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Beantwortet
Autor Maria Glasmachers am 25. Januar 2010
11393 Leser · 0 Kommentare

Innenpolitik

Was tun wir gegen Korruption?

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin

Ich begreife die Politik nicht mehr!
Es hat für mich den Anschein, als sei Deutschland käuflich. Und das sogar zu Dumpingpreisen. Es gibt Großspenden an Parteien, Vergünstigungen für alle Mitglieder bestimmter Parteien und Zuwendungen an einzelne, herausragende Parteimitglieder.
Wie kann es sein, dass Parteien in der Regierungsverantwortung sich Dinge leistet, für die ein einfacher Bürger seinen Arbeitsplatz verlieren würde, möglicherweise sogar mit rechtlichen Folgen rechnen müsste.
Ein Beispiel für Großspenden aus der letzten Zeit ist eine Millionenspende aus der Hotelbranche an eine Partei und anschließend die Senkung des Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern und auf Campingplätzen von 19 auf 7 Prozent.
Ein weiteres Beispiel für Großspenden aus der letzte Zeit ist eine Großspende aus der Automobilindustrie, daraufhin haben sich die Parteien auf einen Rabatt bei der Besteuerung von Jahreswagen für Mitarbeiter der Automobilindustrie und zu einem Steuerrabatt für die private Nutzung von Firmenwagen geeinigt.
Ein Beispiel für Vergünstigungen an alle Mitglieder einer Partei ist ein 5% Rabatt bei einer PKV, wenn man Mitglied dieser Partei ist. Nur ein kleiner Anteil an der Bevölkerung könnte überhaupt von dieser Vorzugsbehandlung Gebrauch machen, da sich nicht jeder Bürger privat versichern darf oder kann. Die gleiche Partei stellt den zuständigen Minister und plant zur Zeit, das Krankenversicherungswesen zugunsten der Privatversicherungen umzubauen. Der zuständige Minister holt sich hierfür als Berater für Grundsatzfragen einen Lobbyisten in sein Team, der derzeit der stellvertretende Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) ist.
Ein Beispiel aus der letzten Zeit für Vergünstigungen an herausragende Parteimitglieder bzw. Spitzenpolitiker ist ein Urlaubsflug nach Florida. Der Spitzenpolitiker ist mit seiner Familie hin und zurück in der Business-Class geflogen, obwohl er nur für die weniger komfortable Economy-Class bezahlt hatte. Statt 5815 Euro zahlte er zunächst nur 2759 Euro. Ein Geldvorteil von 3056 Euro. Als dies öffentlich wurde, hat er die Differenz nachgezahlt. Eine Verkäuferin wurde wegen 1.20 Euro gekündigt. Ebenso sollte es einer Büroangestellten ergehen, die unerlaubt ein Brötchen vom Arbeitgeber gegessen hat. Ich denke, diese Geschichten sind ausreichend bekannt. Der Verkäuferin, wurde nicht die Möglichkeit eingeräumt den entstandenen „ Schaden“ zu ersetzen.
Auch ein Pharmakontrolleur , dem eine Unregelmäßigkeit beim bestellen zweier Dienstwagen vorgeworfen wird, bekam keine Chance zur Wiedergutmachung. Man gewinnt den Eindruck, dass es der Pharmaindustrie nicht recht war. Ein unabhängiger Gutachter macht sich halt keine Freunde.
Diese Vorfälle sind in den letzten Tagen bekannt geworden. Wie sollen wir nun mit dieser Art der Politik umgehen. Jeder ist vor dem Gesetz gleich, nur einige sind gleicher?
Es entsteht der Verdacht der Korruption. Eine Umarmung mit dem Kraken Korruption kann nicht nur einzelne Parteien in den Untergang ziehen, es kann auch unserem gesamten Volk schweren Schaden zufügen.

Meine Frage an Sie lautet daher: Was wollen Sie unternehmen damit der von den Ministern geschworene Eid, mit oder ohne Bezug auf die Religion, seine Gültigkeit behält?

»Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen Jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.«

Mit freundlichen Grüßen
Maria Glasmachers

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 17. Februar 2010
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Glasmachers,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Der Amtseid, den Bundesministerinnen und Bundesminister leisten, zeigt den großen ethischen Anspruch, den der Staat an seine hohen Funktionsträger stellt. Der Eid gilt, und wir sehen auch überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass ihn jede Bundesministerin und jeder Bundesminister sehr ernst nimmt.

Im Kern geht es Ihnen aber sicher nicht nur um diesen Amtseid. Sie sind offenbar besorgt, dass – sehr verkürzt und plakativ formuliert – Deutschland käuflich ist.

Sie begründen Ihre Sorge mit vielen verschiedenen Beispielen. Es würde den Rahmen sprengen, auf jedes einzelne einzugehen. Aber wir bitten Sie erstens, nicht alles vorschnell in ein und denselben Topf zu werfen – die „Fälle“, die Sie anführen, unterscheiden sich und sind in ihren jeweiligen Zusammenhängen zu bewerten. Zweitens bitten wir Sie zu beachten, dass der Gesetzgebung intensive parlamentarische Beratungen vorausgehen.

So auch bei der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes bei reinen Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe von 19 auf 7 Prozent. Nach Abwägung aller Umstände ist diese Maßnahme beschlossen worden, weil sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Hotel- und Gastronomiegewerbes stärkt.

Diese steuerrechtliche Änderung ist einer von vielen Punkten des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Es leistet einen wichtigen Beitrag, um rasch und gestärkt aus der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hervorzugehen. Die beschlossenen Maßnahmen entlasten Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen um insgesamt rund 8,5 Mrd. Euro.

Darüber hinaus sind alle Bürger zum 1. Januar 2010 durch die (vorher bereits beschlossenen) Maßnahmen des Konjunkturpaketes II und des Bürgerentlastungsgesetzes um weitere 14 Mrd. Euro entlastet worden: unter anderem durch eine Anhebung des Grundfreibetrags von 7.834 Euro auf 8.004 Euro und eine verbesserte Absetzbarkeit der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Der Vorwurf, es gehe der Bundesregierung nur um Partikularinteressen, ist unberechtigt. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist vielmehr eines ihrer Kernanliegen. Nicht ohne Grund steht der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP unter dem Motto „Wachstum, Bildung, Zusammenhalt“.

Für weitere Informationen zu grundsätzlichen Ansichten der Bundeskanzlerin zu aktuellen Fragen sowie zum Thema „Glaubwürdigkeit und ethische Grundsätze politischen Handelns“ finden Sie hier eine Rede sowie ein Interview der Bundeskanzlerin:

http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Archiv16/...

http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Interview...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung