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Beantwortet
Autor W. Dr. Schnäckel am 13. September 2010
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Inneres

Zwangszuordnung Stadt Stolberg/Harz im Rahmen der Gemeindegebietsreform

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Prof. Dr. Böhmer,

zunächst möchte ich Ihnen gratulieren. Es ist sehr gut, dass diese direkte Möglichkeit der Kontaktnahme existiert!

Zu meiner Person möchte ich nur sagen, dass ich Bürger der Stadt Stolberg bin und mit einigen Unterbrechungen hier seit 53 Jahren wohne. Bisher war ich stolz, ein Bürger von Stolberg und ein Sachsen/Anhalter zu sein.

Im Moment bin ich erschüttert, unendlich traurig, aber auch zornig. Stolberg ist seit rund tausend Jahren Stadt, hat totalitäre Regimes überstanden und wurde nun im Rahmen der Gemeindegebietsreform trotz dreimaligen gegenteiligen Bürgervotums zwangszugeordnet. Ich möchte nicht Einwohner von "Südharz" sein sondern Stolberger. Mit dieser Meinung stehe ich gewiss nicht allein. Beraubt der Identität, beraubt eines großen Teils des Heimatgefühls ist man in seiner Menschenwürde zutiefst verletzt - die Menschenwürde ist aber doch unantastbar!
Ich möchte an dieser Stelle nicht nochmals alle Argumente darstellen, die sicherlich in Landtag und Regierung ausgetauscht wurden, warum möglicherweise bestimmte Gemeinden wegen Ihrer besonderen künstlerischen historischen oder auch religiösen Bedeutung eigenständig bleiben sollten.

Ich möchte Ihnen eine kurze Anekdote erzählen, die uns alle nachdenklich stimmen sollte. In meiner Eigenschaft als Hochschullehrer habe ich öfter im Ausland zu tun bzw. empfange ausländische Gäste. Viele von Ihnen habe ich nach Stolberg als einen der historisch bedeutenden Orte Sachsen Anhalts geführt. Es gab noch niemanden, der nicht beeindruckt gewesen wäre. Im vergangenen Jahr zur Adventszeit habe ich drei ausländische Studierende, die, von der EU gefördert, ein Teilzeitstudium in Sachsen Anhalt absolvierten, nach Stolberg eingeladen. Unter ihnen war eine junge Frau aus Indonesien (evangelisch lutheranische Christin). Sie hat uns erklärt, dass neben der fachlichen Qualifikation eines der Hauptmotive für die Bewerbung zum Studium nach Sachsen Anhalt war, die "drei heiligen Städte" des lutherisch evangelischen Christentums, nämlich Wittenberg, Eisleben und Stolberg zu besuchen.

In der Diskussion ließ es sich nicht umgehen, auch zu erwähnen, dass es möglicherweise Stolberg als Stadt bald nicht mehr geben wird - die zwischenzeitliche Entwicklung hat ja diese Befürchtungen bestätigt - und Stolberg zugeordnet wird.
Die Reaktion war nur ungläubiges Staunen und die Anfrage "dass doch Deutschland eine Demokratie sei und gegen das Votum der Bürger solche eine Zuordnung unmöglich ist ansonsten wäre das doch eine totalitäre Entscheidung die auch bestimmt nur in Ostdeutschland möglich sei".

Diese Aussage hat mich und meine Familie sehr nachdenklich gemacht und zwischenzeitlich stellt sich die brennende Frage wie wir Ostdeutschen im Ausland wahrgenommen werden. Die inzwischen eingetretene Situation ist für das Image Sachsen Anhalts, so denke ich, bestimmt nicht förderlich. Ich glaube, dass die geschilderte Anekdote gewiss auch kein Einzelfall ist.

Abschließend möchte ich nun zu meiner konkreten Frage kommen. Ausgehend von der Tatsache, dass die Zwangszuordnung ja nun rechtlich beschlossen ist und vollzogen wird, welche Möglichkeiten sehen Sie, diese verhängnisvolle Entwicklung rückgängig zu machen. Kann man nicht einen Weg finden, bei dem das Anliegen, nämlich Verwaltungskosten zu sparen realisiert wird und trotzdem die Eigenständigkeit und der Name bzw. Status als Stadt wegen ihrer historischen, künstlerischen religiösen und auch touristischen Bedeutung erhalten bleibt?

Ich glaube dass ich mit diesem Anliegen vielen Mitbürgern aus dem Herzen gesprochen habe und möchte mich schon jetzt für Ihre persönlichen Bemühungen bedanken.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. W. Schnäckel


+81

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Antwort
von Prof. Dr. Wolfgang Böhmer am 21. Oktober 2010
Prof. Dr. Wolfgang Böhmer

Sehr geehrter Herr Prof. Schnäckel,

im Zuge der Gemeindegebietsreform sind in Sachsen-Anhalt nach sehr intensiven Diskussionen mittlerweile flächendeckend Zusammenschlüsse und Zuordnungen beschlossen worden. Ich bin erleichtert darüber, dass es in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle zu freiwilligen Regelungen gekommen ist, und es ist schade, dass dies im Falle Stolberg nicht gelungen ist. Die Entscheidung des Landtages ist gleichwohl demokratisch legitimiert und steht nicht in Frage.

Für Ihr Anliegen, den historischen Namen Stolberg im Gemeindenamen der größeren Gemeinde fortzuführen und den Status als Stadt zu erhalten, habe ich allerdings großes Verständnis. In den parlamentarischen Beratungen gab es Überlegungen, den Namen der freiwillig gebildeten Gemeinde Südharz mit Inkrafttreten der Eingemeindung Stolbergs durch Gesetz dahingehend zu ändern, dass auch dem Namen Stolberg Rechnung getragen wird. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wurde davon Abstand genommen.

Umso mehr ist es zu begrüßen, dass im Gemeinderat die Diskussion aufgekommen ist, die jetzige Gemeinde Südharz in Stadt Stolberg (Südharz) umzubenennen. Vielleicht kann durch eine solche freiwillige Entscheidung ja auch der Grundstein für eine Gemeinsamkeit im Südharz gelegt werden, die bisher noch nicht zustande gekommen ist. Ich würde das ausdrücklich empfehlen.

Noch ist Stolberg also nicht verloren, um es mal etwas pathetisch auszudrücken. Ich wünsche den kommunalen Verantwortungsträgern jedenfalls eine glückliche Hand bei ihren anstehenden Entscheidungen.

Mit freundlichen Grüßen