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Abstimmungszeit beendet
Autor Anna Paula am 02. November 2007
13850 Leser · 8 Kommentare

Familienpolitik

Druck in den schwarzen Arbeitsmarkt für Familien

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

in meinem Anliegen geht es um Auswirkungen der Bedarfsgemeinschafts-Regelung – langfristig für die ganze Gesellschaft.

Der Versorger einer Bedarfsgemeinschaft, die von ALG II lebt, hat die gleichen Zuverdienstregelungen wie alleinlebende Bezieher. Er hat aber einen viel höheren Bedarf, je nachdem wie viele Personen (meist sind es ja Kinder) von dem Einkommen leben müssen.

Besonders alleinerziehende Frauen mit mehreren Kindern betrifft diese Situation. Sie sind nicht mehr ganz jung und haben oft jahrelang für die Familie zurückgesteckt. Welche Chancen habe sie wohl noch auf dem Arbeitsmarkt? Nur die wenigsten dieser Arbeitnehmerinnen können von ihrem Einkommen noch zwei oder mehr Personen mitversorgen. <b>Das bedeutet, dass sie keine Hoffnung haben, bis die Kinder aus dem Haus sind, ihren Unterhalt selbst zu verdienen. </b>

Während man aber bei anderen Frauen oft die Doppelbelastung hervorhebt und in Frage stellt, ob eine volle Berufstätigkeit überhaupt gut für das Familienleben ist, werden Alg-II-Aufstockerinnen schlechter behandelt als Alleinstehende. Die Arbeit, die die Agentur für Arbeit verursacht, gleicht bei so vielen Personen einem kleinen Teilzeitjob, nur dass der Umgang mit diesem Amt schon für echte Arbeitslose psychisch schwer zu ertragen ist – wie soll es da erst einer Frau gehen, die nach einer gescheiterten Ehe nun allein für Kinder und Versorgung zuständig ist?

Die Hoffnungslosigkeit wird also oft noch durch großen Druck und Ängste verstärkt.

In dieser Situation muss sie die Größe aufbringen und, wenn sie mehr als 800 € verdient, auf 90 % ihres Einkommens verzichten. Auch große Kinder, die sich vielleicht eine Kursfahrt oder die Fahrerlaubnis verdienen wollen, dürfen die 100-€-Grenze monatlich nicht überschreiten um nichts abgezogen zu bekommen. Sie dürfen nicht, wie ihre Klassenkammeraden, in den Ferien viel und in der Schulzeit wenig arbeiten usw. usw. Die Auflagen sind so kompliziert und vielfältig, dass eine normale Alg-II-Aufstocker-Familie irgendwann bestimmt etwas falsch macht. Die Arbeitsagentur kommt selbst mit den Regelungen nicht klar und macht zusätzlich Fehler.

<b>Zu der psychischen Belastung kommt also das latente Gefühl, irgendwie sowieso schon gegen die Gesetzte verstoßen zu haben. </b>

Wer es erleben muss, dass sich die Kinder schlecht entwickeln weil man einfach nicht genug Zeit für sie hat, aber gleichzeitig vermittelt bekommt, dass er sowieso nie genug arbeiten kann, um ein anerkannter Bürger zu sein, dem drängt sich der Gedanke auf: Warum dann nicht gleich schwarz arbeiten? Warum überhaupt noch Arbeit angeben oder sich vielleicht gleich ohne Arbeit in Hartz IV einrichten?

<b>Es gibt verschiedene Vorschläge, wie dieser Misere begegnet werden kann z.B.:
- Bürgergeld
- Unterhaltsvorschuss auf die Regelungen der Düsseldorfer bzw. Berliner Tabelle zu erhöhen (das könnte teilweise auch in Sach- und Dienstleistungen erfolgen),
- Erhöhung der Freigrenzen je nicht arbeitsfähigem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.</b>

Für nicht sinnvoll in diesem Zusammenhang halte ich den Kinderzuschlag, wie er gegenwärtig praktiziert wird oder einen Mindestlohn.

<b>Welche Gedanken haben Sie dazu? Gibt es konkrete Bemühungen, die dem Trend entgegenwirken, größere Familien in die „Unterklasse“ abzuschieben? Oder wollen Sie es stillschweigend dulden, dass Kindern vorgelebt wird, dass man ohne „ein bisschen den Staat beklauen“ keine Chancengleichheit herstellen kann?</b>

Über eine baldige Antwort würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
Anna Paula

Kommentare (8)Schließen

  1. Autor Anna Paula
    am 02. November 2007
    1.

    Noch etwas zu meiner Lebenssituation: Ich bin alleinerziehend mit drei Kindern und verdiene in zwei Jobs genug, um allein nicht von Sozialleistungen abhängig zu sein. Ohne Kinder könnte ich auch in meinem erlernten Beruf arbeiten, die Ausbildung in meinem Traumberuf machen oder die Selbständigkeit wagen und in jedem Fall mehr Geld verdienen.

    Meine Meinung zu den drei Vorschlägen ist:

    - Ich gehöre zu denen, die meinen, dass ein relativ geringes Bürgergeld die günstigste und einfachste Möglichkeit ist, einer gerechten Lösung nahe zu kommen.

    - Den Unterhaltsvorschuss auf die Regelungen der Düsseldorfer bzw. Berliner Tabelle zu erhöhen, bedeutet einfach, dass die Alleinerziehenden, die schon die Kinder versorgen, nicht auch noch mit der Durchsetzung des Unterhaltsanspruches belastet werden oder den selben zusätzlich erarbeiten müssen. Meine Familie wäre auch mit dieser Regelung kein Hartz-IV-Aufstocker mehr.

    - Dürfte ich mehr abzugsfrei verdienen, z.B. pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft 100 € und zusätzlich meine Kinder nicht monatlich 100 €, sondern jährlich 1200 €, dann hätten wir schon wieder den Sprung aus Hartz IV geschafft – ziemlich locker sogar.

    Anna Paula

  2. Autor Waltraud Tüllmann
    Kommentar zu Kommentar 1 am 02. November 2007
    2.

    Da viele Väter nicht arbeiten oder auch arbeiten können und man nie in dieser Zeit rutscht halte ich für richtig das die Unterhaltszahlung bis zum 18 Lebensjahr mindestens gezahlt wird, denn warum soll die Mutter alleine für den Unterhalt der Familie sorgen? Wobei ich Bürgergeld eher für richtig halte, denn Kinder kosten mehr wie ein Erwachsener in jeden Alter. Es wird viel zu wenig gezahlt, was wir als Mütter alle empfinden.

  3. Autor Waltraud Tüllmann
    am 03. November 2007
    3.

    Hallo Gerd,
    Sie schreiben so wie so sehr gute Beiträge. es ist einer Sauerrei was mit den Menschen in Deutschland gemacht wird. Nicht nur das eine Mutter wegen Kinderbetreuung auf ihr eigenes Leben verzichten muss. Arbeitet sie zieht der Staat, frisch fröhlich frei von ihren Gehalt einiges wieder ab. Darum bin ich auch eher für Bürgergeld. Löhne von den paar Groschen die man selber einstecken darf muss man vielles bezahlen, selbst die zu teuren Mieten. Die Kinder aus den Familien haben kaum eine Zukunft. Nur das liegt kaum an den Eltern sondern hier auch wieder an den Staat. Man vwerdient als Lehrling schönes Geld und das wird auch wieder mit einberechnet in H.IV. Hat gerade man 50,- € mehr und dafür bezahlt man noch die Monatskarte. Nur wem erzählt man das die die hier schreiben und hier ein plus Kreuzchen nach den anderen machen, kennen die Materie. Langzeitarbeitslose sind die Erfindung des Staates, denn gerade die Älteren haben Arbeitsjahre hinter sich gebracht. Die Wörtchen Freiheit und Demokratie können mit recht die reichsten der reichen benutzen, die Armen sind nicht frei, die werden gepiesackt bis zum geht nicht mehr. Der Staat will Kinder haben wenn er zuläßt das ein Kindergarten in Hamburg nicht existieren kann, wenn man um den Kindergarten eine dicke Schallmauer baut das man ja kein Kinderlärm hört. Man bekommt in diesen Staat die Tür nicht mehr zu es zieht gewaltig, denn für die Kinder hat man nichts übrig.

  4. Autor Anna Paula
    am 03. November 2007
    4.

    Danke für ein bischen Mitgefühl. Dafür sollten wir uns alle ein wenig mehr Zeit nehmen um den anderen zu verstehen. Die Vorurteile gegen Hartz IV-Empfänger sind leider immer noch sehr groß.

    Von dem Problem, das ich hier beschrieben habe, sind eigentlich alle Geringverdiener betroffen, die noch für andere mit sorgen. Das ist für Alleinerzieher sehr hart aber endlich. Bei anderen, die mit körperlich oder geistig Behinderten leben, ist die Hoffnungslosigkeit vielleicht noch größer.

    Die Gefahr, die davon für die Gesellschaft ausgeht, wird einfach noch nicht genug gesehen. Menschen, die auf lange Zeit herabgewürdigt und reglementiert werden weil sie oder ihre Eltern einmal aus dem Tritt gekommen sind, fühlen sich schließlich als Verlierer und Underdogs. Es wäre wirklich nicht so schwer, diesen Menschen Brücken zurück in die Gesellschaft zu bauen. Ehrlich, ich glaube die Politiker haben einfach nicht verstanden welche Gefahr da lauert, bzw. wie der Zustände wirklich sind.

    Ich beobachte aber z.Z. eine Tendenz, sich einen grauen Arbeitsmarkt etablieren zu lassen. Tauschringe und Regionalgeld boomen. So hat sich ein grauer Markt der "Nachbarschaftshilfe" gebildet von lauter gutwilligen, fleißigen Hartz-IV-Aufstockern, der schnell ein schwarzer Arbeitsmarkt werden könnte, wenn alles ein bisschen professioneller gehandhabt würde. Das kann doch nicht gewollt sein!

  5. Autor Manuela K.
    am 16. November 2007
    5.

    "Wegen der Kinderbetreuung auf das eigene Leben verzichten" hallo Frau Tüllmann, was ist das für eine Aussage? Ich als Frau habe mich für meine Kinder entschieden und als ich das tat, ging es nicht darum, was muss der Staat mir dazu geben oder was könnte alles passieren. Nein, zunächst war es mein Wunsch und meine Eigenverantwortung. Wie würden sich meine Kinder mit Ihrem Ausspruch sonst heute fühlen. "Sie haben mir das eigene Leben genommen?! " Nein, mein Leben, egal wie schwer es war, wurde durch meine Kinder erst lebenswert. Menschlich ist Ihr Ausspruch deshalb völlig destruktiv! Aber genau darauf läuft es hinaus. Werden Kinder geboren weil man von dem Steuerzahler etwas zu fordern hat und lieben Mütter und Väter ihre Kinder weil sie Familienmenschen oder Rechner sind? Gerade heute kann man sich klarer denje dafür oder dagegen entscheiden, also selbst sein Leben bestimmen, statt andere verantwortlich zu machen. Eine Politik, die familienfreundlich und anerkennend wäre, dafür würde ich jederzeit kämpfen und mich einsetzen. Jederzeit bin ich dabei, denen dort oben die Stühle für Desinteresse anzusägen, aber meine Kinder hätte ich niemals mit Berechnung, statt Liebe geboren.

  6. Autor Lutz Solarek
    am 20. November 2007
    6.

    Das kommt alles von der emanziation der Frauen.... die wir Männer nun bald für uns neu erkämpfen müssen... :-) Wir sehen deutsche Tugenden wie Frau zu Hause bei den Kinder werden uns von 20 Millionen in Deutschland lebenden Ausländern sehr gut vorgelebt. Nur wir... wir gegen Sie langsam aber sicher auf.

    BMG Sole

  7. Autor Anna Paula
    Kommentar zu Kommentar 6 am 20. November 2007
    7.

    Das Gegenteil ist der Fall. Ich war 15 Jahre lang nur in kleinen Zuverdienstjobs tätig, habe meinen Ex-Mann und seine Träume unterstützt, obwohl ich anfangs sehr gute Arbeitsangebote hatte. Ich war eine sehr typische unemanzipierte Hausfrau, die möglichst alles selbst im Garten angebaut und verarbeitet hat, selbst genäht und zum einkaufen mit zwei Kindern auf dem Rad gefahren ist.

    Gerade solche Frauen sind dann doch angeschmiert. Ich hatte nach der Trennung nicht mal ein eigenes Konto. Der Weg von ziemlicher Unselbständigkeit bis heute war gewaltig. Was ist daran eine Tugend? Emanzipiertes Verhalten sollte für alle in der Familie gegenseitige Förderung und Wertschätzung bedeuten. Das sollte auch der Staat fördern und nicht Alleinerziehende und ihre Kinder dafür bestrafen, dass sie es nicht länger in einem Ehe-Kerker ausgehalten haben, ganz zu schweigen von denen, die verlassen wurden.

    Du kannst nicht ganz ernst gemeint haben, dass uns diese Rollenverteilung von Ausländern s e h r g u t vorgelebt wird? In der Haut der meisten dieser Frauen möchte ich nicht stecken.

    Gruß, Anna Paula

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