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Beantwortet
Autor F. Stückemann am 02. Juni 2017
12240 Leser · 5 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Deutsche Soldaten in Afghanistan ?

Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,

nach dem Terror-Anschlag in Kabul, bei dem die
ausländischen Botschaften im Visier standen, muss
die Botschaft doch klar sein: Ausländer sollen raus
aus Afghanistan. Wie Sie sagten, wollen Sie genau
hinsehen... Warum betrifft das nur die jungen,
kräftigen Afghanen, die hier sind und nicht mehr
abgeschoben werden sollen, obwohl sie in ihrer
Heimat gute Dienste leisten könnten. Sollen unsere
Soldaten, die die Sprache und die Sitten nicht kennen
das besser können ? Sind sie nicht vielmehr, als
Ausländer dort, die Gefährdeten – bereits 50 unserer
Männer haben dort ihr Leben gelassen ?
Warum will man da nicht genau hinsehen, verehrte
Fau Bundeskanzlerin ? Misst man hier mit zweierlei
Maß zu unserem Leid ?

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 07. Juli 2017
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Stückemann,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Bei unserer Zusammenarbeit mit Afghanistan geht es zum einen um das Ziel, Afghanistan weiterhin dabei zu unterstützen, die Verantwortung für die nationale Sicherheit zu übernehmen. Das tut die internationale Gemeinschaft - und damit auch die Bundeswehr - im Rahmen von Mandaten der Vereinten Nationen und der NATO. Zum anderen müssen wir vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse auch immer wieder die von Ihnen angesprochene Abschiebepraxis überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Das internationale Engagement in Afghanistan hat bisher viel erreicht. Die afghanischen Sicherheitskräfte haben heute eine Stärke von etwa 350.000 Soldaten. Allerdings benötigen sie nach wie vor Unterstützung. Seit Januar 2015 tragen sie selbstständig die Verantwortung für die Sicherheit im Land. Mit der NATO-Mission Resolute Support soll den afghanischen Soldaten dafür das Rüstzeug gegeben werden. Im Gegensatz zum vorherigen ISAF-Einsatz beruht diese Mission auf drei Säulen: Ausbildung, Beratung und Unterstützung. Die Einsatz-Kräfte stehen sozusagen in der zweiten Reihe und unterstützen bei den Sicherheitsaufgaben.

Die Bundesregierung hat ihre weitere finanzielle Unterstützung Afghanistans auch an Fortschritte bei der Umsetzung der Reformagenda und Kooperation in Migrationsfragen geknüpft. Anfang Oktober 2016 hat Deutschland eine „Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration zwischen Deutschland und Afghanistan“ unterzeichnet, um Rückführungen nach Afghanistan zu erleichtern.

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist regional unterschiedlich, wobei diese in der Mehrzahl der Provinzhauptstädte als durch die afghanischen Sicherheitskräfte „ausreichend kontrollierbar“ eingeschätzt wird. Welche Risiken die Schwelle zu einer „erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit“ im Sinne des Aufenthaltsgesetzes überschreiten, obliegt in jedem Einzelfall der Beurteilung der zuständigen Behörden in den Bundesländern.

Für aktuelle Abschiebungen nach Afghanistan gilt: Anfang Juni diesen Jahres hat die Bundesregierung entschieden, eine neue Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan vorzunehmen – auch in Folge des fürchterlichen Terroranschlags in unmittelbarer Nähe der Deutschen Botschaft in Kabul Ende Mai. Der Anschlag hat auch die Funktionsfähigkeit der Botschaft stark beeinträchtigt.

Bis zur Vorlage der neuen Lagebeurteilung bleibt es grundsätzlich bei der Förderung der freiwilligen Rückkehr und der Abschiebung von Straftätern und Gefährdern auf Basis einer sorgfältigen Einzelfallprüfung. Dies gilt auch für Ausreisepflichtige, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern.

Entscheidend ist, dass die afghanische Regierung den politischen Prozess mit dem Ziel eines Friedensschlusses mit militanten regierungsfeindlichen Gruppen initiiert und fortführt. Langfristig kann nur Aussöhnung und Integration aller afghanischen Konfliktparteien dem Land dauerhaften Frieden bringen.

Nach der Einschätzung der internationalen Gemeinschaft ist es auch weiterhin notwendig, Afghanistan auf diesem Weg aktiv zu begleiten. Dazu sind neben Deutschland auch viele weitere Nationen mit Soldatinnen und Soldaten und zivilen Helfern vor Ort, um das schwierige und gefährliche Engagement am Hindukusch erfolgreich weiter zu führen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (5)Schließen

  1. Autor Erhard Jakob
    am 05. Juni 2017
    1.

    Es geht nicht um die >ausländische Botschaft< sondern um die Ausländer
    im Allgemeinen. Sie sind mit ihren Armeen in das Land eingedrungen
    und haben >Recht und Gesetz bzw. die Demokratie<
    nach ihrem Sinne mit Gewalt eingeführt.

    Kein Wunder, dass sie die Botschaften der Länder angreifen. Es ist
    auch kein Wunder, dass besonders radikale Menschen sich
    aufmachen und Anschläge in den betreffende Länder
    verüben! Sahra Wagenknecht sagte hierzu:
    *So was kommt von so was!*

  2. Autor Klaus Fink
    am 06. Juni 2017
    2.

    Sich in die inneren Angelegenheiten eines kulturell und religiös völlig andersgearteten Landes einzumischen, um die eigenen - wenn auch aus unserer Sichtigen richtigen - Rechtsgrundsätze zu etablieren, ist in aller Regel zur Erfolglosigkeit verdammt. Siehe u.a.: Libyen.

    In diesem Punkt hat man bezüglich Afghanistan absolut nichts hinzugelernt.

    Man kann demokratische Grundrechte, die bei uns in einem jahrhundertelangen Prozess erstritten wurden, nicht einfach von heute auf morgen via Machtausübung in ein weitgehend archaisches System übertragen. Dies ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

    Die Taliban gewinnen immer weiter an Einfluss, mittlerweile sind bereits 40 % des afghanischen Territoriums wieder in ihrer Gewalt.

    Frieden und Zukunftsperspektiven können in solchen fundamentalistisch geprägten Ländern nur intern erstritten werden.

    Dazu haben wir in Europa auch einige hunderte Jahre mit vielen Kriegen gebraucht.

    Deshalb ist jeder gefallene Deutsche so sinnlos wie einer Zuviel.

  3. Autor Felizitas Stückemann
    am 07. Juni 2017
    3.

    Zu 1.: Klar, so war das gemeint. Es sind also nicht die
    Afghanen gefährdet, wohl aber Deutsche.
    Die Minus-Stimmen stammen wohl von denjenigen
    Lesern, die gerne unsere Männer im "Austausch" gegen
    junge Afghanen sehen. Dazu gehöre ich als Frau nicht.

  4. Autor Felizitas Stückemann
    am 09. Juni 2017
    4.

    Zu 2: Mal wieder haben Sie den Nagel auf den Kopf
    getroffen, Klaus Fink. Die kriegerische Einmischung
    in islamische Regionen, beginnend mit den USA, in der
    illusorischen Vorstellung, man könne Demokratie einführen,
    wird zum Eigentor. Inzwischen werden islamische Reflektionen
    zu uns importiert. Leider sind wir, als Nato-Mitglied, nicht
    unabhängig, eigene Entscheidungen zu treffen. So gefährden
    wir unsere Soldaten. Keiner fragt danach, weshalb ich mit
    meinem Bericht einmal den Fokus darauf lenken wollte.

  5. Autor Felizitas Stückemann
    am 12. Juni 2017
    5.

    Im Programm der Linken, das gestern vorgestellt wurde,
    steht u.a., dass es mit den Linken keine Auslandseinsätze
    deutscher Soldaten geben soll.

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