Sehr geehrter Herr Trappert,
vielen Dank für Ihre sehr interessante Frage, die ich in Hinblick auf die Lage in Berlin beantworte.
Sie haben völlig Recht, Berlin ist eine sehr attraktive Stadt, auch für viele Fachkräfte aus dem Ausland. Dazu kommt, dass wir aufgrund der hervorragenden Hochschul- und Fachhochschulausstattung über ein hohes Potenzial an jungen Absolventinnen und Absolventen verfügen, die ein großes Interesse haben, in der Stadt ihr Berufsleben zu beginnen.
Dennoch kommt es auch in Berlin in bestimmten Sektoren vor - in der Öffentlichkeit werden hier immer der Ingenieur- und der IT-Bereich genannt -, dass die Anforderungsprofile freier Stellen und das Qualifikationsprofile von Arbeitssuchenden nicht zusammenpassen.
An diesem Punkt wird m. E. deutlich, dass sowohl die Politik als auch die Wirtschaft dafür verantwortlich sind, das Problem gemeinsam zu lösen.
Auf politischer Ebene sehe ich vor allem Möglichkeiten zur besseren Ausschöpfung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials. Beispielsweise ist in Deutschland und auch in Berlin das „Zweitverdienermodell“ noch immer stark ausgeprägt. Dies drückt sich in einer hohen Teilzeitquote von Frauen aus. Hier müssen fehlleitende steuerliche Anreizstrukturen und betriebliche Arbeitsplatzgestaltung verändert werden. Es bedeutet eine Verschwendung von wirtschaftlichen und humanen Ressourcen, wenn gut ausgebildete Frauen keine qualitativ angemessenen Arbeitsplätze bei der Rückkehr aus der Familienphase erhalten oder noch immer für gleiche Arbeit keine gleiche Entlohnung erhalten.
Darüber hinaus sollte meiner Meinung nach verstärkt auf ältere Arbeitskräfte zurückgegriffen werden. Hier haben wir in Berlin das Modellprojekt job motion gestartet. Im Rahmen dieses Projektes, das vom Dezember 2006 bis März 2008 durch das Land Berlin mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds und mit Unterstützung der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte durchgeführt wird, können Arbeitsuchende aller Branchen und Berufsbilder ab dem 50. Lebensjahr, die bis zu 6 Monaten ohne Beschäftigung sind, auf ein ihrer individuellen Situation angepasstes Beratungs- und Unterstützungsangebot zurückgreifen. Das Angebot umfasst neben einer ausführlichen Einzelberatung die Analyse ihrer fachlichen und persönlichen Situation und ihrer beruflichen Möglichkeiten und Alternativen, eine Auswahl aus verschiedenen Angeboten der beruflichen Weiterbildung, eine professionelle Bewerbungsinfrastruktur sowie eine aktive schulungsbegleitende Vermittlungsunterstützung. Ergänzend dazu werden eine Erhebung zur Identifizierung von Beschäftigungsmodellen berufserfahrener Beschäftigter in Berliner Klein- und Mittelbetrieben, Beratungen von Unternehmen zu Fördermöglichkeiten bei der Einstellung und Qualifizierung sowie Veranstaltungen zur Sensibilisierung von Unternehmen und Öffentlichkeit durchgeführt.
Nicht zuletzt ist es die Aufgabe der staatlichen Einrichtungen und der Wirtschaftsverbände, verstärkt auf die Unternehmen einzuwirken, damit diese ihre Personalpolitik und Formen der Personalausbildung und -entwicklung der Situation anpassen. Arbeitgeber dürfen m. E. nicht aus ihrer Verantwortung zur Ausbildung entlassen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Wolf
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