Sehr geehrter Herr Hansen,
die von Ihnen angesprochene Frakturschrift – die es übrigens in zahlreichen Abwandlungen gibt – wird irrtümlich immer wieder mit der Zeit des Naziregimes in Verbindung gebracht. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Schrift, die sich im 15. Jahrhundert, besonders zur Zeit der Reformation, im Buchdruck durchsetzte. Damit wurden die Antiquaschriften abgelöst, die in den bis dahin meist lateinisch geschriebenen Werken vorherrschten. Daher rührt wohl auch die Einschätzung der Fraktur als „deutsche“ Schrift.
Ein Erlass des NS-Regimes aus dem Jahr 1941 erklärte sogar die Antiqua als „Normalschrift“ und die Fraktur galt nun als „offiziell unerwünscht“. NSDAP-treue Zeitungen und Verlage gingen schnell zum durchgehenden Gebrauch der lateinischen Schrift über. Der Duden erschien 1941 letztmalig in Fraktur. Nach 1945 wurden viele Bücher wieder in Fraktur gedruckt; wie die Werke von Hermann Hesse oder Theodor Storm. Sicher haben sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten modernere, schnörkellosere Schriften durchgesetzt, das ändert nichts an der Existenzberechtigung solch alter Schriften.
Was die von Ihnen angesprochenen Schilder mit den Bahnhofsnamen betrifft - auch hier denke ich, muss man von Fall zu Fall entscheiden. Neue Bahnhöfe sollten fraglos auch modern ausgeschildert werden. Aber: Solchen ‚alten’ Stationen an historischem Ort - wie zum Beispiel den U-Bahn-Höfen Klosterstraße oder Märkisches Museum - stehen die alten Schriftbilder doch nicht schlecht zu Gesicht. Zumal - wie gesagt - diese Schrift nicht mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus gleichzusetzen ist. Und zum anderen müssen wir – wie Sie wissen – in Berlin besonders gut haushalten, um die horrenden Schulden abzubauen. Überall neue Schilder halte ich auch aus dem Grund für nicht sinnvoll.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Wolf
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