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Beantwortet
Autor Richard Eberhard am 26. April 2011
13684 Leser · 2 Kommentare

Außenpolitik

Genozid an der armenischen Bevölkerung durch die Türkei

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

in dieser Woche wurde auf Arte der Dokumentarfilm "Aghet" über den Völkermord an der armenischen Bevölkerung in der Türkei im Jahre 1915 ausgestrahlt. Obwohl mir die Tatsache dieser Ereignisse bekannt war, hat mich dieser Film sehr beeindruckt. Mich überrascht, daß trotz umfangreicher Zeugenaussagen, die den Mord an 1,5 Millionen armenischen Menschen - darunter Greise, Frauen und Kinder - belegen, die türkische Regierung immer noch leugnet, daß dieser Genozid überhaupt stattgefunden hat.
Es ist mir ferner auch bekannt, daß in der Türkei auch heute noch ethnische und religiöse Minderheiten (Kurden, Christen) unterdrückt und diskriminiert werden. Nach meinem Verständnis sollte unter diesen Umständen ein EU - Beitritt der Türkei nicht möglich sein.
Nun wird ja trotz der fortgesetzten Leugnung der türkischen Regierung am Mord ihrer armenischen Landsleute von vielen Politikern ein baldiger EU-Beitritt der Türkei gefordert.
Meine Frage an Sie lautet:

Ist für Sie die Leugnung des Völkermords an der armenischen Bevölkerung durch die türkische Regierung ein Hinderungsgrund für den EU-Beitritt der Türkei?

Über eine Antwort würde ich mich freuen

Mit freundlichen Grüßen

Richard Eberhard

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 31. Mai 2011
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Eberhard,

vielen Dank für Ihre Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Sie sprechen ein schwieriges und schmerzliches Kapitel der türkischen Geschichte an, das auch heute noch die Beziehungen des Landes zu Armenien belastet. Die Bundesregierung sieht es als Aufgabe an, zur Versöhnung und Verständigung zwischen der Türkei und Armenien beizutragen. Dazu hat sich Kulturstaatsminister Neumann erst kürzlich bei der Eröffnung des Lepsius-Hauses in Potsdam geäußert.

Die Bundesregierung tritt auch dafür ein, die Beziehungen der Türkei zur EU weiter auszubauen. Dies heißt nicht zwingend, dass es zu einer Vollmitgliedschaft des Landes in der Union kommt. Die Bundeskanzlerin hat immer wieder betont, dass sie zum Prozess der seit Oktober 2005 geführten Beitrittsverhandlungen steht, diesen aber als ergebnisoffen betrachtet.

Abhängig ist ein möglicher EU-Beitritt der Türkei von vielen Kriterien. Bei den Verhandlungen zeigt sich, dass in der Türkei noch erhebliche Reformen durchgeführt werden müssen, z.B. im sozialen Bereich und bei der Beachtung von Grundrechten und Freiheiten. Ganz zentral ist die Haltung der Türkei zum Nachbarn Zypern. Die Weigerung Ankaras, die Zollunion mit der EU auch auf Zypern auszudehnen und freien Warenverkehr zuzulassen (Grundlage hierfür ist das sog. „Ankara-Protokoll“ von 1963), hat zu einer Blockade der Beitrittsverhandlungen in einer Reihe von Bereichen geführt.

Die Bundesregierung begleitet die Verhandlungen der Türkei mit der EU intensiv. Sie setzt sich sowohl bei bilateralen Gesprächen mit der türkischen Regierung wie im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen für die notwendigen weiteren Verbesserungen der Situation religiöser Minderheiten in der Türkei ein.

Zum letzten Besuch der Kanzlerin in der Türkei im März 2010: http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Mitschrif... Zur Rede von Staatsminister Neumann am 02.05.2011: http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Pressemit...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (2)Schließen

  1. Autor Alexander Günther
    am 11. Mai 2011
    1.

    Ich wette, dass es darauf (wie immer) keine konkrete Antwort geben wird, da dieses Forum lediglich eine Alibi-Funktion hat. Der Schein der Demokratie muss immer gewahrt bleiben. Da die Frage nicht politisch korrekt ist, wird der Absender mit Sicherheit angeprangert werden. Sicherlich wird man sagen, dass es seitdem viele Fortschritte gegeben hat und zumindest derzeit noch ein paar Christen in der Türkei leben dürfen (auch wenn z.B. der Bau von neuen Kirchen nicht möglich ist; in Dt. entstehen jedes Jahr zahlreiche Moscheen; sind bereits über 2700). Trotzdem viel Glück!.

  2. Autor Richard Eberhard
    Kommentar zu Kommentar 1 am 12. Mai 2011
    2.

    Vermutlich haben Sie recht! Für mich persönlich ist es wichtiger wahrhaftig zu sein, als politisch korrekt. Ich halte es auch für angemessen, Politiker darauf hinzuweisen, wenn Wahrheit der political Correctnes zum Opfer fällt.

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