Sehr geehrter Herr Hansen,
sprachlich sind die Bezeichnungen Grundgesetz und Verfassung nahezu gleichbedeutend. Dass unsere Verfassung Grundgesetz heißt – und eben nicht Verfassung, ist unserer Geschichte geschuldet. Als Deutschland nach der Kapitulation 1945 geteilt war, sollte die Verfassung für den freien westlichen Teil nicht den Eindruck erwecken, dass sie eine endgültige wäre, die die Teilung festschreibt. Der Begriff Grundgesetz wurde gewählt, um den provisorischen Charakter der Bundesrepublik in Gestalt des früheren Westdeutschlands zu dokumentieren. In einem eigenen Artikel 146 wurde deswegen sogar ausdrücklich festgelegt, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit verliert, sobald eine vom gesamten deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung vorliegt.
Dieser Artikel hat allerdings nach dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik Deutschland 1990 nicht mehr die Bedeutung, die er einmal hatte. Artikel 146 in seiner neuen Fassung bringt mit der Feststellung, dass das Grundgesetz nach der Vollendung der Freiheit und Einigkeit Deutschlands „für das gesamte deutsche Volk gilt“, vielmehr zum Ausdruck, dass das Grundgesetz als gesamtdeutsche Verfassung nicht mehr nur übergangsweise gelten soll. Gewiss war das Grundgesetz ursprünglich provisorisch gemeint, aber heute ist es die unbestrittene Grundlage der politischen Selbstverwirklichung der Deutschen im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.
Darüber hinaus ist das Grundgesetz nach Ansicht von Bundestagspräsident Dr. Lammert auch ein Beispiel dafür, wie sich ein Land mit einer modernen Verfassung eine demokratische Zukunftsperspektive eröffnen kann. Zu den verfassungsrechtlichen Innovationen gehören insbesondere der absolute Schutz der Menschenwürde und die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts mit seiner besonders starken Stellung. Das Grundgesetz war und ist auch ein Vorbild für andere Staaten.
Mit freundlichen Grüßen