Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Gunther G. am 14. Februar 2011
13140 Leser · 2 Kommentare

Außenpolitik

Die ägyptische Revolution und eine erbärmliche Politik Deutschlands!

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

mit dem Sturz des Präsidenten Hosni Mubarak, sind Sie nun auch zu der Überzeugung gelangt, dass Deutschland Jahrzehnte einen ägyptischen Staat unterstützte, wo Korruption, Zensur, Verhaftung und Folter zur Staatsdoktrin erhoben wurde.

Zur Erinnerung:
Gerhard Schröder gratulierte von ganzem Herzen dem „lieben Freund“ und Präsidenten Mubarak zur Wiederwahl im Jahre 2005. Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sprachen im Jahre 2006 von exzellenten bilateralen Beziehungen und gemeinsamen strategischen Interessen. Herr Walter Steinmeier schätzte den Diktator Mubarak beim Besuch in Deutschland als erfahrenen und klugen Gesprächspartner.
Die Krönung im Lobgesang auf den Despoten lieferte der Außenminister Westerwelle und bezeichnet ihn als einen „Mann großer Weisheit mit einem festen Blick für die Zukunft.“

Eine Polit-Posse lieferte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Brähmig. Folgendes war in einer Pressemitteilung zu lesen:
„Kein Sonnenbad in Diktaturen ohne ethische Verantwortung.“ Die Urlauber nach Ägypten und Tunesien würden Diktaturen stützen, den Machthabern zu enormen Reichtum verhelfen und somit in der Moral-Skala weit unten rangieren. Dieser Politiker Brähmig verlangt Ethik und Moral vom deutschen Urlaubsbürger und unterstützte als Bundestagsabgeordneter und CDU-Mitglied seit Jahren einen Despoten. Das ist die Doppelmoral eines Politikers.

So hofieren seit Jahren die höchsten Repräsentanten Deutschlands ein menschenverachtendes und korruptes System.

Ist es der Bundesrepublik Deutschland völlig egal, freundschaftliche Beziehungen zu einem Land zu pflegen, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Zählen für Sie zuerst politische Sicherheitserwägungen? Sind Diktaturen für Sie verlässlichere Partner? Sind für Sie die Profite einzelner deutscher Firmen wichtiger, als Menschenrechte?

Vielen Dank für die Beantwortung.

Mit freundlichen Grüßen

Gunther Gräfe

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 16. März 2011
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Gräfe,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Achtung der Menschenrechte ist ein grundsätzliches Anliegen der Politik der Bundesregierung. Die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte gilt es durchzusetzen und zu sichern. Die Bundesregierung hat deshalb auch in bilateralen deutsch-ägyptischen Gesprächen die Menschenrechtslage in Ägypten thematisiert und Defizite im Zusammenhang mit den Menschenrechten, der Pressefreiheit und dem Wahlrecht angesprochen. Bundeskanzlerin Merkel traf sich auf ihrer letzten Reise nach Ägypten auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft, um genau diese Fragen zu erörtern.

Weiterhin: In der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit betont die deutsche Politik u. a. die Notwendigkeit, die Rechte der Frauen zu stärken. Nicht vergessen werden darf auch die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen in Kairo. Die Stiftungen pflegen den Kontakt zur Zivilgesellschaft und greifen das Thema Menschenrechte in Seminaren und Veranstaltungen auf.

Um Ihnen ein weiteres Beispiel des deutschen Engagements zu geben: Das Auswärtige Amt versorgte im Sommer 2010 - also lange vor den Veränderungen in der arabischen Welt - die deutschen Botschaften mit einem "Vademecum" zur aktiven Menschenrechtsarbeit. Darin enthalten waren konkrete Maßnahmen wie Prozessbeobachtungen, demonstrative Einladungen von Menschenrechtsverteidigern oder regelmäßige Gesprächsrunden mit Vertretern der Gastlandregierungen zu Menschenrechtsfragen.

Wir möchten Sie in diesem Zusammenhang auf den Menschenrechts-Bericht der Bundesregierung verweisen: http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/35... (9. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik, März 2008 bis Februar 2010)

Auch die Europäische Union hat in Erklärungen und Demarchen wiederholt zu Menschenrechtsfragen in Ägypten Stellung bezogen. So behandelte der auf Basis des EU-Assoziationsabkommens mit Ägypten eingerichtete Unterausschuss für politische Angelegenheiten im Juni 2008 und Juli 2009 Menschenrechtsfragen.

Abschließend möchten wir noch einen grundsätzlichen Aspekt anführen: Artikel 56 der Charta der Vereinten Nationen (weiter unten im Wortlaut widergegeben) beschreibt Dialog und Kooperation als die Mittel, die in der internationalen Zusammenarbeit geboten sind. Es liegt deshalb im Interesse eines jeden Staates, Beziehungen zu anderen etablierten und anerkannten Staaten zu unterhalten. Zwar erfüllten im Jahr 2008 (nach Angaben der Nicht-Regierungsorganisation „Freedom House“) erst 119 Staaten die Kriterien einer parlamentarischen Demokratie – das sind 62 Prozent aller Staaten weltweit. Doch nur im Dialog besteht überhaupt die Chance, einen positiven Einfluss auf die Politik eines Landes zu nehmen, das zu den verbleibenden 38 Prozent gehört.

Anhang:

Artikel 55 Um jenen Zustand der Stabilität und Wohlfahrt herbeizuführen, der erforderlich ist, damit zwischen den Nationen friedliche und freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen herrschen, fördern die Vereinten Nationen a) die Verbesserung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg; b) die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art sowie die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und der Erziehung; c) die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion.

Artikel 56 Alle Mitgliedstaaten verpflichten sich, gemeinsam und jeder für sich mit der Organisation zusammenzuarbeiten, um die in Artikel 55 dargelegten Ziele zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (2)Schließen

  1. Autor Martin G. Schultz
    am 14. Februar 2011
    1.

    Sehr geehrter Herr Gräfe,

    lesen Sie einmal "Das Amt", dann wissen Sie, welcher Tradition sich die Diplomatie verpflichtet fühlt. Immer lächeln, lächeln, lächeln, selbst beim Umgang mit Herrn S. Berlusconi., der wohl der nächste ist, der Federn lassen muss.Es gibt der diplomatischen Peinlichkeiten viele.
    Der ägyptischen Bevölkerung wäre nur zu wünschen, dass auch die weiteren Demokratisierungsprozesse ohne Selbstjustiz gegenüber Bürgermeistern,Polizisten, Militär, Geheimdiensten und ehemaligen Politikern zum Erfolg führen.

    Mit zuversichtlichen Grüssen
    Martin G. Schultz

  2. Autor Gunther G.
    am 24. Februar 2011
    2.

    Sind wir Friedens- oder Todesengel?

    Wir liefern Waffen auch nach Ägypten, Bahrain und Algerien. Kriegsgerät, das zur Bekämpfung von Terroristen vorgesehen war und jetzt gegen das eigene demonstrierende Volk eingesetzt wird. Mit diesem Risiko musste die deutsche Regierung rechnen. Jetzt wird mit deutschen Waffen getötet.

    Einige kleine Beispiele aus einer unendlich langen Liste:

    Das deutsche G3 Sturmgewehr der Firma Heckler & Koch wird in 18 Staaten in Lizenz gebaut. Die erschossenen 300 Demonstranten, in Kairo und anderen Städten, sind auch Opfer der 884 Maschinenpistolen von der deutschen Firma Heckler&Koch.

    Das vom Nürnberger Waffenproduzenten Werner Diehl, in Kooperation mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall, gegründete Gemeinschaftsunternehmen “Gesellschaft für intelligente Wirksysteme” stellt laut TAZ vom 2.3.09 u. a. "intelligente" streubombenähnliche Waffen her, die nicht Streubomben genannt werden dürfen. Streubomben sind geächtet, aber nur die dummen Streubomben. Die intelligenten Bomben, mit Infrarot-, Radar- oder Lasersuchkopf, entwickeln die Rüstungsfirmen weiter und werden sicherlich ein Exportschlager. Somit wurde der Oslo-Vertrag verwässert.

    Deutsche Waffen töten schnell und präzise. Die Bundesrepublik exportiert den Tod. Sind wir Friedens- oder Todesengel?

    Gunther Gräfe

  3. Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.