Sehr geehrter Herr Kloo,
in der Tat ist es richtig, dass maßvolle Schwankungen des Eurokurses kein Anlass zur Besorgnis sind, solange sie der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung im Währungsraum entsprechen.
Die griechische Schuldenkrise hat die Europäische Union unbestreitbar vor die größte Herausforderung seit Einführung des Euros gestellt und erheblichen politischen Reformbedarf innerhalb der Währungsunion offen gelegt.
Der Internationale Währungsfonds und die EU haben mit dem Rettungsschirm für den Euro und Griechenland ein wichtiges Signal der Entschlossenheit gegeben, den Euro gegen spekulative Übertreibungen zu verteidigen. Die Eurostaaten dürfen jetzt aber auf keinen Fall bei dem Milliarden schweren Hilfspaket stehen bleiben.
Europa braucht eine verbindliche und dauerhafte Handlungsstrategie, die künftig solche Situationen, wie wir sie gerade in der EU erleben, verhindert. Das Motto in ganz Europa muss heißen: Raus aus den Schulden! Die jüngste Entscheidung der G 20 auf dem Gipfel in Toronto, ihre Haushaltsdefizite bis zum Jahr 2013 möglichst zu halbieren, ist ein Signal in die richtige Richtung.
Vor allem müssen die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts wirksam geschärft werden. Jetzt gilt es Nägel mit Köpfen zu machen. Die Sperrung von Fördermitteln für Mitgliedsstaaten, die durch übermäßige Defizite die ganze Eurozone gefährden, automatische Sanktionen, die Suspendierung von Stimmrechten – all das gehört auf die Tagesordnung und muss jetzt umgesetzt werden.
Die Währungsunion darf sich nicht sukzessive in eine Transferunion wandeln. Die Errichtung eines permanenten Krisenbewältigungsmechanismus als Schritt in diese Richtung wird deshalb abgelehnt. Dagegen müssen Optionen geprüft werden, wie notfalls eine Staatsinsolvenz für Euro-Mitgliedstaaten unter Einbeziehung der Gläubiger (z. B. durch einen Forderungsverzicht oder einen Rangrücktritt) geregelt werden kann bzw. ein Staat als Ultima Ratio aus der Währungsunion ausgeschlossen werden kann.
Hier liegen noch große Aufgaben vor uns. Gleichwohl verdienen die von Griechenland und anderen Staaten beschlossenen Reformpakete Respekt. Die positiven Auswirkungen auf Wachstum und Staatsfinanzen könnten durchaus größer sein als viele heute erwarten.
Über die Schärfung des Stabilitätspakts hinaus müssen wir dafür Sorge tragen, dass die nun schon lange diskutierten Verschärfungen der internationalen Finanzmarktregeln endlich umgesetzt werden. Dazu zählen die Regulierung von Ratingagenturen, die Schaffung einer unabhängigen europäischen Ratingagentur, eine verbesserte Bankenaufsicht in Europa und sicherlich auch ein Verbot der gefährlichsten Spekulationsinstrumente wie der rein spekulative Handel mit Kreditausfallversicherungen und ungedeckte Leerverkäufe. Außerdem werden wir alles tun, damit die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gewahrt bleibt.
Nachdem sich der G20-Gipfel in Toronto nicht auf ein gemeinsames Vorgehen bei den Themen Bankenabgabe und Besteuerung von Finanzmarktaktivitäten verständigen konnte, brauchen wir jetzt eine offensive europäische Lösung. Europa muss jetzt bei Bankenabgabe und Finanzmarkttransaktionssteuer seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Dass eine wirksame Beteiligung des Finanzsektors an den Lasten und Folgen der weltweiten Finanzkrise global zunächst nicht durchsetzbar ist, darf nicht zu europäischer Tatenlosigkeit führen. Deutschland und Frankreich haben angekündigt, nunmehr auf eine europäische Lösung hinzuwirken. Europa kann und muss bei diesem Thema eine weltweite Führungsrolle übernehmen.
Mit freundlichen Grüßen