Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Olaf Gerhard am 27. Mai 2009
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Familienpolitik

Beabsichtigte Schließung einer Kita in Angermünde

Sehr geehrter Herr Platzeck,

nach jetzigem Kenntnisstand soll heute auf der Tagesordnung der SVV der Stadt Angermünde die Beschlussfassung zur Schließung einer voll ausgelasteten Kita im Ortsteil der Mürow der Stadt Angermünde stehen. Grund der Schließung soll der festgestellte Schimmelbefall sein, der nach meinem Kenntnisstand zwar festgestellt wurde, jedoch bislang keine verlässlichen und belastbaren Untersuchungen unternommen wurden, welchen Aufwand die nachhaltige Beseitigung des Schimmels verursachen würde.
Ich und auch die anderen Eltern denken, dass es angesichts der Bestrebungen der systemtragenden Parteien, eine qualifizierte Ausweitung der Betreuungsmöglichkeiten bis zum Schuleintritt zu gewährleisten , ein falsches Signal wäre, wenn eine Kommune eine Kita in eigener Trägerschaft schließt, weil letztlich - und das ist das Bittere - Investitionen an der baulichen Hülle über Jahre vernachlässigt wurden, weil die Kita ohnehin nach Bestrebungen der Verwaltung geschlossen werden sollte (vgl. MOZ vom 15.03.2004).
Gute Zeichen der Landesregierung wie Sprachstandsförderung u.Ä. haben ohne Räumlichkeiten keinen Sinn.
Die Verwaltung hält die Sanierung und die zwei Ausweichvarianten für zu teuer. Momentan liegen nach Aussagen der Verwaltung Kostenschätzungen vor, die - gelinde gesagt - ergebnisorientiert erscheinen. So soll ein Anbau, der die Minimalgröße von 3,5 qm/Kind gewährleistet (derzeit sind 3 qm/Kind vorhanden) 250.000 Euro kosten. Die jetzige Kita hat 125 qm. Einfamilienhäuser werden derzeit für 1.000 Euro/qm errichtet. Wir reden über einen Anbau von ca. 20 qm.
Hinzu kommt, dass in dem jetzigen Gebäude das kulturelle Leben des Ortsteils stattfindet (Seniorentreff und Chor). Junge Familien sind in den Ort insbesondere wegen der vorhanden und niveauvollen Kita gezogen. Die Bildungsarbeit, die die Erzieherinnen leisten, verdient höchste Anerkennung. Man spürt, dass sie ihre Arbeit mit Freude machen.
Der ländliche Raum wird durch eine derartige Maßnahme nicht gefördert. Die jungen Familien, die wir alle in den stadtnahen Ortsteilen ansiedeln möchten, um die Lebensqualität zu erhöhen, werden wegbleiben bzw. dort wohnen, wo es noch Kitas im ländlichen Raum gibt.

Ich möchte Sie daher bitten, ohne die Entscheidungsbefugnis der Stadtverordneten in Frage zu stellen, sich insbesondere an den SPD-Bürgermeister zu wenden, ob es nicht Alternativen zur Schließung gibt und ob die Investitionen in unsere Zukunft tatsächlich nicht getätigt werden sollen.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Gerhard

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Antwort
von Matthias Platzeck am 30. Juni 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Gerhard,

ich freue mich darüber, wenn engagierte Bürger die Situation in ihrer
Gemeinde oder ihrer Stadt im Auge behalten, sich informieren und mit
Vorschlägen - und gegebenenfalls auch mit Kritik - die Arbeit der
gewählten Vertreter begleiten. Deshalb danke ich Ihnen für Ihr
Engagement zugunsten der Kindertagesbetreuung in Angermünde.

Ihre Frage ist für mich aber auch Anlass, an einen sehr wichtigen
Grundsatz unserer Verfassung zu erinnern: die kommunale
Selbstverwaltung. Sowohl das Landesparlament als auch die
Landesregierung haben die Autonomie der kommunalen Verwaltungen und
Vertretungen zu achten und können in diese Strukturen nicht willkürlich
eingreifen. So gesehen, sehr geehrter Herr Gerhard, verbietet es sich,
dass ich mich als Ministerpräsident in kommunale Angelegenheiten
einmische oder gar Einfluss nehme.

Nicht nur in meiner Zeit als Oberbürgermeister von Potsdam habe ich die
Erfahrung gemacht, dass Verwaltungen und Gemeindevertreterversammlungen
Entscheidungen verantwortungsvoll vorbereiten und Beschlüsse nicht
leichtfertig gefasst werden. Eine Stadtverordnetenversammlung oder
Gemeindevertretung hat nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle der
Bürger, die sie gewählt hat, Entscheidungen zu treffen. Klar ist, dass
es dabei auch zu Beschlüssen kommen kann, die bei Einzelnen oder
Interessengruppen keine Zustimmung finden. Beschlüsse eines Parlaments
werden mit Mehrheitsentscheidung getroffen. Das sind demokratische
Regeln, und für ein demokratisches Miteinander werbe ich nach wie vor
und insbesondere im Jahr 20 nach dem Mauerfall und der friedlichen
Revolution.

Nach Ihrer Anfrage habe ich mich über die Situation der Kita im Ortsteil
Mürow von Angermünde informiert. Es leuchtet sicher jedem ein, dass
aufgrund des entdeckten Schimmelbefalls im alten Gutshaus gehandelt
werden musste, um die Kinder keiner weiteren Gesundheitsgefährdung
auszusetzen. Die vorübergehende Unterbringung im ehemaligen “Konsum“,
für den die Betriebserlaubnis Ende Juli ausläuft, war zu diesem
Zeitpunkt möglicherweise alternativlos, weil schnell gehandelt werden
musste.

Entscheidend ist aus meiner Sicht jedoch, dass die Stadt für die
Unterbringung ab September den Eltern Angebote unterbreitet hat und die
Kinder gemeinsam mit ihren vertrauten Erzieherinnen in Kitas
nahegelegener anderer Ortsteile unterbringen und eine gute Versorgung
sicher stellen will. Ich weiß, dass solche Entscheidungen Einsicht und
Verständnis abverlangen, wenn diese mit eigenen Vorstellungen nicht
übereinstimmen. Kaum einer Kommune würde es in dieser Situation
gelingen, sofort eine neue Kindertagesstätte zu finanzieren und zu bauen.

Nach meinem Verständnis bedeutet die vorübergehende Auslagerung nicht
automatisch das „Aus“ für den Kita-Standort in Mürow. Soweit ich Sie
verstanden habe, geht es Ihnen, sehr geehrter Herr Gerhard, insbesondere
darum, die Unterbringung der Kita und der kulturellen Initiativen in
Mürow zu erhalten. Eine grundsätzliche Standortentscheidung hat die
Stadtverordnetenversammlung meines Wissens dazu noch nicht getroffen.
Vielmehr will die Stadt prüfen - und da schließe ich Verwaltung und
Parlament mit ein - welche Möglichkeiten es künftig für die
Kinderbetreuung, aber auch für die Unterbringung des von Ihnen
angesprochenen Chores und Seniorentreffs in Mürow geben könnte. Sie,
sehr geehrter Herr Gerhard, haben als Bürger die Möglichkeit, sich an
diesem Findungsprozess aktiv zu beteiligen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren kommunalen Vertretern eine
glückliche Hand