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Beantwortet
Autor Wolfgang Mücke am 21. Januar 2008
10833 Leser · 0 Kommentare

Wirtschaft

Arbeitszeitrechte im Handelsgewerbe

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

der Entfall des Ladenschlussgesetzes ist ein großer Fortschritt. Die Ladeninhaber sollen selbst entscheiden können, wann es sich lohnt, ein Geschäft zu öffnen. Im Wesentlichen sind dabei vernünftige Öffnungszeiten entstanden.

Ausnahme sind die Sonntagsöffnungszeiten. Da sind inzwischen sogar Wettbewerbe zwischen Städten entstanden. Unwirtliche Industriestädte werden plötzlich zu Touristenzentren, in denen angeblich auch sonntags die Touristen unbedingt mit Kleidern, Waschmaschinen, Fernsehern, Büchern usw. versorgt werden müssen.

Es wundert mich, dass Verkäuferinnen und Verkäufer nach dem Fortfall des Ladenschlussgesetzes nicht durch die Gewerbeordnung (GewO) §105 ausreichend geschützt sind. Dort ist geregelt, dass Leute am Sonntag nur dann arbeiten dürfen, wenn es für das Gemeinwohl unbedingt notwendig ist (z.B. Polizei, Feuerwehr, öffentlicher Verkehr, Tankstellen), oder wenn dem Betrieb ein unermesslicher Schaden entstände (z.B. Arbeiter am Hochofen, der nicht erkalten darf). Beides ist bei Verkäuferinnen und Verkäufern nicht der Fall. Das kann man auch daran erkennen, dass die Öffnung der Läden die letzten 60 Jahre sonntags nicht notwendig war.

Man muss nicht den Kirchgang im Auge haben, um der Berufsgruppe der Verkäuferinnen und Verkäufer auch die Arbeitszeit-Schutzrechte zu gewähren, wie sie den meisten anderen Arbeitnehmern zustehen. Jeder normale Arbeitnehmer hat heutzutage Samstag und Sonntag frei. Da sollte man den Verkäuferinnen und Verkäufern wenigstens den freien Sonntag gewähren.

Wann wird der §105 der Gewerbeordnung so konkretisiert, dass die Arbeitszeiten im Handelsgewerbe am Sonntag verboten oder auf ein absolut notwendiges Maß eingeschränkt werden?

Ich bitte um Ihre Unterstützung, auch wenn Sie persönlich meist sonntags nicht frei haben.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Mücke

(ohne jeglichen Eigennutz)

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 03. März 2008
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Dr. Mücke,

vielen Dank für Ihr Schreiben, das wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Gewerbeordnung hat früher in der Tat Regelungen zur Arbeitszeit enthalten. Seit Mitte 1994 ist die Arbeitszeit jedoch in einem eigenständigen Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt. Der von Ihnen zitierte § 105 der Gewerbeordnung besteht in dieser Form daher nicht mehr.

Das ArbZG legt die Grundnormen dafür fest, wann und wie lange Beschäftigte in Deutschland höchstens arbeiten dürfen. Leitgedanke ist dabei der Gesundheitsschutz. Das Gesetz begrenzt die tägliche Höchstarbeitszeit und legt die Mindestruhepausen während und nach der Arbeit fest. Mit diesen Rahmenbedingungen schafft es zugleich einen weiten Spielraum für die Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten.

An Sonn- und Feiertagen gilt zwar ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot. Mit §13 Absatz 1 Nummer 2a ArbZG können von der Sonn- und Feiertagsruhe unter anderem Ausnahmen zugelassen werden, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern „zur Befriedigung täglicher ... Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist“. Gründe können das Gemeinwohl, insbesondere auch die Sicherung der Beschäftigung sein.

Fällt die Arbeitszeit unter die Ausnahmeregelungen, zum Beispiel bei Arbeit an Sonntagen, besteht Anspruch auf einen die Gesundheit schützenden Ausgleich. Statt des Sonntages muss ein Ersatzruhetag zur Verfügung gestellt werden, der grundsätzlich innerhalb der folgenden zwei Wochen zu nehmen ist.

Die Arbeitszeit im Einzelhandel regeln die Länder. Im Zuge der Föderalismusreform Mitte 2006 bekamen sie die Gesetzgebungskompetenz in Sachen Ladenschluss. Jedes Land kann durch eigene Regelungen die Ladenschlusszeiten an die Bedürfnisse seiner Bevölkerung anpassen. Dabei wurden aus mehreren Gründen – Stichworte sind zum Beispiel mehr Berufstätigkeit von Frauen, veränderte Familienstrukturen – die Ladenschlusszeiten gelockert. Die Länder sahen darin einen größeren Nutzen für die Verbraucher und positive Auswirkungen auf Umsatz und Beschäftigung. Der Sonn- und Feiertagsschutz hat jedoch weiterhin in allen Ländergesetzen einen hohen Stellenwert.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung