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Beantwortet
Autor S. Faria da Rocha am 11. November 2008
19613 Leser · 0 Kommentare

Familienpolitik

Kinderförderungsgesetz = Frauenförderung. Wo bleibt die Familie?

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,

in dem kürzlichtst beantworteten Beitrag mit dem Titel "Kinderförderungsgesetz gut für alle Familien?" , weisen Sie darauf hin, dass zudem keine Gesellschaft auf Frauen im Beruf verzichten kann. Wir haben heute die am besten ausgebildete Frauengeneration aller Zeiten. Durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien kann daher ganz konkret die Frauenförderung vorangebracht werden.

Ich finde es auch sehr lobenswert, dass Frauen gefördert und voran gebracht werden, aber nicht auf Kosten der Familien und Familienwerte!

Ebenfalls sehen immer mehr Fachleute diese Entwicklung mit großer Sorge:

• Der frühere Bundesrichter Prof. Dr. Jentsch sagt dazu:" Zweifellos sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder , die das Grundgesetz verbürgt, durch eine Politik, die die Kindererziehung in Krippen materiell stärker fördert als diejenige zu Hause, nachhaltig berührt. Indem die Politik mögliche Erziehungskonzepte und –entscheidungen unterschiedlich fördert, greift sie damit zugleich in den Grundsatz der Gleichbehandlung ein."

• Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Kirchhof sagte unlängst in einem Vortrag bei Schott am 15.4.2008, dass dieser Paradigmenwechsel in der Familienpolitik verfassungswidrig sei. Außerdem gehe die fehlende Wahlfreiheit mit dem Grundgesetz nicht konform.

• Das Otto-Wolff-Institut für Wirtschaftsordnung hat wiederholt Stellung genommen: sowohl die einseitige Subventionierung des Krippenausbaus als auch das Betreuungsgeld, politisch als „bedeutungslos" zugegeben, verletzen die Grundrechte und sind unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen.

• Im Jahrbuch für Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Bd.58) stellt PD Dr. Christian Müller dar, dass der massive staatliche Ausbau von Tageseinrichtungen für Kinder unter 3 Jahren nicht zu rechtfertigen ist. Dieses Angebot kann nicht „als öffentliches Gut betrachtet werden" und somit besteht auch kein bundespolitischer Handlungsbedarf Tageseinrichtungsplätze bereit zu stellen. „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wäre eine private einer öffentlichen Produktion vorzuziehen."

• Frau Prof. Lenze stellt in Ihrem Gutachten zum Kindergeld (Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 151, Januar 2008) fest, dass "Empfänger von Grundsicherungsleistungen ... nicht in den Genuss des verfassungsgerichtlich festgestellten Bedarfs an Erziehung und Betreuung kommen" und dies "sich nicht rechtfertigen" lasse.

• Wolfgang Bergmann, Kinderpsychologe, warnt vor dem derzeitigen Trend, Kinder möglichst schnell und möglichst lange abzugeben. „Die Frage darf nicht lauten: Wie kriegen wir die Frauen nach der Geburt schnellstmöglich wieder in das Berufsleben zurück. Hinter dieser Fragestellung steckt ein Denkmuster, das ich für völlig falsch halte. Es geht nämlich davon aus, dass ein Kind eine Belastung und eine Behinderung für die Mutter ist. In fremden Umgebungen mit wechselnden Bezugspersonen werden Kinder sicherlich innerlich nicht zu stabilen Menschen. Dafür werden wir in 20 Jahren eine sehr hohe Rechnung zahlen."

• Der Deutsche Familienverband erklärt in einer Pressemitteilung vom 24. April, daß das Familienbild der Verfassung vom Vertrauen in die Erstverantwortlichkeit der Familien für ihre Kinder geprägt sei. Leider gehe die im Kinderförderungsgesetz angestrebte Krippeninitiative der Bundesregierung von der Grundannahme aus, dass bereits sehr kleine Kinder in öffentlicher Verantwortung besser aufgehoben sind und besser gefördert werden als in den Familien.

• Bischof Mixa erklärte am 30. April erneut: "Dass in unserer Gesellschaft viele junge Mütter ihre kleinen Kinder in staatliche Fremdbetreuung geben müssen, um wirtschaftlich überleben zu können, ist ein Skandal"

Mit dieser Entwicklung fördern wir gleichzeitig den Zerfall der Familien und werden die katastrophalen Auswirkungen zu spüren bekommen, wenn diese Krippenkinder groß sind.
Alles hat zwei Seiten. Deshalb hier meine konkreten Fragen:

Ist Ihnen die Kehrseite der Medaille, damit meine ich die negative Auswirkung, bewusst?
Was können Sie tun um dieser Entwicklung entgegen zu wirken?

Für eine Antwort bedanke ich mich ganz herzlich.

Mit freundlichen Grüßen

Sonja Faria da Rocha

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 14. Dezember 2008
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Faria da Rocha,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Gestaltung von Familien- und Arbeitsleben ist allein Sache der Eltern. Der Staat muss nur die Rahmenbedingungen schaffen, damit sie eine tatsächliche Wahlfreiheit haben. Das ist durch das Elterngeld und den fortschreitenden Ausbau der Kinderbetreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren gelungen.

Der Staat will und wird Eltern nicht vorschreiben, ihre Kleinkinder außerhalb des familiären Umfeldes betreuen zu lassen. Andererseits wissen wir, dass eine außerfamiliäre Betreuung für manche Kinder – leider – die einzige Chance ist, in ihrer Entwicklung gefördert zu werden.

Studien belegen im Übrigen, dass die Eltern-Kind-Beziehung durch einen frühen Kita-Start keineswegs leiden muss. Auch Ganztagsschüler verbringen – einer Untersuchung zufolge – erstaunlicherweise mehr Zeit mit ihren Eltern bei gemeinsamen Hobbys oder anderen gemeinsamen Aktivitäten als Kinder, die keine Ganztagsschule besuchen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung