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Beantwortet
Autor Matthias Kreutzer am 28. Januar 2011
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Kultur und Bildung

Bildungsreformen - Jetzt!

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Böhmer,

es wird oft über die Bildung in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt geredet. Aber viel geändert hat sich nicht.

Der Bologna-Prozess ist zwar eine gute Idee die Vergleichbarkeit und Vereinheitlichung von Universitätsabschlüssen Europaweit zu verbessern. Doch dies nutzt nichts wenn die Studenten in Deutschland sogar in den einzelnen Ländern Probleme haben ihre Leistungen anerkannt zu bekommen. Diese Probleme gibt es auch zwischen Halle und Magdeburg. Doch warum?
Warum wird an allen Hochschulen unterschiedlich gelehrt? Warum überprüft man die Dozenten an den Hochschulen nicht auf Qualität der Lehre?

Man redet von Lehrermangel und von unqualifizierten Lehrern. Doch In der Universität werden die angehenden Lehrer und Lehrerinnen (besonders Lehrämter auf Sekundarschule und Gymnasium) mit fachlicher Theorie wissenschaftlich ausgebildet. Die wichtigen berufsvorbereitenden Fächer kommen viel zu kurz. Ich selber studiere auf Lehramt im 3.Semester und fühle mich nicht wirklich vorbereitet auf meinen zukünftlichen Beruf. Auch der weitere Verlauf des Studiums wird mich dahingehend nicht beruhigen.
Doch warum werden Lehrer zu Wissenschaftlern ausgebildet und nicht zu Pädagogen? Dies verlangt schließlich der Beruf des Lehrers.

Der Europakurs und die Globalisierung findet in vielen Bereichen unseres Lebens statt, doch besonders in der Bildung wird dezentralisiert in den einzelnen Ländern gearbeitet. Dadurch fehlt die Vergleichbarkeit zwischen den Ländern und es fehlt dadurch Chancengleicheit, da ein Schüler aus Bayern "mehr Wert" hat als ein Schüler aus Sachsen-Anhalt und dadurch eher an einer Universität oder von einer Firma genommen wird. Anstatt mehr zu vereinheitlichen beharren die Länder auf ihre Bildungssouveränität. Dies Stellt mir die Frage warum? Was geht den Länder verloren, wenn alle Länder am gleichen Strang ziehen und die Bildung auf Bundesebene geregelt wird?

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Antwort
von Prof. Dr. Wolfgang Böhmer am 12. April 2011
Prof. Dr. Wolfgang Böhmer

Sehr geehrter Herr Kreutzer,

mit dem Bologna-Prozess soll ein gemeinsamer europäischen Hochschulraum geschaffen werden, der in einer globalen Welt gegenüber anderen Kultur- und Wirtschaftsräumen konkurrenzfähig ist. Voraussetzungen für Mobilität sind dabei Transparenz und Anerkennung. Viele Maßnahmen der Studienreform gelten diesen Zielen. Auch die Hochschulen Sachsen-Anhalts sind in mehrfacher Weise zur Anerkennung von an anderen Hochschulen erbrachten Studien- und Prüfungsleistungen, soweit sie einander entsprechen, über die Gestaltung der Prüfungsordnungen verpflichtet. Das Hochschulgesetz (HSG) regelt die Anerkennung in § 13 Abs. 3 HSG LSA.

Darüber hinaus ist auch nach den ländergemeinsamen Strukturvorgaben der Länder die wechselseitige Anerkennung von Modulen bei Hochschul- und Studiengangswechsel mit handhabbaren Regelungen in den Studien- und Prüfungsordnungen zu verankern und in der Akkreditierung zu bestätigen. Sie beruht auf der Qualität akkreditierter Studiengänge und der Leistungsfähigkeit staatlicher oder akkreditierter nicht staatlicher Hochschulen im Hinblick auf die erworbenen Kompetenzen der Studierenden (Lernergebnisse) entsprechend den Regelungen der Lissabon-Konvention (Art. III). Demzufolge ist die Anerkennung zu erteilen, sofern keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der erworbenen Kompetenzen bestehen (Art. V).

Anerkennungsprobleme zwischen den Universitäten Halle und Magdeburg sind dem Kultusministerium nicht bekannt. Hierzu müsste zunächst eine Stellungnahme der Hochschulen eingeholt werden, wobei eine genaue Kenntnis, in welchen Bereichen diese Probleme auftreten, hilfreich wäre. Sollten Sie eine entsprechende Aufklärung wünschen, sollten Sie sich direkt an die Hochschule(n) wenden.

Zu Ihren weiteren Einschätzungen möchte ich wie folgt Stellung nehmen:

Die grundgesetzlich geschützte Freiheit von Forschung ermöglicht Vielfalt und Fortschritt in der Wissenschaft. Es ist weder Ziel des Bologna-Prozesses, noch entspricht es dem Wesen der Wissenschaftsfreiheit, eine einheitliche Lehre oder einheitliche Lehrpläne anzustreben. Einheitliche Lehrpläne sind ein Charakteristikum der Schulbildung, nicht aber der Hochschulbildung.

In der bildungspolitischen Diskussion und in der Entwicklung des Hochschulsystems gewinnt die Qualität der Lehre immer mehr an Bedeutung. Bund und Länder starten gegenwärtig ein zwei Milliarden Euro umfassendes Programm zur Förderung der Qualität der Lehre in Deutschland. An diesem Programm sind beteiligen sich auch die Hochschulen Sachsen-Anhalts. Ziel des Programms ist u.a. auch die Verbesserung der Hochschuldidaktik.

Das Lehramtsstudium ist komplex strukturiert. Es umfasst fachwissenschaftliche, pädagogische, psychologische, fachdidaktische und praxisreflektierende Komponenten. Diese Struktur folgt in ihrer jeweils differenzierten Ausprägung den Anforderungen an das Berufsbild der Lehrkräfte in den einzelnen Schulformen. Sie gewährt die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Lehre und Forschung für die Wissenschaftler an der Universität und fügt sich zugleich in einen zwischen den Bundesländern vereinbarten Rahmen ein, so dass die Gleichwertigkeit aller Hochschul- und Staatsexamensabschlüsse in der Lehrerbildung für die jeweilige Schulform garantiert ist.

Für die Bildungswissenschaften wird dieser Rahmen konstituiert durch die „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften“ (Beschluss der KMK vom 16. 12. 2004 http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschlue...). Auch in Sachsen-Anhalt bewegt sich der Anteil der pädagogischen, psychologischen und praxisbezogenen Studienmodule des Lehramtsstudiums ausweislich der Prüfungsordnungen und Modulhandbücher in diesem zwischen den Ländern vereinbarten Rahmen.

Auch für das Studium der Fachwissenschaften als Bestandteil der Lehrerbildung gelten zwischen den Ländern vereinbarte Standards, die regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden: „Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ (Beschluss der KMK, zuletzt vom 16. 10. 2010 http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschlue...). Die Einhaltung dieser Standards wird in den Universitäten durch Evaluierungen und durch Akkreditierungsverfahren, an denen Vertreter des Landes beteiligt werden, überprüft.

Parallel zu der länderübergreifenden Verabredung gemeinsamer Standards in der Lehrerbildung wurde auch die Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse selbst in den vergangenen Jahren erhöht. In allen Ländern sind Vergleichstests und zentrale Prüfungsanforderungen etabliert worden. Einige Länder haben Initiativen zur Einführung gemeinsamer Prüfungsaufgabenpools unternommen, darunter auch Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig sind auf breiter Front Bemühungen im Gang, die Eigenverantwortung und die fachliche und pädagogische Profilierung der Schulen zu stärken. Aus diesem Grunde ist die Setzung gemeinsamer Rahmenvorgaben sinnvoll, nicht aber die Zentralisierung oder Vereinheitlichung der konkreten Bildungsvorgänge.

Ich hoffe, dass ich mit diesen ausführlichen Erläuterungen zumindest ein wenig Ihre Skepsis gegenüber unserem Bildungs- und Hochschulsystem abbauen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Wolfgang Böhmer