die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags ernsthaft beeinträchtigt;
-
die Sichtbarkeit religiöser Überzeugungen und Bekleidungspraktiken diesen Konflikt erzeugt oder geschürt hat.
Die Bundesregierung hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Respekt zur Kenntnis genommen. Für konkrete Regelungen, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen, ist nicht die Bundesregierung zuständig, sondern dies ist Sache der Länder.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Kommentare (17)Schließen
am 16. März 2015
1.
am 16. März 2015
2.
am 17. März 2015
3.
am 17. März 2015
4.
am 18. März 2015
5.
Kommentar zu Kommentar 5 am 19. März 2015
6.
am 20. März 2015
7.
am 22. März 2015
8.
am 22. März 2015
9.
Kommentar zu Kommentar 7 am 22. März 2015
10.
am 27. März 2015
11.
am 28. März 2015
12.
am 30. März 2015
13.
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.