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Beantwortet
Autor Jens Piske am 26. Mai 2016
13924 Leser · 8 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Forderung zur Durchführung von Wahlen in der Ostukraine

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

erneut haben Sie die Ukraine dazu aufgefordert, Kommunalwahlen in der Ostukraine durchzuführen. Dazu folgende Fragen und Fakten:

1. Geschätzte 2 Millionen Menschen aus der Ostukraine leben als Flüchtlinge über die ganze Ukraine verteilt. Wie sollen diese denn ihre Stimme abgeben können?

2. Minsk 2 besteht nicht nur aus der Forderung, Wahlen durchzuführen, sondern auch darin, die Hoheit über die Außengrenze wieder der Ukraine zu übergeben. Um wirklich faire Wahlen durchzuführen, wäre das logischerweise zuerst einzufordern. Und zwar von Russland. Wie steht es damit?

3. Selbst deutsche Medien berichten immer öfter über das Terrorregime in der Ostukraine, über Folter, Bandenkriminalität, usw. Überwiegend ausgeführt durch Menschen mit russischem Pass!

4. Deutschland hat den OSZE-Vorsitz. Also wissen Sie ganz klar, wie sich die Russen daran halten. Es gab gestern übrigens wieder 7 Tote und viele Verwundete auf Seiten der Ukraine. Im Anhang ein Video, was tagtäglich im Hinterland der Ukraine passiert. Ich habe das persönlich leider auch miterleben müssen, es zerreißt einem das Herz, auch angesichts der europäischen "Unterstützung"...

Ich frage Sie jetzt ganz direkt: Wie stellen Sie sich das vor? Dieses Beharren auf den Kommunalwahlen trifft in der Ukraine auf keinerlei Verständnis. Und man fragt sich zurecht: Welche Politik verfolgen Sie? Es gibt eindeutige Beweise, dass Russland der Aggressor ist. Glauben Sie wirklich, das wären alles Traktoristen und Schachtarbeiter aus dem Donbas?

Die Ukraine verteidigt hier europäische Werte mit ihrem Blut. Wie sieht es mit Ihrer Verteidigung europäischer Werte aus?

Traurige Grüße aus der Ukraine,
Jens Piske

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 07. Juni 2016
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Piske,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten. Die Minsker Vereinbarungen vom September 2014 und Februar 2015 sind immer wieder kritisiert worden. Darüber gerät zuweilen in Vergessenheit, dass es diese Minsker Vereinbarungen waren, die die Gefahr eines offenen militärischen Konflikts in Osteuropa abgewendet haben. Der Waffenstillstand wird zwar weiterhin gelegentlich gebrochen, aber im Grunde ist er seit vielen Monaten an der sogenannten Kontaktlinie stabil. Gleichwohl gibt es immer wieder Opfer auf beiden Seiten. Jedes Opfer ist eines zu viel. Und dennoch: Im Vergleich zur heißen Phase der Krise ist die Zahl der Opfer deutlich geringer.

Auch die Bundesregierung ist nicht zufrieden mit dem Stand der Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk. Das liegt nicht an mangelndem Einsatz oder Engagement der Vermittler. Bundeskanzlerin Merkel und der französische Staatspräsident Hollande sowie die Außenminister Steinmeier, Fabius und Ayrault haben in den vergangenen anderthalb Jahren viel Zeit und Kraft investiert, um den Konflikt um die Ostukraine zu entschärfen.

Bei ihren Vermittlungsbemühungen in vielen Telefonaten und persönlichen Begegnungen, auch im so genannten Normandie-Format mit ihren russischen und ukrainischen Kollegen, ging es darum, Eskalationen in der Ostukraine abzubauen und die Zahl der Opfer so weit wie möglich zu reduzieren.

Die Minsker Vereinbarungen sind und bleiben die entscheidende Grundlage zur Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse in der Ostukraine. Die zentralen Elemente sind dabei: die vorgesehenen Lokalwahlen, die Schaffung eines sicheren Umfeldes nach OSZE-Standards dafür und die Rückübertragung der Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze auf die ukrainischen Behörden. Die russische und die ukrainische Regierung haben sich gleichermaßen dazu verpflichtet. Die internationale Gemeinschaft unterstützt die Vereinbarungen mit Nachdruck, so am 27. Mai in der Abschlusserklärung des Gipfeltreffens der G7-Staats- und Regierungschefs in Japan.

Die Bundesregierung wird weiterhin, auch als gegenwärtiger Vorsitzstaat der OSZE, auf der Realisierung des Minsker Pakets bestehen. Und sie wird - wie ihre westlichen Partner - an den Sanktionen gegenüber Russland festhalten. Die russische Führung weiß, dass sie es in den Händen hat, daran etwas zu ändern.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (8)Schließen

  1. Autor Jens Schleicher
    am 26. Mai 2016
    1.

    Offen gestanden finde ich den Titel dieses Beitrags etwas irreführend, auch wenn ich soeben dafür gestimmt habe. Es geht ja gerade darum, den Irrsinn dieser Forderung von Minsk 2 aufzuzeigen und sich im Grunde dagegen auszusprechen, dass sie weiter aufrechterhalten wird. Ein Irrsinn übrigens, der einmal mehr zeigt, wie ignorant (sicherlich nicht unwissend) sich vor allem Außenminister Steinmeier gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen zeigt.
    Zur Verdeutlichung: Ginge es um die Unabhängigkeit Kataloniens, könnte man solidarisch von der Regierung in Madrid einfordern, dass die demokratisch durchgeführten Wahlen auch anerkannt werden. Niemand zweifelt daran, dass jeder Katalane so abgestimmt hat, wie er es wollte. Doch im Donbass herrscht eine vom Kreml eingesetzte Marionetten-Regierung, wobei das Wort "Regierung" schon irreführend ist, da die Einwohner der völligen Willkür einiger Herrschender ausgeliefert sind. Da dort eine gesetzesfreie Zone etabliert wurde mit Folterungen, Plünderungen, Entführungen, Vergewaltigungen. Da Hilfslieferungen von außen untersagt wurden. Da "Gehälter", so man es noch so nennen kann, nur nach Lust und Laune ausgezahlt werden. Vor allem aber: Da dort noch immer reguläre russische Soldaten - mit der Unterstützung vom russischen Boden aus abgefeuerter Raketen - gegen die ukrainische Armee kämpft. Kurzum: Da man dort so ziemlich jedes Verbrechen vorfinden kann, mit Sicherheit aber weder Demokratie noch freie Meinungsäußerungen und erst recht nicht die Voraussetzungen für ordnungsgemäße Wahlen. (Die Wahlfarce, die vor 1 1/2 Jahren in den "Volksrepubliken Donezk und Lugansk) abgehalten wurden und bei denen Gesamtstimmen über 100% zusammenkamen war eigentlich schon deutlich genug.)
    Warum also sollte jemand, der nicht wie Moskau das Interesse an einem eingefrorenen Konflikt oder an einem russischen Satelliten wie Transnistrien hat, in einem solchen Gebiet auf die Durchführung von Wahlen drängen? Wahlen, die diesen Namen nicht verdienen, wenn doch nur Moskaus ausgewählte Machthaber zur Verfügung stehen?

  2. Autor Volker Trauth
    am 26. Mai 2016
    2.

    Die Marionetten Moskaus wollen keine Kiewer Parteien zulassen.. Also nur ihre pseudo-demokratischen Erfindungen antreten lassen. Das und das mit Moskauer Vorgaben konforme Bestreben der 'DNR' und 'LNR' hin zu einer Föderalisierung, zusammen mit der Tatsache, daß wie beim Referendum auf der Krim bewaffnete Abenteurer, Söldner und reguläre Russische Soldaten an den Wahlurnen stehen würden, macht dieses Projekt ebenso zur gelenkten Farce wie die Annektierung der Krim per Referendum eines war. Moskau und die Proxies in Lugansk und Donezk wollen den Fuß Moskaus in der Tür auf Dauer etablieren, wenn sie schon nicht durchsetzen können, daß der Donbas sich der RF anschließt. Daher sind Wahlen erst möglich wenn die Russen aus dem Land sind und alle verbliebenen Waffen abgeliefert wurden, Wahlen also zu gleichen Bedingungen wie überall sonst im Land, möglichst unter UN-Aufsicht. Die geflohenen Anteile der Bevölkerung müssen entweder zurückkehren können um teilzunehmen, oder am neuen Wohnort mit ihren Stimmen erfasst werden. Russische Wünsche, sich 'Vorgärten' für geopolitische Spielchen einzurichten, dürfen nicht auf Nachgiebigkeit und Verständnis stoßen, sondern müssen abgewiesen werden. Sonst bleibt es bei 'Vorgärten' für alle Zeiten, mit den Menschen darin als Gartenzwerge, genauer gesagt Geiseln dieser geopolitischen Ansprüche.

  3. Autor Andreas Kurzböck
    am 26. Mai 2016
    3.

    Macht es Sinn den ukrainischen Präsidenten zu Wahlen im Donbass aufzufordern, solange er keinen Einfluss auf die dort regierenden Terrortruppen Putins hat? Diese richten ihm aus das ukrainische Parteien bei ihren Wahlen im Donbass nicht zugelassen sind. Somit kann die verbliebene Bevölkerung lediglich eine Auswahl unter den Terroristen, Söldnern und Verbrechern treffen. Das Gebiet ist geteilt in mindestens 23 Bereiche in denen jeweils andere Gruppen die Lokalmacht ausüben. Unter anderem russische Kosaken, Tschetschenen, geflohene Berkut, ... Alle bezahlt und ausgestattet aus Moskau, unter dem Oberbefehl russischer Generäle, unterstützt durch Truppen des russischen Innenministeriums und des militärischen Geheimdienst Russlands GRU. Und daraus sollen sich nun die Bewohner des Donbass eine Führung wählen? Da wär es doch einfacher den Donbass gleich an Russland zu verschenken.
    Wer unter diesen Umständen von der Ukraine verlangt Wahlen im Donbass zu legitimieren macht gemeinsame Sache mit dem Terroristen Putin.
    Die Lösung besteht nicht in Wahlen sondern in internationalen Schutztruppen im Donbass an der Grenze zu Russland. Dies würde den Terrortruppen den Nachschub abschneiden und den Spuk binnen weniger Monate beenden.

  4. Autor Erhard Jakob
    am 28. Mai 2016
    4.

    Jens,
    .
    in naher Zukunft werden Unruhen und Bürger-Krieg
    auch in Deutschland nicht ausbleiben. Wenn sich
    dann die Russen, Amis und Krim-Tataren
    hier einmischen, wird es auch
    nicht besser!

  5. Autor Wolfgang Riedel
    am 28. Mai 2016
    5.

    Was wird hier für ein Unsinn geschrieben? Die jetzige Regierung in der Ukreine ist eine durch Westmächte inszenierte mit Blut befleckte durch Putsch an die Macht gebrachte Regierung, Ich frage mich woher die Schreiberlinge ihre Informatgionen Haben! Wahrscheinlich aus der dt. Amerika orientierte Presse und den an der Macht befindlichen dt. westlich orientierten Politik, die die unterwanderten öffenlichen Fernsehsendern beeinflussen!! Alle negativen Geschenisse vor und nach dem II. Weltkrieg sind verursacht durch die USA, GB, Frankreich und letztlich auch Deutschland, Wiederholt sich hier die Vorbereitung eines neuen Krieges

  6. Autor Oliver Meineke
    am 29. Mai 2016
    6.

    Naja, die Ukraine hat sich jetzt also auch eine Propaganda-Abteilung fürs Internet angeschafft und läßt Germanistik-Studenten Russland-feindliche Kommentare verfassen und klicken. Mit der gleichen Berechtigung könnte man auch schelten, dass Deutschland und der Westen Russland noch 1990 nie als Partner und immer als Unterlegenen im Kalten Krieg gesehen und gedemütigt haben. Die Ukraine - selbst ein unglücklich zerrissenes Gebilde - ist somit zum Spielball zwischen Großmächten geworden. Russland wird wohl kaum zurückweichen, bevor ihm die Angst genommen wird, dass aus einer westintegrierten und mit den Amerikanern verbündeten Ukraine keine Bedrohung für Moskau selbst erwachsen kann.

  7. Autor Jens Piske
    Kommentar zu Kommentar 5 am 30. Mai 2016
    7.

    Das hat aber lange gedauert, bis hier jemand die USA verantwortlich macht. ;) Ergo waren sie auch am Ende der DDR Schuld? Wolfgang Riedel, haben Sie kein bisschen Empathie für die Menschen in der Ukraine, die einfach die Nase voll haben von einer korrupten Machtelite? So wie damals die Menschen in der DDR? Machen Sie es sich nicht zu einfach, alles auf die USA zu schieben? Übrigens, wohin fliehen denn die Menschen damals und auch heute noch? Nach Russland? Oder doch lieber in den "bösen" Westen? ;)

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