Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Prof. Dr. Böhmer,
zunächst möchte ich Ihnen gratulieren. Es ist sehr gut, dass diese direkte Möglichkeit der Kontaktnahme existiert!
Zu meiner Person möchte ich nur sagen, dass ich Bürger der Stadt Stolberg bin und mit einigen Unterbrechungen hier seit 53 Jahren wohne. Bisher war ich stolz, ein Bürger von Stolberg und ein Sachsen/Anhalter zu sein.
Im Moment bin ich erschüttert, unendlich traurig, aber auch zornig. Stolberg ist seit rund tausend Jahren Stadt, hat totalitäre Regimes überstanden und wurde nun im Rahmen der Gemeindegebietsreform trotz dreimaligen gegenteiligen Bürgervotums zwangszugeordnet. Ich möchte nicht Einwohner von "Südharz" sein sondern Stolberger. Mit dieser Meinung stehe ich gewiss nicht allein. Beraubt der Identität, beraubt eines großen Teils des Heimatgefühls ist man in seiner Menschenwürde zutiefst verletzt - die Menschenwürde ist aber doch unantastbar!
Ich möchte an dieser Stelle nicht nochmals alle Argumente darstellen, die sicherlich in Landtag und Regierung ausgetauscht wurden, warum möglicherweise bestimmte Gemeinden wegen Ihrer besonderen künstlerischen historischen oder auch religiösen Bedeutung eigenständig bleiben sollten.
Ich möchte Ihnen eine kurze Anekdote erzählen, die uns alle nachdenklich stimmen sollte. In meiner Eigenschaft als Hochschullehrer habe ich öfter im Ausland zu tun bzw. empfange ausländische Gäste. Viele von Ihnen habe ich nach Stolberg als einen der historisch bedeutenden Orte Sachsen Anhalts geführt. Es gab noch niemanden, der nicht beeindruckt gewesen wäre. Im vergangenen Jahr zur Adventszeit habe ich drei ausländische Studierende, die, von der EU gefördert, ein Teilzeitstudium in Sachsen Anhalt absolvierten, nach Stolberg eingeladen. Unter ihnen war eine junge Frau aus Indonesien (evangelisch lutheranische Christin). Sie hat uns erklärt, dass neben der fachlichen Qualifikation eines der Hauptmotive für die Bewerbung zum Studium nach Sachsen Anhalt war, die "drei heiligen Städte" des lutherisch evangelischen Christentums, nämlich Wittenberg, Eisleben und Stolberg zu besuchen.
In der Diskussion ließ es sich nicht umgehen, auch zu erwähnen, dass es möglicherweise Stolberg als Stadt bald nicht mehr geben wird - die zwischenzeitliche Entwicklung hat ja diese Befürchtungen bestätigt - und Stolberg zugeordnet wird.
Die Reaktion war nur ungläubiges Staunen und die Anfrage "dass doch Deutschland eine Demokratie sei und gegen das Votum der Bürger solche eine Zuordnung unmöglich ist ansonsten wäre das doch eine totalitäre Entscheidung die auch bestimmt nur in Ostdeutschland möglich sei".
Diese Aussage hat mich und meine Familie sehr nachdenklich gemacht und zwischenzeitlich stellt sich die brennende Frage wie wir Ostdeutschen im Ausland wahrgenommen werden. Die inzwischen eingetretene Situation ist für das Image Sachsen Anhalts, so denke ich, bestimmt nicht förderlich. Ich glaube, dass die geschilderte Anekdote gewiss auch kein Einzelfall ist.
Abschließend möchte ich nun zu meiner konkreten Frage kommen. Ausgehend von der Tatsache, dass die Zwangszuordnung ja nun rechtlich beschlossen ist und vollzogen wird, welche Möglichkeiten sehen Sie, diese verhängnisvolle Entwicklung rückgängig zu machen. Kann man nicht einen Weg finden, bei dem das Anliegen, nämlich Verwaltungskosten zu sparen realisiert wird und trotzdem die Eigenständigkeit und der Name bzw. Status als Stadt wegen ihrer historischen, künstlerischen religiösen und auch touristischen Bedeutung erhalten bleibt?
Ich glaube dass ich mit diesem Anliegen vielen Mitbürgern aus dem Herzen gesprochen habe und möchte mich schon jetzt für Ihre persönlichen Bemühungen bedanken.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. W. Schnäckel
Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.
Kommentare (0)Öffnen
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.