Sehr geehrter Herr Ganjageorge,
Ihre Besorgnis um die Honigbiene kann ich nachvollziehen, ich bin mir der herausragenden Bedeutung der Honigbiene als Bestäuberinsekt und Indikator für unsere Ökosysteme und unsere Lebensmittelerzeugung bewusst. Für mich ist klar, dass Pflanzenschutzmittel nur dann zugelassen werden können, wenn ihre Wirkung auf Bienen umfassend untersucht ist.
Deshalb ist vor jeder Zulassung eines Pflanzenschutzmittels eine umfassende Prüfung möglicher Bienengefährdungen vorgeschrieben. In der Tat sind die von Ihnen genannten Pflanzenschutzmittelwirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide für Bienen sehr giftig.
Bei der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels müssen aber nicht nur die Stoffeigenschaften des Pflanzenschutzmittels selbst, sondern auch die Auswirkungen auf Bienen bei der bestimmungsgemäßen und sachgerechten Anwendung des Pflanzenschutzmittels überprüft werden. Sie hängen von vielen verschiedenen Faktoren ab: wie viel Pflanzenschutzmittel wird verwendet, wann wird das Mittel angewendet und an welchen Pflanzen, in welcher Form wird das Mittel eingesetzt, usw..
Einen "angeblich bienengefährlichen" Pflanzenschutzmittelwirkstoff zu verbieten, obwohl Bienen bei sachgemäßer Anwendung mit dem Pflanzenschutzmittel gar nicht in Kontakt kommen oder zumindest nicht geschädigt werden, wäre deshalb weder fachlich noch rechtlich vertretbar.
Der Grund des von Ihnen angesprochene Bienensterbens im Rheintal im Frühjahr 2008 konnte aufgeklärt werden. Ursache war der Abrieb eines Clothianidin-haltigen Pflanzenschutzmittels, das wegen einer minderwertigen Beizung unzureichend an dem Maissaatgut haftete. Das für Pflanzenschutzmittelzulassungen zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ordnete unmittelbar das Ruhen der Zulassung aller Neonicotinoid-haltigen Maisbeizmittel an. Die Einfuhr, das Inverkehrbringen und die Aussaat entsprechenden Maissaatgutes wurden durch eine Verordnung verboten. Das Ruhen der Zulassungen von Neonicotinoid-haltigen Saatgutbehandlungsmitteln für den Mais wird aus Vorsorgegründen bis heute aufrecht erhalten.
Für Kulturen wie Raps oder Zuckerrüben bestehen weiterhin Zulassungen Neonicotinoid-haltiger Saatgutbehandlungsmittel, da ein dem Mais vergleichbarer Staubabrieb ausgeschlossen werden kann. Bisher sind den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder keine Bienenschäden durch die Aussaat von Raps- oder Zuckerrübensaatgut bekannt geworden. Auch das seit über fünf Jahren deutschlandweit durchgeführte Bienenmonitoring erbrachte keine Hinweise, die einen Zusammenhang zwischen dem allgemeinen Bienensterben und Neonicotinoid-haltigen Pflanzenschutzmitteln aufzeigen.
Trotzdem beobachte ich die periodisch auftretenden hohen Völkerverluste und Bienenschäden mit großer Sorge, denn nicht nur für die Imker, sondern auch für die Landwirtschaft, vor allem auch für den Obst- und Gartenbau, sind gesunde Bienen die Voraussetzung für ertragreiche Ernten, aber auch für Pflanzen- und Artenvielfalt in der Landschaft.
Um hier weitere Verbesserungen zu erzielen, habe ich in Zusammenarbeit mit den Imkern eine Reihe von Maßnahmen initiiert. Seit 2008 unterstützt mein Haus mit einem Fördervolumen von 6,3 Mio. Euro zahlreiche Forschungsprojekte zum Thema "Bienenhaltung und Bienengesundheit". In den zu meinem Ministerium gehörenden Forschungseinrichtungen wurden zusätzlich zahlreiche Forschungsprojekte in Angriff genommen, die z. B. das Thema Bienengesundheit und Pflanzenschutzmitteleinsatz betreffen.
Ich bin auch dem Wunsch der Imker nachgekommen, das deutsche Bienenmonitoring zu 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren, um dessen Unabhängigkeit sicher zu stellen. Hierfür stellt das BMELV jährlich 400.000 Euro zur Verfügung. Auch die Fördermaßnahmen für Blühflächen im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen tragen zum Wohlergehen unserer Bienen bei.
Ich hoffe sehr, dass dieses umfassende Maßnahmenpaket dazu beitragen wird, die Gesundheit und die Lebensbedingungen der Bienen nachhaltig zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Bundesministerin