Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Rüdiger Pickert am 01. Juli 2010
8134 Leser · 65 Stimmen (-3 / +62) · 0 Kommentare

Sonstiges

SPD und Bundespräsidentenwahl

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

zu Ihrer Popularität trägt u.a. bei, dass Sie sich nicht ausschließlich von parteitaktischen Erwägungen sondern erkennbar auch vom gesunden Menschenverstand leiten lassen. Deshalb macht es vielleicht Sinn, Sie ganz ernsthaft zu fragen: Haben Ihre Partei und die Grünen nicht eine sichere Chance vertan, den großen Wechsel herbeizuführen? Wäre es denn wirklich - realen Veränderungswillen vorausgesetzt - so unannehmbar gewesen, die Linke v o r der Kandidatenaufstellung zu kontaktieren und einen Minimalkonsens zu Ihrem Wunschkandidaten herbeizuführen? Zumal, wenn dies bislang wohl über Jahrzehnte geübte politische Praxis war?

Nehmen wir nur für einen Moment an, es wäre andersherum gelaufen - man hätte der SPD einen für sie schwer verdaulichen Kandidaten vorgesetzt und nachträglich vehement Zustimmung "um der historischen Verantwortung willen" eingefordert. Glauben Sie, Ihre Partei hätte das akzeptiert?
Könnte es nicht eher sein, dass der Ablauf bewusst kalkuliert war: Ohrfeige für die Kanzlerin, effiziente Diskreditierung der Linken - und kein Risiko, ohne ausreichende Konzepte und geeignetes Personal bei einem Platzen der Koalition in Berlin selbst in die Verantwortung gehen zu müssen?

Mit sehr freundlichen Grüßen
R. Pickert

+59

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Matthias Platzeck am 10. September 2010
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Pickert,

„Was wäre gewesen, wenn…?“ zählt zu den Fragen, über die sich trefflich spekulieren lässt und die deshalb auch so beliebt sind, wie sich jetzt wieder auf meinem Portal direktzu gezeigt hat. Vor allem aber drängen sich derartige Fragen dann auf, wenn etwas nicht so gelaufen ist wie erhofft. Dann überlegt man noch einmal, ob es nicht doch Möglichkeiten gegeben hätte, das gewünschte Ergebnis zu erreichen. So ein Nach-Denken, am besten mit zeitlichem Abstand und innerer Gelassenheit, hat seinen Wert – aber eben auch seine Grenzen, weil es wie gesagt zum Spekulieren verführt. Und dafür bin ich ehrlich gesagt nicht zu haben.

Doch der Reihe nach: Was die Wahl des Bundespräsidenten betrifft, so darf ich Ihnen zunächst versichern, dass sich meine Partei die Entscheidung in der Kandidatenfrage auch diesmal nicht leicht gemacht hat. Sie werden sich erinnern, dass die Frage nach einer Kandidatin oder einem Kandidaten für dieses hohe und besondere Amt schon des Öfteren zu engagierter, ja leidenschaftlicher Diskussion geführt hat, nicht nur bei der SPD. Diesmal waren Regierungs- und Oppositionsparteien gezwungen, nach dem für alle überraschenden Rücktritt von Horst Köhler unter hohem Zeitdruck geeignete Kandidaten zu finden und der Öffentlichkeit vorzustellen. Die Chance, über die Wahl eines neuen Bundespräsidenten, den - wie Sie schreiben - „großen Wechsel herbeizuführen“, habe ich damals nicht gesehen und sehe sie bis heute nicht. Da wurde meiner Meinung nach eine Erwartungshaltung geweckt oder bedient, die unrealistisch war. Das Amt des Bundespräsidenten ist strikt überparteilich angelegt und auszuüben. Das gilt auch für charismatische Persönlichkeiten und ist nach meiner Meinung unabdingbar.

Sie, sehr geehrter Herr Pickert, thematisieren vor allem die Frage, ob SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Chance vertan haben, ihren Kandidaten Joachim Gauck mit Unterstützung der LINKEN zum Bundespräsidenten zu wählen. Ich bin der Meinung, dass die Chance zur Zusammenarbeit in diesem konkreten Fall - wenn überhaupt - so nur theoretisch bestand. Praktisch haben wir von der SPD und auch die Bündnis 90/Die Grünen sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Vertretern der LINKEN gemacht, im Bund, in den Ländern, in verschiedenen politischen Fragen. In Brandenburg haben die Erfahrungen der SPD mit der LINKEN auf der Grundlage der Wahlergebnisse vor einem Jahr zu einer rot-roten Koalitionsregierung geführt. In anderen Konstellationen gestaltet sich die Zusammenarbeit aber auch anders. Hinzu kommt, dass die LINKE selbst keine überzeugende Zustimmung zu unserem Kandidaten Joachim Gauck zustande gebracht hat, bis zuletzt nicht. Ich bin aber mit Ihnen durchaus einer Meinung, dass es oft hilfreich ist, sich in die Rolle des Gegenübers hineinzuversetzen. So ein „Seitenwechsel“ in Gedanken kann zu überraschenden Einsichten verhelfen.

Nun, die Bundespräsidentenwahl ist Geschichte, und die Würfel sind längst gefallen. Ich bin überzeugt, dass Christian Wulff sein Amt sehr gut ausüben wird. Am 09. November 2010 werden wir zu meiner Freude Bundespräsident Wulff zu seinem ersten offiziellen Besuch in Brandenburg begrüßen dürfen.

Mit freundlichem Gruß