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Beantwortet
Autor Helmut Krüger am 27. November 2012
12339 Leser · 4 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Europa vor Ort: Beförderung von nationenübergreifenden öffentlichen Verkehrsverbünden

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerein Angela Merkel,

ganz im Gegensatz zu den finanziellen "Huddeleien", die die Europäische Union zurzeit durchtoben, darf die gedeihliche Zusammenarbeit, wie sie an vielen Orten stattfindet, nicht vergessen werden. Sei es die universitäre Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit bei Arbeit und Dienstleistung im Bereich A-L-M-A, Aachen-Lüttich-Maastricht, sei es der Bau von Schienen und Oberleitung der städtischen Straßenbahnen von Basel nach Weil am Rhein oder von Straßburg ins deutsche Kehl.

Zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit dem Auto sind die Grenzen offener denn je, allerdings: beim öffentlichen Personennahverkehr scheitern weitergehendere Perspektiven oft genug an langwierigen Genehmigungsprozeduren aufgrund der Inkompatibilität von Vorschriften und bislang auch an der Nichtexistenz nationenübergreifender öffentlicher Verkehrsunternehmen.

Europa ist in meinen Augen dann vollendet, wenn die aus EINER Wurzel entstandene Stadt als höherrangiger begriffen wird als die nationalstaatlichen Grenzen, die sie im Zweifelsfall hier und da teilen.

Der Einzugsraum von Basel endet nicht an der deutsch-schweizerischen Grenze, derjenige von Strasbourg nicht an der deutsch-französischen, derjenige von Szczecin (Stettin) nicht an der deutsch-polnischen Grenze, ebenso derjenige von Görlitz und Zgorzelec, die sich vorgenommen haben, zu EINER einzigen, nationenübergreifenden Stadt zusammenzuwachsen.

Ich bin der Auffassung, dass all diese Vorhaben auch bundespolitisch begleitet und gefördert werden müssen, schon allein wegen Überschreitung der Außengrenzen. Kommunal-, Landes-, Präfektur-, Wojewodschafts- und jeweils nationalstaatliches Handeln sollte sich in gedeihlicher Hand-in-Hand-Zusammenarbeit wohltuend ergänzen.

Wie kann hier auf den Weg gebracht werden, was sich jetzt immer noch an nationalstaatlichen Grenzen stößt?

Mit freundlichen Grüßen
Helmut Krüger

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 16. Januar 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Krüger,

vielen Dank für ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Historisch bedingt ist die Infrastruktur in Europa, insbesondere der Ausbau des Schienennetzes, von den nationalstaatlichen Strukturen bestimmt. Mit der stärkeren europäischen Integration entsteht mehr Bedarf an grenzüber- schreitender Mobilität im Fern- und Nahverkehr. Deshalb werden die zum Teil noch isolierten Netze schrittweise zusammenwachsen.

Der Aufbau einer grenzüberschreitenden Infrastruktur ist Voraussetzung für eine Verbesserung des internationalen Personen- und Güterverkehrs. Insbesondere auf der Schiene gibt es Nachholbedarf. In den vergangenen Jahren wurden bereits zahlreiche grenzüberschreitende Schienenprojekte realisiert beziehungsweise weitere Regelungen beschlossen, zum Beispiel:

● Deutschland-Polen: Am 20.12.2012 wurde der deutsch-polnische Vertrag zum Ausbau der Strecke Berlin–Stettin unterzeichnet.

● Deutschland-Polen: Am 14.11.2012 wurde das Abkommen zwischen Deutschland und Polen über die Zusammenarbeit im Bereich des Eisenbahnverkehrs (u.a. Zulassung von Fahrzeugen) unterzeichnet.

● Deutschland-Österreich: Am 15.06.2012 wurde das Abkommen über die koordinierten Planungen zum Ausbau der grenzüberschreitenden Schienen- verbindung München - Rosenheim - deutsch-österreichische Grenze - Kundl/Radfeld – Innsbruck (Brennerzulauf) unterzeichnet.

● Deutschland-Frankreich: Am 10.12.2010 wurde die neue zweigleisige Rheinbrückevzwischen dem badischen Kehl und dem elsässischen Straßburg eingeweiht.

Planung, Organisation und Finanzierung des Öffentlichen Personen- nahverkehrs (ÖPNV), einschließlich des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), sind grundsätzlich Sache der Bundesländer. Das ist gesetzlich festgeschrieben. Der Bund unterstützt ebenso wie die Europäische Kommission den grenzüberschreitenden ÖPNV – insbesondere durch Fördermittel sowie Forschungsprojekte.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (4)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 17. Dezember 2012
    1.

    Ich will noch etwas an Begründung anführen:
    Es sind keine anderen Menschen vor und hinter der Grenze,
    es ist keine andere Topografie vor und hinter der Grenze,
    es ist "nur" eine andere Sprache - wenn überhaupt - und eine andere Verwaltung.

    Vor allem in anderen Verwaltungsabläufen sehe ich das Problem, im Zusammenwirken des öffentlichen Personennahverkehrs links und rechts von nationalstaatlichen Grenzen voranzukommen. Dazu empfinde ich es so, dass die sichtbaren Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs identitätsbildender sind als bspw. allgemeine Fahrwege, die ohnehin bestehen und auch schon vorher - bei seinerzeit verriegelten und verrammelten Grenzen - bestanden.

    Nach meiner Überzeugung ist das oft auftretende Inkompatibilitätsproblem bei den grenzüberschreitenden Nahverkehren immer noch nicht voll und ganz wahrgenommen worden und deshalb fehlt es immer noch an dessen Überwindung. Das kann nur gemeinsam von allen Gebietskörperschaften geschehen, dabei dürfen die entsprechenden Kommunen und die Bundesländer nicht alleine gelassen werden.

  2. Autor Helmut Krüger
    am 29. Dezember 2012
    2.

    Wo ein Eintrag hier noch möglich ist, auch wenn die Votierung, auf die es mir persönlich weit weniger ankommt, nur eben einer ggf. erfolgenden Antwort wegen, deswegen hier doch noch ein paar Zeilen:

    Die EU wird m. E. immer noch weit mehr als Zusammenarbeit von Hauptstadt zu Hauptstadt gedacht, als eine Zusammenarbeit von einem diesseits der Grenze zu einem anderen Ort jenseits der Grenze. Das betrifft selbstverständlich auch die Bereitstellung von Finanzen.

    Es gibt wunderbare EU-Projekte von der Konzeption her - bspw. Region Pomorskie, Region Viadrina (Frankfurt/Oder und Slubice, Lebus, Gorzów Wielkopolskie), Region Nysa (Neisse) um Görlitz/Zgorzelec, Zittau, Liberec und Luban in Polen. Oft genug versanden die Konzepte dann an der mangelnden Finanzausstattung, so bspw. auf tschechischer Seite bei einer von Liberec beginnenden Regionalstadtbahn bis hin nach Zittau in Deutschland und Jelenia Góra in Polen, weil die Infrastrukturentwicklung innerhalb des Landes als wichtiger angesehen wird als die Infrastrukturentwicklung bewusst über die Grenze hinweg.

    Da kann auch einer, der am meisten davon überzeugt ist, mutig und zeichensetzend vorangehen.

    Keine verriegelten und verrammelten Grenzen mehr, die Zäune und die Passkontrollen sind gefallen, doch von der Karikatur, dass beidseits der Grenze angefangen wird eine Brücke zu bauen und in der Brückenmitte dann festgestellt wird, dass auf verschiedene Höhen hin gebaut worden ist, von der Überwindung dieses Zustands sind wir immer noch weit entfernt. Manchmals scheiterts an Schraubgewinden, an unterschiedlichen versicherungsrechtlichen Regelungen oder an unterschiedlichen Bestimmungen bezüglich von Signalen. Geht die Prosperität von einzelnen Kernen aus, mutet das Hemmnis an den Grenzen immer nur anachronistisch an.

    Die Nahtstellen sind immer die empfindlichsten Stellen, wenn es gilt, ein Ganzes zu weben. Sollte es zu einer Antwort kommen vielen Dank ansonsten Danke für´s Lesen.

    Guten Rutsch und ein gutes Hineinkommen in 2013.

  3. Autor Peter H.
    am 02. Januar 2013
    3.

    Eine hervorragende Idee, Herr Krüger! Denn die Freizügigkeit innerhalb der EU ist zwar eine von den europäischen Grundfreiheiten aus den AEUV, sie wird jedoch zu einer "leeren Hülse" und bringt den Bürgern gar nichts, wenn der öffentliche Nahverkehr da nicht mitspielt und weiterhin an den nationalen Grenzen halt macht. Europa kann nur zusammenwachsen, wenn der Mobilität der Bürger keine Steine in den Weg gelegt werden und dazu gehört auch ein länderübergreifender Nahverkehr. Meine Stimme haben sie!

  4. Autor Helmut Krüger
    am 03. Januar 2013
    4.

    Danke, Herr Andres.

    Das nenne ich dann - ausgehend von einem negativen Zustand, hinkommend zu einem sehr wohl möglichen anderen - die Orientierung am Positiven. So sehe ich das auch bei Ihrem Vorschlag.

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