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seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Jonathan Prinz am 21. August 2017
8893 Leser · 1 Kommentar

Die Kanzlerin direkt

Netzwerkdurchsetzungsgesetz und Zensur im deutschen Internet

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich habe diesen Sommer erschreckt festgestellt, dass die Regierung unter Ihrer Leitung ein Zensurgesetz (Netzwerkdurchsetzungsgesetz welches selbst von Ihren Parteimitgliedern wie Wolfgang Bosbach kritisch beurteilt wird) erlassen hat. Dadurch aufgeweckt habe ich angefangen zu Recherchieren und bin auf weitere Gesetze (geplant oder schon durchgesetzt) gestoßen welche die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken (Googlealgorhythmen zu Gunsten der öffentlich-rechtlichen Medien ändern), meine verfassungsmäßigen Persönlichkeitsrechte einschränken (Legales Installieren von Schadsoftware wie dem „Staatstrojaner“ auch ohne direktem Straftatverdacht) und Grundrechte aushebeln können (Forderung einer Notstandsverfassung).

Diese Einführung von Zensur, Unterdrückung von nichtstaatlichen Medien, die Installation von Überwachungsgesetzen in Verbindung mit der Kontrolle durch z.B. Bargeldabschaffung, medialen Verunglimpfung politischer Gegner sowie ständige Verschärfungen des Waffenrechts (vor allem gegenüber legalen Waffenbesitzern) kennt man aus dem Geschichtsunterricht nur von Diktatorischen und (National-)Sozialistischen Regimen.

Haben Sie und Ihre Regierung vielleicht mir nicht ersichtliche Gründe für diese Gesetzte, welche Sie mir auf diesem Weg mitteilen können?
Was müsste passieren, das Sie sich für eine Lockerung bzw. Abschaffung solcher Gesetze einsetzen?
Können Sie Ihren Kritikern glaubhaft versichern, dass Sie nicht vor haben ein (überspitzt formuliert) absolutistisches Regime aufzubauen ohne diese gleich als postfaktische Verschwörungstheoretiker abzutun (ich sehe Ihre Gegner oft mit besseren Argumenten ankommen als Sie)?
Und welche Gesetze in diese Richtung wollen Sie noch erlassen; haben Sie vor unsere persönlichen Freiheiten noch weiter einzuschränken? Wie rechtfertigen Sie diese Großen Freiheitseinbusen als Preis für ein Wenig mehr Sicherheit?

Mit freundlichen Grüßen
Jonathan Prinz

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 22. September 2017
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Prinz,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Gegenwärtig ist eine massive Veränderung der gesellschaftlichen Debattenkultur im Internet und insbesondere in den sozialen Netzwerken festzustellen. Die Tonart im Netz ist oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt. Hasskriminalität kann jede und jeden aufgrund seiner Meinung, Hautfarbe oder Herkunft, der Religion, des Geschlechts oder der Sexualität diffamieren. Nicht effektiv bekämpft und verfolgt, birgt das eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft.

Gegen den von Ihnen gewählten Begriff „Zensurgesetz“ verwahren wir uns an dieser Stelle ausdrücklich. Denn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zielt darauf ab, Hasskriminalität, strafbare Falschnachrichten und andere strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken wirksamer zu bekämpfen. Erfasst werden in erster Linie Inhalte, die auch nach jetzigem Recht strafbar sind: so z.B. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung und Bedrohung, aber auch Kinderpornographie und terroristische Straftaten. Vorgesehen sind zudem eine gesetzliche Berichtspflicht für die Betreiber sozialer Netzwerke, ein wirksames Beschwerdemanagement sowie die Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Verstöße gegen diese Pflichten können mit Bußgeldern gegen das Unternehmen und die Aufsichtspflichtigen geahndet werden.

http://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2017/091817_Rech...

Die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit ist für die Bundesregierung ein hohes Gut. Sie gilt jedoch nicht schrankenlos. Auch das Internet und die sozialen Netzwerke sind keine rechtsfreien Räume. Wer online Grenzen der Strafbarkeit überschreitet, wird genauso verfolgt und zur Rechenschaft gezogen wie in der analogen Welt.

Dies gilt auch für die von Ihnen angesprochenen Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat. Konkret geht es um die Instrumente der Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Beides ist inzwischen verbindlich in der Strafprozessordnung geregelt und dient der wirksameren Strafverfolgung.

So kann die Quellen-TKÜ künftig in Ermittlungen eingesetzt werden, bei denen auch eine herkömmliche Telefonüberwachung erlaubt ist. Letztere wurde allein im Jahr 2015 in 6.000 Verfahren insgesamt 32.000 Mal eingesetzt. Und auch die Onlinedurchsuchung, die bereits seit 2008 in sehr engen Grenzen zur Terrorabwehr erlaubt ist, kann nun häufiger gestattet werden: Polizisten sollen sie künftig auch bei Straftatbeständen wie Hehlerei oder Drogenhandel anwenden können.

http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Doku...

Für die Bundesregierung steht fest: Die Sicherheitsbehörden brauchen innerhalb und außerhalb des Internets nicht mehr, aber eben auch nicht weniger Befugnisse. Dabei müssen die rechtlichen Voraussetzungen für Eingriffe von Sicherheitsbehörden gleich sein, egal ob ein Tatverdächtiger per Messenger-Dienst oder SMS kommuniziert.

Dabei geht es immer auch um eine Abwägung von Freiheit und Sicherheit. Das bedeutet: Wenn im Kampf gegen den Terror und Kriminalität Maßnahmen die Grundrechte einschränken, dann müssen diese geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. So hat es das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, und dem leistet die Bundesregierung selbstverständlich Folge.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (1)Schließen

  1. Autor Erhard Jakob
    am 13. September 2017
    1.

    Auch ich bin der Ansicht, dass wir bereits genügend Gesetze haben.
    Was nützen uns die Gesetze, wenn sie umgangen werden?
    Was nützt uns das Recht, wenn es gebeugt
    bzw. gebrochen wird?

    Unser Rechtssystem ist so aufgebaut, dass nicht der Recht
    bekommt, der Recht hat! Sondern, der der das Geld hat.

    An dieser Stelle sollte was unternommen werden.

    Es muss die *Gerechtigeit* vom Kopf wieder
    auf die Beine gestellt werden!

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