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seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Britta Engels am 11. März 2008
16087 Leser · 0 Kommentare

Innenpolitik

"Vertrauensfrage"

Sehr geehrte Frau Merkel,

die vielen Nichtwähler zeigen doch, dass eine allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung herrscht. Häufig wird hier von Politik-Verdrossenheit gesprochen, was wohl eher nicht der Fall ist.
Die Nichtwähler geben ihre Stimmen nicht einfach an den Wahlurnen ab, sondern behalten und nutzen sie für die vielen Initiativen, die in den letzten Jahren enorm zugenommen haben, verfolgen das politische Geschehen sehr aufmerksam und wollen etwas bewegen.

Sehr viele fühlen sich weder durch die Parteien, noch deren Politiker vertreten und erkennen, dass auch den Politikern zunehmend die "Hände gebunden" sind. Sie mutieren eher zu Marionetten, die an die Fäden der Fraktionsbeschlüsse geknotet, von den starken Händen der Wirtschaft geführt werden.

Wenn es nach den Nichtwählern ginge, so würden sie sich ihre Politiker nach Sympatie aus den einzelnen Parteien "zusammensammeln" und nicht "die Katze im Sack kaufen".
Die Antipatie einzelner Persönlichkeiten, die ja unweigerlich mit einer Parteigebundenheit zusammenhängt, kostet eben landesweit Stimmen. So kann auch ein Herr Althaus nicht ausgleichen, was z. B. eine Frau von der Leyen, oder ein Herr Schäuble im ganzen Land an Stimmenverlusten verursachen.
Parteien werden zunehmend uninteressant, da sie die meiste Zeit damit verbringen, sich untereinander auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen, statt sich um die Themen zu kümmern, die für die Bevölkerung wichtig wären.

Es herrscht also keine Politik-Verdrossenheit, sondern eine Partei-Verdrossenheit.

Hinzu kommt noch, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung völlig mißachtet fühlt. Sie fragen sich, wo eigentlich die "repräsentativen Umfragen" herkommen, wo sie doch selbst noch nie gefragt wurden.
Ob das nun das Nichtrauchergestz, Diätenerhöhungen, die Rüstungsausgaben, das Ladenschlussgestz, die Verkürzung der Gymnasialzeit, oder sonst was ist ... keiner, den ich kenne, wurde jemals gefragt.
Dieser Zustand wird zunehmend im Volksmund als "Zuschauer-Demokratie" oder "multiple Diktatur" bezeichnet. (Falls Ihnen diese Begriffe noch nie zu Ohren gekommen sein sollten, so fehlt hier wohl etwas mehr Nähe zur Bevölkerung)

Wie wär`s denn mal mit einer Art "Zwischenzeugnis", einer Art Vertrauensfrage an die gesamte Bevölkerung mit der Aufforderung nicht nur "zu motzen", sondern mit konkreten Ideen, aktiv an einer Verbesserung des gesamten Systems mitzuwirken?

Wir Nichtwähler sind gespannt auf eine Antwort

Britta Engels


Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 11. April 2008
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Engels,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Eigentlich geben Sie selbst eine Antwort auf Ihre Frage: Nicht „Motzen“ ist angesagt, sondern „Mitmachen“.

Wir beobachten, dass das Interesse an Politik nicht gesunken, sondern eher gestiegen ist. Gegen die These von der Politikverdrossenheit spricht vor allem das Engagement vieler Menschen in Bürgerinitiativen und Ehrenämtern sowie für das Gemeinwesen. Im übrigen beantwortet die Bundesregierung täglich Tausende von E-Mails mit Bürgeranfragen; Zehntausende folgen Jahr für Jahr der „Einladung zum Staatsbesuch“ am Tag der offenen Tür im Bundeskanzleramt, in allen Bundesministerien und im Bundespresseamt - all dies zeigt, dass viele Menschen durchaus ein aktives Interesse an Politik haben.

Gegen die Parteienverdrossenheit, die Sie wahrnehmen, hilft vor allem eines: Sich selbst einzumischen, also einer Partei beizutreten und andere von seinen eigenen Ansichten zu überzeugen. Nur wer sich in einer Partei engagiert, hat übrigens auch Einfluss auf deren Personalauswahl.

Eine Anmerkung zu den „repräsentativen Umfragen“: Will man eine Aussage über die wahlberechtigte Bevölkerung machen, ist es nicht nötig, alle zu befragen. Es reicht, wenn eine Stichprobe gemacht wird, die allerdings bestimmte Kriterien erfüllen muss. Sie sollte repräsentativ für die „Grundgesamtheit“, also die wahlberechtigte Bevölkerung, sein. Das ist dann der Fall, wenn jeder, der zur Grundgesamtheit gehört, die Chance hat, in die Stichprobe einbezogen zu werden. In der Regel geschieht dies über eine Zufallsauswahl aus Telefonverzeichnissen. Um eine repräsentative Basis zu bekommen, werden bei politischen Meinungsumfragen in der Regel zwischen 1.000 und 2.000 Menschen interviewt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie persönlich oder Ihre Bekannten dabei sind, ist also eher gering.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung