Sehr geehrte Frau Thomas,
es freut mich zunächst wieder von Ihnen zu lesen. Mit gewohnt spitzer Feder… Auch ich will versuchen, wieder präzise und umfassend zu antworten. Zur Sache: Auch wenn sich der Spruch der Karlsruher Richter auf eine Regelung des bayerischen Kommunalabgabengesetzes bezieht, wird der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts an den dortigen Gesetzgeber auch im Land Brandenburg sehr ernst genommen. So soll auf Vorschlag von Innenminister Dietmar Woidke unser Kommunalabgabengesetz so ergänzt werden, dass eine Beitragsfestsetzung nicht unbegrenzt nach Eintritt der so genannten Vorteilslage möglich ist.
Ich will Ihnen aber kurz schildern, zwischen welchen verschiedenen und widerstreitenden Interessen der Gesetzgeber hierbei abzuwägen hat. Auch um Ihnen die Schwierigkeiten zu verdeutlichen, zu einer für alle Seiten akzeptablen und fairen Lösung zu kommen. Da ist zunächst das Interesse der Allgemeinheit an der gesicherten Finanzierung von Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge und einer gleichmäßigen Abgabenerhebung. Dies würde für einen möglichst langen Zeitraum sprechen, in dem der so genannte Vorteilsausgleich stattfinden sollte. Zugleich gilt das Interesse des einzelnen Beitragsschuldners, der verständlicherweise Sicherheit darüber haben will, wann er nicht mehr mit einer Inanspruchnahme zu rechnen hat. Dieses Argument spricht ganz klar dafür, einen „Schlusspunkt“ zu regeln. Und dann haben wir noch das Interesse anderer Abgabenschuldner: Mieter wollen beispielsweise die Gebühren möglichst gering halten. Grundstückseigentümer, die bereits ihren Beitrag zur Wasser- oder Abwasseranlage gezahlt haben, sind an einer Gleichbehandlung aller Eigentümer interessiert. Für diese Interessen anderer Abgabenschuldner ist wiederum eine möglichst vollständige Beitragserhebung nötig, die durch eine zu kurze zeitliche Obergrenze gefährdet werden würde. Sie sehen, sehr geehrte Frau Thomas, die Gemengelage ist extrem komplex und es ist sehr schwer, einen guten Kompromiss zwischen all diesen Interessen auszuloten. Dennoch können Sie sicher sein, der Landesregierung ist sehr daran gelegen, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen.
Sie sprechen sich in Ihrer Wortmeldung zudem für einen Systemwechsel aus – weg von Anschlussbeiträgen hin zu einer reinen Gebührenfinanzierung. Dazu klipp und klar: diese Möglichkeit ist nach unserem Kommunalabgabengesetz bereits gegeben. Den Gemeinden und Zweckverbänden ist es nach dem Gesetz nämlich frei gestellt, die Investitionen vollständig durch Gebühren zu refinanzieren und auf Beiträge zu verzichten. Das Gesetz enthält keine Verpflichtung, Beiträge zu erheben. Grundsätzlich ist auch eine reine Gebührenfinanzierung, wie sie in einigen Brandenburger Städten praktiziert wird, möglich. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass bei einer Umstellung auf reine Gebührenfinanzierung eine Entlastung der bisherigen Beitragszahler und eine zusätzliche Belastung der Gebührenzahler erforderlich werden. Das hat im Übrigen auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einem Urteil vom 6. Juni 2007 festgestellt.
Und in einem Punkt hatten Sie natürlich recht. Ich werde auch in dieser Antwort das Recht der kommunalen Selbstverwaltung hochhalten. Die Gemeinden sollen selbst entscheiden, ob sie – auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung – privatrechtliche Entgelte verlangen oder ob sie öffentlich-rechtliche Abgaben erheben. Entscheiden sie sich für Abgaben, haben sie wie gesagt grundsätzlich die Wahl, ob sie die bisherigen und zukünftige Investitionen über einmalige Beiträge refinanzieren oder ob dieser Aufwand bei den Abwasser- und Wassergebühren berücksichtigt wird. Sehr verbreitet ist das Modell, dass ein Teil des Investitionsaufwandes über Beiträge und der andere Anteil über Gebühren finanziert werden. Grundsätzlich gilt: Werden Beiträge erhoben, sind diese einmaligen Zahlungen der Eigentümer bei der Gebührenkalkulation für die Mieter zu berücksichtigen. Zu gut Deutsch: Beitragserhebungen wirken sich günstig auf die Gebührenhöhe aus. Entscheidet sich die Gemeinde für eine Mischfinanzierung, werden die laufenden Ausgaben und ein Teil der Investitionen durch jährliche Gebühren finanziert und der verbleibende Teil der Investitionskosten durch einmalige Beiträge. Nach all dem Gesagten hält die Landesregierung die teilweise Beitragsfinanzierung für ein sinnvolles Finanzierungsmodell, das den Kommunen weiterhin zur Verfügung stehen sollte. Denn die teilweise Erhebung von Beiträgen ermöglicht es den Kommunen, einerseits niedrige Wasser- oder Abwassergebühren anzubieten und andererseits die Lasten gerecht zwischen Eigentümern sowie Mietern bzw. Nutzern zu verteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Platzeck
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