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Beantwortet
Autor D. Neubauer am 04. Oktober 2007
18339 Leser · 1 Kommentar

Innenpolitik

Datenschutz / Zum Beitrag von Herrn Julian von Mendel

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

Dem Beitrag von Herrn Julian von Mendel möchte ich mich inhaltlich anschliessen und das Thema etwas erweitern. Natürlich müssen nach Güterabwägung zwischen öffentlichem Interesse und Datenschutz Kompromisse gefunden werden (Bereiche, die mir hierzu einfallen: Terrorabwehr, Spionage, Computerkriminalität, Verwaltungsvereinfachung, Steuergerechtigkeit, Immigration, Volkszählung...) Aber diese Kompromisse - und das ist der Punkt - müssen immer auf dem Boden des Rechtsstaates gefunden werden und dürfen diesen nicht (und auch nicht auf lange Sicht) schwächen. Das heisst, auch in Zukunft müssen Geheimdienste dem Gesetz unterworfen sein und ausschliesslich dem Souverän, dem Volk, dienen. Auch in Zukunft darf die Gewaltenteilung nicht in Frage gestellt werden; dazu gehört auch, dass die Judikative dieselben Informationen erhält wie die Exekutive. Und schliesslich muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trotz Datenbanken, die im Informationszeitalter staatlicherseits gegebenenfalls tatsächlich notwendig sind, auch in Zukunft erhalten und gesetzlich geschützt bleiben. Ich sehe wie Herr von Mendel die grosse Gefahr, dass ein zentrales "Abbild" aller Bürger in Form einer Datenbank früher oder später missbraucht werden könnte. Sobald die Daten erst einmal gesammelt (und mit hohem finanziellen Aufwand aktualisiert und bereinigt) sind, kann auch die strengste Bereichsbindung schnell aufgegeben werden, wenn der Wunsch, über die Daten zu verfügen, übergross wird.
Worin besteht die Gefahr? Dass der Boden des demokratischen Konsenses zur Verwendung personalisierter Daten verlassen wird. Gesetzt diesen Fall, sind die Möglichkeiten des Missbrauchs der Macht, die mit solchen Datensätzen verbunden ist, naheliegend: Kategorisierung von Personengruppen anhand persönlicher oder wirtschaftlicher Merkmale, Diskriminierung von Personengruppen (z.B. politische Gegner) und (neu) gezielt von Einzelpersonen. Aufgabe des Prinzips, dass alle vor dem Gesetz gleich sind. Automatisierten Ueberwachung des Verhaltens von Bürgern inklusive automatisierter Kontrolle. Der gläserne Bürger. Abstrakt gesprochen ist dann eine computerisierte, digitale Exekutive denkbar. Sobald Computer Rechte und Pflichten kontrollieren können und ggf. gesetzeskonformes Verhalten durchsetzen dürfen, gibt es keine menschliche Abwägung mehr, keinen Ermessensspielraum, kein Auge-Zudrücken (der Computer schläft nie), kein Mitleid. Die Entscheidungsfindung eines Computers ist binär und damit gewissermassen totalitär. Darüber hinaus: Wenn es keinen menschlichen Ansprechpartner mehr gibt, wird potenziell ein "digitaler Wassergraben" um die Mächtigen errichtet, die sich zunehmend nicht mehr persönlich für das Gemeinwesen verantwortlich fühlen. Das wiederum befördert die Politikverdrossenheit und das Eintreten der Menschen für die Demokratie schwindet weiter.
Fazit: Die Kontrolle über die persönlichen Daten der Bürger bedeutet eine grosse Macht, die meines Erachtens nur mit einer klaren demokratischen Legitimation ausgeübt werden darf. So weit ich das Beurteilen kann, haben sich aber bislang die wenigsten Deutschen die Bedeutung von Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung klar gemacht und gibt es auch noch wenig öffentliche Diskussion darüber.
Meine Bitte an Sie als die oberste Repräsentantin der Bundesregierung: Geben sie dem Volk mehr Zeit für diese Themen! Stossen sie bitte in Reden und mit Hinweisen die notwendige öffentliche Diskussion über den Datenschutz und die staatliche Datenverwendung im Informationszeitalter an! Selbst wenn es die Experten in den Ministerien schon wissen sollten, wie die zukünftigen Regelungen optimal auszusehen hätten, bleibt die Information der Bevölkerung, die Auseinandersetzung mit dem Thema und am Ende die mehrheitliche Zustimmung trotzdem absolut wesentlich! Andernfalls nimmt die Identifikation mit unserer freiheitlichen Demokratie ab und nimmt die politische Resignation zu. Nutzen sie die Meinung des Volkes, um weit in die Zukunft sich auswirkende politische Entscheidungen bezüglich zentraler Datenbanken auf dem Boden eines breiten Konsenses zu treffen!

Mit freundlichen Grüssen
Florian Neubauer,
zur Zeit als deutscher Gastarbeiter in der Schweiz

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Ich zitiere den Beitrag von Herrn Julian von Mendel vollständig:

"Gefährdung unserer Demokratie durch Überwachung

Sehr geehrte Bundeskanzlerin,

"Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren." - Benjamin Franklin

Die Gefahr durch Terroristen hält sich stark in Grenzen - Autounfälle töten mehr Menschen. Ist es sinnvoll, unsere Demokratie dadurch zu gefährden, dass die Gewaltenteilung mehr und mehr abgeschafft wird und Möglichkeiten, die zur Totalüberwachung der Bürger genutzt werden KOENNTEN (selbst, wenn das im Moment nicht geplant ist) legalisiert werden? Mir macht die Einschränkung meiner Privatsphäre mehr Angst, als die Gefahr durch Terroristen.
Der praktische Nutzen von Onlinedurchsuchungen, die durch das Verschicken von Trojanern per E-Mail realisiert werden sollen hält sich stark in Grenzen - schließlich fällt darauf heutzutage nicht mal der durchschnittliche Privatanwender hinein.
Die zentrale Speicherung von biometrischen Daten auf Personalausweisungen eröffnet einen einzigen Angriffspunkt, der wenigen böswilligen Menschen eine enorme Macht geben könnte.
Die zentrale Speicherung von Gesundheitsdaten ist nutzlos, nicht praxistauglich und gefährlich. Die Erfahrung des letzten Jahrzehnts im Internet hat gezeigt, das zentralisierte Systeme angreifbar und nachteilhaft sind, dezentrale Systeme waren praktisch immer im Vorteil.
Wird dadurch, dass viele, extrem private Daten zentral gespeichert werden tatsächlich ein Vorteil erwartet? Wenn ja, welcher?
Ist es ein Widerspruch zu einer Demokratie, wenn die Bürger nicht mal erfahren sollen, welche Daten von Flugzeugpassagieren mit den USA ausgetauscht werden? Wie will man das Volk bestimmen lassen, wenn es nicht mal wissen darf, was vorgeht?
Meiner Meinung nach gefährdet die aktuelle Entwicklung unsere Demokratie massiv.

Mit freundlichen Grüßen
Julian von Mendel"

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 12. November 2007
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Dr. Neubauer,

vielen Dank für Ihre Frage an die Bundeskanzlerin, die wir in ihrem Auftrag beantworten.

Es steht außer Frage, dass auch in Zukunft alle Maßnahmen unserer Sicherheitsbehörden rechtsstaatlichen Maßstäben entsprechen müssen. Gerade darum wird im Bundestag wie in der Bundesregierung intensiv diskutiert, wie notwendige Sicherheitsmaßnahmen gegen unverzichtbare Freiheitsrechte abzuwägen sind.

Derzeit wird zum Beispiel von der Bundesregierung geprüft, inwieweit den Sicherheitsbehörden künftig die verdeckte Durchsuchung von Computern möglich sein soll. Die beteiligten Ministerien sind sich einig, dass eine derartige Durchsuchung nur unter eng begrenzten Voraussetzungen durch einen richterlichen Beschluss angeordnet werden darf. Betroffene müssen im Nachhinein – nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens – von der Durchsuchung unterrichtet werden.

Damit ist gewährleistet, dass die Sicherheitsbehörden an das Gesetz gebunden sind. Auch die Gewaltenteilung bleibt gewahrt: Unabhängige Richter entscheiden bisher und künftig bei Ermittlungsmaßnahmen, die in Freiheitsrechte eingreifen, ob die Maßnahmen erforderlich und angemessen sind oder nicht. Nach Ansicht der Sicherheitsbehörden käme es aufgrund dieser Voraussetzungen und des hohen technischen Aufwandes voraussichtlich zu nicht mehr als etwa zehn Computer-Durchsuchungen pro Jahr – im gesamten Bundesgebiet.

Um einen Missbrauch persönlicher Daten grundsätzlich auszuschließen, gibt es in Deutschland keine zentrale Datenbank, und es ist auch keine geplant.

Sie bitten die Bundeskanzlerin, verstärkt auf das wichtige Thema Datenschutz hinzuweisen. Dies leistet die Bundesregierung, indem sie durch ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit umfassend über die Politik in diesem und in anderen Bereichen informiert – über die Medien und mit eigenen Veröffentlichungen. Dazu gehören Broschüren und ein umfangreiches Internetangebot: (www.bundesregierung.de).

Zum Thema Datenschutz finden Sie auf der Homepage des Bundesinnenministeriums sowie des Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung weiterführende Informationen:

http://www.bmi.bund.de/cln_028/nn_121560/Internet/Navigat...

www.bfd.bund.de

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (1)Schließen

  1. Autor Julian von Mendel
    am 12. November 2007
    1.

    Na, wenn das keine vielsagende Antwort war, geschrieben von jemandem, der das Thema vollstaendig erfasst hat.

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