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Abstimmungszeit beendet
Autor Hans Diesing am 14. Februar 2009
15087 Leser · 3 Kommentare

Wirtschaft

Innovationswettbewerb

Sehr geehrte Bundeskanzlerin,

„Innovationen überwinden die Depression“ war der Untertitel des Buches „Das technologische Patt“ von Gerhard Mensch. Er zieht darin gegen das innovationsfeindliche Patentsystem zu Felde und zeigt historisch auf, dass eine Welle von Entdeckungen aus der Forschung stets mit einer gewissen Verzögerung zunächst eine Welle technischer Erfindungen und Entwicklungen anstösst um in der Folge einen Wirtschaftsboom auszulösen. In der Tat bleibt uns als rohstoffarme Nation der Dichter und Denker (auch der Ingenieure und Tüftler) nur noch unser Know-How und unser Einfallsreichtum, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.

Ja wir brauchen wieder mehr Bildung und Forschung, um den stotternden Motor nachhaltig anzuwerfen, aber das bringt uns kurzfristig auch nicht viel weiter, wenn wir nicht gleichzeitig die Innovationsbremsen für die wirtschaftliche Umsetzung technischer Erfindungen lösen. Tatsächlich hat sich das immer teurer, komplizierter und behäbiger geratene Patentsystem zu einem ernstzunehmenden Hemmschuh für den technischen Fortschritt entwickelt. Ein privater Erfinder oder eine kleine Firma kann sich weder den Patentanwalt leisten, der weiss, wie man einen technischen Sachverhalt patentformalistisch wasserdicht übersetzt, noch die Gebühren für den internationalen Schutz, der schon mehr kostet als eine Luxuslimousine. So versanden viele eventuell brauchbare Erfindungen bereits im noch erschwinglichen nationalen Anmeldeverfahren oder werden gar nicht erst angemeldet aus Furcht vor den Folgekosten. Die Aussicht auf einen wirtschaftlichen Erfolg ist aber letztlich die Triebfeder für jede erfinderische Tätigkeit und das Patentwesen wurde eigentlich geschaffen, um diesen Erfolg gegen Trittbrettfahrer zu schützen. In einem globalen Markt sind die finanziellen Hürden für diesen Schutz aber inzwischen so hoch, dass nur noch gut situierte Firmen und Konzerne sich das auch leisten können. Dort sind aber überwiegend Kaufleute am Ruder, die den Wert einer technischen Erfindung für ihre Kunden oft nur noch bedingt nachvollziehen können und denen technische Innovationen wegen des schwer kalkulierbaren "Return-on-Investment" ohnehin suspekt sind. So wird auch hier in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zuerst gespart und eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt.

Ich weiss wohl, dass eine Nation im Alleingang dieses System nicht reformieren kann und dass eine Subventionierung der Privatwirtschaft an die Grenzen des europäischen Wettbewerbsrechts stossen würde. Was man aber keiner Nation verbieten kann, ist die Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs. Gemessen an den milliardenschweren Konjunkturprogrammen wären die Kosten hierfür ein Trinkgeld – vor allem, wenn man hierfür von Regierungsseite eine Internetplattform bereitstellen würde (etwa im Stile des Google-10^100-Projekts oder der Tchibo-Ideas-Plattform). Als ehemaliger Preisträger und späterer Juror bei „Jugend forscht“ weiss ich, dass es da viel Spreu vom Weizen zu trennen gilt, dass der organisatorische Aufwand nicht unerheblich ist und dass die Publikation von Erfindungen schutzrechtlich bedenklich sein kann. Es wäre aber völlig unproblematisch, einen geschützten Internet-Zugang für Bewerber bereitzustellen mit der Zusicherung einer vertraulichen Vorauswahl und als Preis für die Qualifikation die Patentanmeldung unter Mitwirkung eines Patentanwalts zu betreiben. Damit wäre ein vorläufiger Prioritätsschutz gegeben, mit dem in weitere Prämierungsrunden eingetreten werden kann, in die auch Verwertungsgesellschaften quasi als Erfinder-Coach eingebunden werden können, die sich dann um die Absicherung der relevanten internationalen Schutzrechte, Bereitstellung von Prototypen und um Lizenzverträge mit der Industrie kümmern könnten – etwa im Wege einer staatlich gesponserten Erfinderbörse. Die regional durchgeführten „Businessplan-Wettbewerbe“ setzen voraus, dass ein ein guter Erfinder auch gleichzeitig ein guter Verwerter oder gar Vermarkter ist. Das ist aber eher die glückliche Ausnahme – schon aufgrund der eher divergierenden Persönlichkeitsstrukturen. Ein reiner Innovationswettbewerb könnte nicht nur bereits vorhandene Ideen zutage fördern sondern auch einen Motivationsschub lostreten, neue Ideen zu entwickeln und eine innovative Aufbruchstimmung (Ruck?) zu stimulieren, die dann sogar auf die in Agonie verharrende Wirtschaft ausstrahlen könnte.

Können Sie sich vorstellen einen solchen Vorschlag zu unterstützen?

Ihrer geschätzten Rückäusserung sehe ich gespannt entgegen
und verbleibe mit den beste Grüssen

Hans W. Diesing

Kommentare (3)Schließen

  1. Autor Hans Diesing
    am 16. Juli 2014
    1.

    Ich möchte mich vor meinen knapp 6000 Lesern teilweise korregieren:

    In Anbetracht der Auspähgefahren, die seit dem letzten Jahr offenkundig sind, würde ich von meinem Vorschlag einer Internet-Plattform für den Innovationswettbewerb abrücken und eine postalische Einreichung vorziehen. Schließlich geht es auch um den Schutz der Erfinderpriorität und der Investitionen in die Entwicklung und Vermarktung. Wer investiert schon, wenn er nicht sicher sein kann, ob ihm andere zuvorkommen können und die Investition nicht nur in den Sand gesetzt wird, sondern sogar streitig gemacht werden kann - womöglich mit Schadensersatz?

  2. Autor Hans Diesing
    am 16. Juli 2014
    2.

    Ein weiteres Problem sollte an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben:
    Das internationale Prioritäts-Blackout von 18 Monaten bis zur Veröffentlichung einer Erfindung d.h. erst nach 18 Monaten kann man sich einer Ersterfindung sicher sein trotz eventuell positiver Prüfung durch das Patentamt, weil vorher auch die Prüfer nicht wissen können, wie neu eine Erfindung wirklich ist. Insofern dürfte der Wettbewerb nur alle zwei Jahre ausgeschrieben werden und eine finale Prämierung erst nach 18 Monaten erfolgen. Bis dahin sollte vertraulich auf dem Postweg oder im persönlichen Gepräch (ohne Handy) sondiert werden, denn auch eine Kommunikation per Fax ist vor Ausspähungen nicht geschützt.

  3. Autor Peter Laurent Gellings
    am 26. Oktober 2014
    3.

    Sehr geehrter Herr Diesing.

    Ich habe heute Ihr Schreiben von 2009 gelesen, einer der Vorteile des Internet
    und möchte gern mit Ihnen in Kontakt kommen, wäre das Möglich?

    Meine E-Mail: peterlaurentgellings@gmail.com

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