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Ihr Moderationsteam

Abstimmungszeit beendet
Autor Veit Mühling am 16. September 2009
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Wirtschaft

Haben Sie die Kraft?

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Der das sagte war auch einmal Bundeskanzler und heißt Helmut Schmidt. Bei der letzten Wahl hatten Sie den visionären und anerkannten Fachmann für Finanz- und Steuerrecht Paul Kirchhof kurzzeitig in Ihrem Personalteam. Das Resultat massiver Fehlinterpretationen der Kirchhofschen Steuervereinfachung durch politische Gegenspieler, als auch fehlender Kenntnis und nicht stattgefundener Unterstützung aus den eigenen Reihen ist leidlich bekannt. Die Chance auf ein transparentes und damit gerechtes Steuersystem wurde nicht genutzt. Noch immer leistet sich Deutschland aberwitzige 70.000 Steuergesetze u. Verordnungen! Jetzt wollen Sie noch einmal Kanzlerin werden. Das Sie Kanzler können haben Sie bewiesen. Aber wofür stehen Sie bei dieser Bundestagswahl? Wäre es für jemand wie Sie, mit fundierter naturwissenschaftlicher Ausbildung, nicht erstrebenswert den Wählern glaubhafte Lösungen für die drängendsten Fragen in diesen Zeiten anzubieten? Selbst auf die Gefahr, nicht noch einmal Bundeskanzlerin zu werden? Könnte es sein, dass die Autokrise durch Abwrackmilliarden hinter den Wahltag verschoben wurde und es bald eine noch deutlich höhere Absatzkrise auf dem Automobilsektor geben wird? Wenn der Herausforderer Steinmeier jetzt fundamentale Thesen präsentiert, dann tut er das wohl, weil er nichts mehr zu verlieren hat. Aber, das Wahlprogramm der Christdemokraten erscheint mir im Vergleich zum Deutschlandplan nahezu inhaltsfrei, geradezu kraftlos. Ich möchte Ihnen mitteilen, weshalb ich Ihrem Programm nicht recht glauben mag. Im Übrigen unterscheiden sich die vier Anderen in diesem Punkt nicht wesentlich vom Programm Ihrer Partei. Der Kern meiner Frage: Können wir wirklich in die Zukunft gehen mit immer mehr Wachstum? Und wann wird eine Volkspartei eingestehen, dass es vielleicht gar keine echte Vollbeschäftigung mehr geben wird? An Produktivität mangelt es nicht. Die Frage ist, wie können wir das künftig organisieren. Gewiss nicht durch dogmatischen Sozialismus. Oder brauchen wir einfach nur, wie Herr Merz vorschlägt, „Mehr Kapitalismus wagen“? Wird das von Ihnen versprochene nachhaltige Wachstum nicht schon durch die Endlichkeit natürlicher Ressourcen ausgebremst? Könnte unser eigentlich hocheffizientes Wirtschaftsgebilde nicht längst vom Erdöl unabhängig sein? Der „peak oil“ dürfte überschritten sein. Nun könnte es doch sein, dass die Erdöl verarbeitende Industrie gar kein Interesse an zu schnellem Fortschritt hat. Ist es doch möglicherweise viel lukrativer erst einmal dieses „Marktsegment“ vollständig abzuschöpfen.

Wenn die Interessenverbände und Industrievertretungen mit in den Ausschüssen sitzen, dann braucht man sich eigentlich nicht über Ergebnisse zu wundern, welche die Energieeinsparverordnung (EnEV) gebracht hat. Mit der EnEV wurde die sogen. Heizlastberechnung „erfunden“. Die Heizlastberechnung kann als Beispiel für Ihr Prinzip Wachstum stehen. Dann lässt sich erklären, weshalb dafür die altbewährte Wärmebedarfsberechnung nach DIN 4701 nicht mehr gelten soll. Anfangs hatte die inzwischen etwas abgemilderte, hoch-komplexe Heizlastberechnung gem. DIN EN 12831 im Schnitt eine 20-prozentige Überdimensionierung gegenüber dem früheren Wärmebedarf nach alter Norm zur Folge. Durch Festlegung einer Aufheizreserve ist es „dank“ Anwendung der geltenden Heizlastermittlung erlaubt, Heizkessel nahezu um hundert Prozent überzudimensionieren. Vor Einführung dieses Umsatz fördernden Regelwerkes hätte es von den Rechnungshöfen für derart üppige Auslegungen zu Recht Prüfbeanstandungen gegeben. Kein Wachstum ohne Umsatz. Ein Teufelskreis? Immerhin, es gibt intelligente Kommunen, die sich dieser gesetzlich legitimierten Fehlentwicklung entziehen. Die Stadt Frankfurt/M beweist mit Ihren „Leitlinien zum wirtschaftlichen Bauen 2009“ sehr überzeugend, dass es auch anders geht.

Mich würde sehr wohl interessieren, gesetzt den Fall, Sie blieben tatsächlich die Kanzlerin, welche Lösungen Sie nach der kommenden Regierungsbildung in petto hätten? Bleibt Wachstum und weitermachen-wie-bisher dann die Lösung?

In der Hoffnung auf Ihre geschätzte Antwort verbleibe ich
mit frdl. Gruß
V. Mühling