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Abstimmungszeit beendet
Autor Wolfgang Mücke am 17. Juni 2013
13184 Leser · 7 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

EU-Beitritt der Türkei

Sehr geehrte Fr. Bundeskanzlerin,

der EU-Beitritt der Türkei wird häufig mit der Aussage begründet, dass man der Türkei vor inzwischen 50 Jahren (1963) den EWG-Beitritt in einem Assozierungsabkommen in Aussicht gestellt hat.

Die EWG ist eine Wirtschaftsgemeinschaft und die EU ist in erster Linie eine Wertegemeinschaft. Die Wirtschaftsgemeinschaft ist nur ein kleiner Teil der EU-Verträge.

Wäre nicht der EWR, der Europäische Wirtschaftsraum, dem die EU-Staaten und Norwegen, Island und Liechtenstein angehören die wahre Nachfolgeorganisation der EWG?

Sie beschränkt sich auf Wirtschaftsabkommen. Warum wird der Türkei nicht die Mitgliedschaft im EWR angeboten?

Die Türkei will unbedingt Mitglied sein und nicht nur "privilegierter Partner". Im EWR hätte sie die Möglichkeit, Mitglied zu sein.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die EU reif für die Türkei ist.

Muss nicht erst die "qualifizierte Mehrheit" aus den Ministerräten im Europäischen Rat, dem wichtigsten Gremium der EU, eingeführt werden, bevor die Türkei eintreten kann?

Im Europäischen Rat gilt immer noch das Vetorecht. Mir bereitete es Sorge, wenn ich mir vorstelle, dass die Türkei alle wichtigen Übereinkünfte wegen Widersprüchen mit dem Islam blockieren könnte.

Mir ist es bewusst, dass es für jeden Kanzler/in schwierig ist, hier diplomatische Antworten zu geben. Vielleicht ist mehr möglich, als die Antwort, die Hr. Steinbrück bei Maybritt Illner zu dem Thema gab.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Mücke

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  1. Autor Helmut Krüger
    am 14. Juli 2013
    1.

    "Im Europäischen Rat gilt immer noch das Vetorecht. Mir bereitete es Sorge, wenn ich mir vorstelle, dass die Türkei alle wichtigen Übereinkünfte wegen Widersprüchen mit dem Islam blockieren könnte."

    Sehr geehrter Herr Mücke,

    was Ihnen Angst macht, empfinde ich wiederum als außerordentlich reizvoll. Und eben auch weiterführend. Aus der Lage zwischen aufwallenden Blöcken kann nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Chance erwachsen.

    Kein Staatsgebilde ist so auf die Wirtschaft konzentriert und gewinnt den Maßstab staatlichen Handelns aus ihr, mit einem bloßen Beiwerk an verkündeten Menschenrechten, wie die USA. Und kein Kulturraum scheint so der Religion in all ihren Widersprüchen verfallen wie der Nahe Osten.

    Dabei war das keineswegs immer so. Es gab schon vor mehr als einem halben Jahrtausend fruchtbare und gegenseitige Anreicherungen, auch wenn dies im Sinne einer all zu gängigen Geschichtsschreibung häufig genug übergangen wurde. Auch Spanien gehörte dazu. Später dann können wir Goethe hinzuzählen und preußische Baumeister und Architekten wie Diebitsch., der es sich zur Aufgabe machte, Gebäude im islamischen Stil zu errichten.

    Gebäude aus der Handschrift weiterer Architekten wie die Potsdamer Moschee und die Dresdner Garbaty-Zigarettenfabrik sind aus dem Stadtbild überhaupt nicht mehr wegzudenken und so ist es in vielen Gegenden Europas, von Odessa über Budapest nach Triest und von Istanbul westlich des Bosporus nach Cordoba: die Gemengelage aus Christentum, Judentum und Islam.

    Unabhängig eines zwischenzeitlich aufkommenden religiösen Fundamentalismus, der eine Begleiterscheinung im Zuge einer brachialen wirtschaftsverengten Modernisierungsstrategie zu sein scheint, sehe ich im E U - Beitritt der Türkei grundsätzlich mehr eine Chance und nur bei Aneinandergeraten von Dickköpfen ein ausgesprochenes Risiko.

  2. Autor Erhard Jakob
    am 15. Juli 2013
    2.

    Mir scheint, dass der Glaube nur ein Vorwand
    für den Unfrieden in der Welt ist.

    In Wahrheit wird es wohl eher um Arm
    gegen Reich und umgekehrt, gehen.

  3. Autor Wolfgang Mücke
    am 16. Juli 2013
    3.

    Niemand bestreitet, dass der Nahe Osten und der Islam beeindruckende Bauwerke hervorgebracht hat. Darum geht es gar nicht in der EU-Beitrittsdebatte.

    Aber beispielsweise ist die Gleichberechtigung der Frau in der Türkei noch lange nicht weit fortgeschritten. Noch immer sieht man in der Türkei Frauen 10 Schritte hinter ihrem Mann gehen. Das Patriarchentum, die Zwangsverheiratung, die Ehrenmorde sehe ich nicht als Bereicherung des EU-Wertesystems.
    Auch die freie Religionsausübung ist in der Türkei nicht gegeben. An allen diesen Dingen wird sich lange nichts ändern.
    Insofern wird die Türkei sowieso noch lange nicht die Vorgaben für einen EU-Beitritt erfüllen, es sei denn, ein Erweiterungskommissar meint wieder, es reicht der gute Weg.

    Meine Hauptkritik in diesem Schreiben liegt im Lissaboner Vertrag. Dass es im Europäischen Rat immer noch das Vetorecht gibt. So kann jeder Regierungschef mehrheitliche Wünsche der anderen blockieren. Je schlechter die verschiedenen Kulturen der Länder zusammenpassen, umso mehr verfällt die EU dadurch in eine Starre. Dies befürchte ich besonders bei einem EU-Beitritt der Türkei. Schon heute sind Kompromisse bei 28 Staaten sehr schwierig geworden.
    Ich sehe keine "Chance" für die EU, wenn beispielsweise Erdogan mit Vetorecht im europäischen Rat säße.

  4. Autor Helmut Krüger
    am 16. Juli 2013
    4.

    Was ich mich immer wieder frage:

    Warum sollen muslimisch geprägte Staaten, warum soll die Türkei, die ja beileibe nicht immer und schon gar nicht durchgängig die Erdogan-Türkei ist und sein muss, wie sich jetzt wieder zeigt ...

    ... warum soll die eigentlich stellvertretend den Prügelknaben abgeben, nur weil anderen nicht beizukommen ist, ...

    ... sprich: einem Großteil der Franzosen, glücklicherweise wohl nur eine starke Minderheit, die eher homophobisch veranlagt ist, den Briten, die den faktischen Verlust ihres Empires nicht verkraftet haben, den Spaniern, den Portugiesen und den Griechen, denen Europa, diese einzigartige Jahrhundert-Idee als Billig-Ticket zum Eintritt bloß in neue Absatzmärkte verkauft wurde ...

    ... womit alles ja nur auf Sand gebaut ist, weil die Kultur am Stärksten nicht durch andere Kulturen bedroht ist, sondern durch Aushöhlung im Eigenen, durch gedankenloses und "kulturloses" Wirtschaften ?

  5. Autor Erhard Jakob
    am 17. Juli 2013
    5.

    Wenn man das moralische Wertesystem von Deutschland
    dem der Türkei gegenüberstellt, ist nicht gesagt,
    dass Deutschland besser abschneidet.

    Natürlich dürfte die Bewertung nicht von einem
    Türken oder Deutschen vorgenommen werden.

    Wir Deutsche haben die Devise:
    *Am deutschen Wesen soll
    die Welt genesen.*

    Ich habe Zweifel, dass das *deutsche
    Wesen* wirklich so gut ist.

    Ein Land, dass die anderen Länder mit
    gefälschten Gerichtsprotokollen
    täuscht, ist nicht gut!

    EU Petition 1383/10.

  6. Autor Wolfgang Mücke
    am 17. Juli 2013
    6.

    Wir reden von der EU und nicht vom EURO-Raum.

    In der EU sehe ich die größten Probleme in Bulgarien, Rumänien und Ungarn, weil dort die EU-Werte, was beispielsweise Demokratie oder Korruption betrifft, nicht eingehalten werden. Diese Länder sind einwandfrei zu früh in die EU aufgenommen worden. Das darf bei der Türkei nicht passieren. Da geht es nicht um "Prügelknabe", sondern um Lernzuwachs. Quantität vor Qualität ist ein schlechtes Motto.

    Im Europäischen Rat mit Veto-Recht sehe ich das größte Problem bei den Briten, weil die sich in ihrer Kultur mehr an den USA als an Zentraleuropa orientieren. Die Balkan-Staaten hängen am finanziellen Tropf und machen im Europäischen Rat wenig Probleme. Eine wirtschaftlich aufstrebende, selbstbewusste Türkei, die wahrscheinlich bald mehr Einwohner als Deutschland hat, könnte sich schon sehr stark einbringen und sich beispielsweise quer stellen, wenn neue EU-Regeln nicht zur Scharia passen. Das würde mir nicht behagen.

    Die PIGS-Staaten sind kein EU-Problem, sondern ein EURO-Problem. Darum geht es bei der Türkei aktuell überhaupt nicht.

  7. Autor Wolfgang Mücke
    am 17. Juli 2013
    7.

    Die EU-Petition 1383/10 hat nun nichts mit dem EU-Beitritt der Türkei zu tun.
    !n der Petition findet man nur eine Frage, keine Feststellung .
    Sie machen aus der Frage eine Behauptung und posten es überall im Internet. Das ist wohl Ihr Hobby.
    Fragen Sie doch direkt die Kanzlerin!

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