Liebe Leserinnen und Leser,

auf dieser Website konnten Sie bis Mai 2015 eigene Beiträge zum Thema “Energiepolitik für Brandenburg” einstellen.

Auf seiner Website wird das Ministerium für Wirtschaft und Energie weiterhin über wirtschafts- und energiepolitische Themen informieren. Dort finden Sie auch eine Übersicht von Fragen und Antworten zur Energiestrategie 2030.

Ihre weiteren Fragen und Anregungen nehmen wir gerne über die Adresse energiedialog@mwe.brandenburg.de entgegen.

Beantwortet
Autor Evelyn Hoffmann am 12. November 2012
12371 Leser · 31 Stimmen (-3 / +28) · 0 Kommentare

Windenergie

Wieviel Infraschall geht von Windrädern aus und welche gesundheitlichen Gefahren drohen?

Sehr geehrtes Team,
wieviel Infraschall geht von einem modernen 200m-hohen Windrad aus?
Infraschall hat die gleiche Frequenz wie unser Gehirn. Welche Auswirkungen gibt es?
Einen Schutz vor Infaschall gibt es nicht!
In den 1980-er-Jahren wurde eine Messung zum Infraschall an einem 70m-hohen Windrad durchgeführt. Die Frage war, ob es zu akuten und unmittelbaren gesundheitlichen Schäden kommt. Da niemand an Ort+Stelle verstarb oder schwer erkrankte, wurden Windräder für unbedenklich ausgewiesen. 2004 bezog sich eine Ärztekommission auf dieses Gutachten und erteilte ebenfalls eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Mittlerweile geht es aber nicht mehr um einzelne 70m-hohe sondern um bis zu hunderten an einer Stelle stehenden 200m-hohen Windrädern.
Auf der Nauener Platte mit über 170 Windrädern wurden offiziell Messungen zum Infraschall durchgeführt. Das Ergebnis war so schockierend, dass man wohl sofort die Nauener Platte hätte abschalten müssen. Dies ist nicht geschehen. Begründung: man wisse ja nicht, wieviel Infraschall von den umliegenden Straßen ausgehen würde, vielleicht seien es nicht ursächlich die Windräder.
Warum gibt es kein offizielles, anerkanntes Gutachten zum Infraschall an mehreren (z.B. 40) 150-200m-hohen Windrädern? Das fordert auch das Max-Planck-Institut!
Festgestellt wurde, dass Infraschall u.a. zu Bluthochdruck, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Depressionen bis hin zu Lymphdrüsenkrebs führen kann.
Mit der Bitte um Klärung
Evelyn Hoffmann

+25

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Antwort
von Dr. Günter Hälsig am 11. Dezember 2012
Dr. Günter Hälsig

Sehr geehrte Frau Hoffmann,

der Schutz des Menschen in der Nachbarschaft von technischen Anlagen wird durch immissionsschutzrechtliche Vorgaben sichergestellt. Dieser Schutz setzt weit unterhalb von gesundheitlichen Gefährdungen an. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gilt es erhebliche Belästigungen auszuschließen. Die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA Lärm) legt Anforderungen fest, die der Vermeidung und Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche dienen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie die TA Lärm finden Sie unter folgendem Link: http://www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/gesetze.html

Prinzipiell kann Infraschall im Frequenzbereich unterhalb des Hörschalls (16/20 Hz bis 20 kHz) vom Menschen wahrgenommen werden. Allerdings sind hierzu sehr hohe Pegel erforderlich. Neben natürlichen Quellen wird Infraschall unter anderem auch durch großtechnische Anlagen wie Windenergieanlagen (WEA) erzeugt. Genaue Messungen des Infraschalls gestalten sich insbe- sondere an WEA schwierig, da die störenden Windgeräusche separiert werden müssen. Vorhandene Untersuchungsergebnisse belegen aber, dass schon im Nahbereich von WEA der Infraschallanteil deutlich unterhalb der normalen Wahrnehmungsschwelle liegt. Das menschliche Gehirn kann durch Hörschall, wie z.B. durch Musik, be- einflusst werden. Negative Auswirkungen von Infraschall sind aber nach heutigem Kenntnisstand in der Umgebung von WEA nicht zu erwarten.

Auch für Infraschall gelten die üblichen akustischen Gesetzmäßigkeiten. Bedingt durch die große Wellenlänge von Infraschall gibt es allerdings Besonderheiten, die einen Schutz schwieriger gestalten. Die effektivste Maßnahme ist eine ausreichende Entfernung zur Quelle. Der Dachverband der Deutschen Natur- und Umweltschutzverbände hat in einer Studie von 2005 festgestellt, dass von Infraschall keine Gefährdung oder Belästigung ausgeht. Die Studie bezog sich auf Abstände von WEA zu Wohn- gebieten von durchschnittlich 500m. Im September 2011 wurden diese Ergeb- nisse in einer weiteren Studie bestätigt: „Alle derzeit vorliegenden Infraschall- messungen zeigen übereinstimmend, dass der Infraschall von WEA auch im Nahbereich der Anlagen (100-250m Entfernung) deutlich unterhalb der menschlichen Hörschwelle und damit auch deutlich unterhalb der Wirkschwelle liegt.“

In Ihren Ausführungen zur Nauener Platte beziehen Sie sich vermutlich auf Aussagen über die Wirkung von Windrädern aus dem schalltechnischen Bericht „Tieffrequente Schallimmissionen von Windenergieanlagen“ der Firma acouplan von 2007. Diesem Bericht ist aber gerade zu entnehmen, dass an dem gewählten Mess-Ort aufgrund der überaus deutlichen Unterschreitung der Hörschwellenwerte keine besondere tieffrequente bzw. Infraschallbelastung (einschließlich Wind- und Straßengeräuschen) vorliegt.

Ich gehe davon aus, dass Sie sich mit Ihrem Verweis auf das Max-Planck-Institut auf eine Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts zu Infraschall und tieffrequentem Schall aus dem Jahr 2007 beziehen. Dieser Bericht benennt einen Mangel an umweltmedizinisch orientierten wissenschaftlichen Studien und sieht hier einen großen Handlungs- und Forschungsbedarf. Dementsprechend hat das Bundesumweltministerium im letzten Jahr eine „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“ in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse allerdings erst in einigen Jahren vorliegen werden.

Auch die Fachleute des Landes sind der Auffassung, dass es weiterhin Forschungsbedarf zum Thema Infraschall/ tieffrequenter Schall gibt und die Unterscheidung in individuelle und nominale Wahrnehmung mehr Gewicht bekommen sollte. Dies betrifft aber nicht nur Windkraftanlagen, sondern auch alle anderen Lärm verursachenden Quellen aus den Bereichen Industrie und Verkehr.

Mit freundlichem Gruß

Dr. Günter Hälsig Abteilungsleiter Umwelt, Klimaschutz, Nachhaltigkeit Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg