Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Volker Rockel am 28. Juni 2008
15650 Leser · 0 Kommentare

Innenpolitik

Bahnprivatisierung

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin.

wesentliche Fragen des Privatisierungsvorhabens sind aus meiner Sicht weiterhin unbeantwortet (Anmerkung: Ich habe die gleichen Fragen am 13.05.2008 den Abgeordneten der Regierungsfraktionen des Deutschen Bundestages gestellt, leider bislang noch keine Antwort erhalten):

1. Welche langfristigen verkehrspolitischen Konzepte bestehen in Deutschland?

a. Wie ordnet sich die Teilprivatisierung der Konzernsparten Personenverkehr, Gütertransport und Logistik der DB AG den langfristigen verkehrspolitischen Konzeption unter?
b. Welche volkswirtschaftlichen Risiken entstehen durch die Teilprivatisierung im Hinblick auf die Umsetzbarkeit dieser langfristiger verkehrpolitischen Konzepte.

2. Welchen volkswirtschaftlichen (langfristigen) Nutzen hat eine Teilprivatisierung der Konzernsparten Personenverkehr, Gütertransport und Logistik in Deutschland?

a. Wie wird sichergestellt, dass der Verkehrsträger Schiene unter Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Gesichtspunkte zukunftsfähig weiterentwickelt werden kann?

b. Wie wird sichergestellt, dass die Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene durch Wettbewerb erhöht wird?
c. Wer übernimmt die bestehenden Schulden der DB AG nach der Trennung von Betrieb und Netz? In welcher Höhe verbleiben Pensionslasten beim Bund?
d. Welche Belastungen entstehen aus der Trennung von Betrieb und Netz langfristig für den Bundeshaushalt.

3. Wie stellt der Bund sicher, dass er seinen Grundgesetz-Auftrag gem. Art. 87e Abs. 4 GG erfüllen kann?

4. Wie stellt der Bund als Mehrheitseigentümer sicher, dass die bereits bestehenden Überschneidungen des Logistikgeschäfts der Deutschen Post AG (DHL) und der DB AG nicht zu einer Schwächung der Wettbewerbsposition beider Unternehmen führen und in der Konsequenz zu einer Schmälerung des Gewinnanteils für den Bund?

5. Welche konkreten Vorteile entstehen für den einzelnen Bürger aus einer Teilprivatisierung der der Konzernsparten Personenverkehr, Gütertransport und Logistik der DB AG und welche Nachteile hat er zu erwarten?

und

6. Wenn eine Teilprivatisierung der DB AG nicht im Interesse der Bürger dieses Landes liegen kann,- in wessen Interesse liegt sie dann?

ich freue mich auf die Beantwortung !

Mit freundlichem Gruß

Volker Rockel

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 02. August 2008
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Rockel,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Bei den Entscheidungen zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB AG) wurden sowohl die Ziele der Bahnreform als auch die Infrastrukturverantwortung des Bundes berücksichtigt. Entsprechend der im Koalitionsvertrag getroffenen Grundsatzentscheidung will die Bundesregierung die Beteiligung privaten Kapitals an der DB AG noch in diesem Jahr ermöglichen. Der Bundestag hat am 30.5.2008 dem Regierungsantrag zur Zukunft der Bahn zugestimmt.

Unter dem Dach der DB-Holding, deren Eigentümer der Bund bleibt, soll es künftig zwei Unternehmen geben. Die Bahninfrastruktur bleibt vollständig in Bundesbesitz. Privates Kapital wird mit 24,9 Prozent an den Bereichen Verkehr und Logistik der DB AG beteiligt. Der Güter-, Fern- und Regionalverkehr wird hierfür zu einer Gesellschaft zusammengefasst. Damit soll die Eigenkapitalbasis und die Investitionskraft der DB AG gestärkt werden, um sich den Herausforderungen des europäischen Schienenverkehrsmarktes erfolgreich stellen zu können und weiteres Wachstum des Schienenverkehrs zu ermöglichen. Eine gute Infrastruktur ist die Basis für einen funktionierenden Wettbewerb auf der Schiene.

Bei der Bewältigung der steigenden Güterverkehrsströme hat die Bahn eine Schlüsselrolle. Das Verkehrssystem Schiene muss wachsen, dies geht nicht ohne hohe Investitionen. Die notwendigen zusätzlichen Mittel können nur im Rahmen einer klar definierten Organisationsstruktur und durch Beteiligung Dritter gewonnen werden. Die Bundesregierung verbindet mit der Beteiligung Dritter an der DB AG und den damit geschaffenen finanziellen Handlungsmöglichkeiten die Erwartung einer Attraktivitätssteigerung der Bahn, die Voraussetzung ist für die angestrebte Verlagerung künftiger Verkehrszuwächse auf die Schiene. Die Gewinnung von zusätzlichem Kapital dient der Ertüchtigung des Schienennetzes, der Beseitigung von Kapazitätsengpässen, einer intensiven Lärmreduzierung und der Sanierung von Bahnhöfen. Die Attraktivität des Schienenverkehrs wird durch innovative Technik, neue Fahrzeuge und verbesserte Verkehrsangebote gesteigert.

Die Bahnreform war von Beginn an in Stufen angelegt. Die Ziele der Bahnreform von 1993, die 1994 in Kraft trat, sind bis heute gültig: „Mehr Verkehr auf die Schiene und nachhaltige Entlastung des Bundeshaushaltes.“ Wesentlich für die Reform 1993 war die Unterscheidung zwischen dem Erbringen von Einsenbahnverkehrsleistungen und dem Betreiben der Eisenbahninfrastruktur sowie die Öffnung der Streckennetze für andere privatwirtschaftliche Wettbewerber und die Regionalisierung des Personennahverkehrs.

Im Grundgesetz, Artikel 87e wurden 1993 die wesentlichen Kernpunkte festgeschrieben. Der Bund wird verpflichtet, die Mehrheit der Anteile am Schienennetz zu behalten. Die staatliche Infrastrukturverantwortung nimmt der Bund derzeit durch die Finanzierung der Netzinvestitionen in Höhe von bis zu 4 Milliarden Euro pro Haushaltsjahr wahr. Eine weitere Stufe der Bahnreform im Jahre 1999 führte zur heutigen Struktur der DB AG mit fünf eigenständigen Tochterunternehmen, die ebenfalls als Aktiengesellschaften organisiert sind. Ziel dieser Stufe war die Vorbereitung des Börsengangs der DB AG.

Aus wettbewerbs- wie aus europarechtlichen Gründen wird sichergestellt, dass der Bereich Verkehr und Logistik keine diskriminierenden Einflüsse auf die Infrastrukturunternehmen ausüben kann. Private Investoren erhalten keinen unternehmensbestimmenden Einfluss auf den Kernbereich der Unternehmenspolitik der DB AG.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung