Sehr geehrte Frau Ernsting!
Christliche und nichtchristliche Riten können einander in manchen Punkten ähneln. Und doch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Der Christ weiß, dass er durch keine noch so gut gemeinte oder gemachte Praxis sein Heil erlangen kann. Das ist ganz und gar Geschenk Gottes, welches uns der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist macht.
Der Brief an die Hebräer führt uns auf die richtige Spur: „Denn Christus ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen; auch nicht, um sich selbst viele Male zu opfern, (denn er ist nicht) wie der Hohepriester, der jedes Jahr mit fremdem Blut in das Heiligtum hineingeht; sonst hätte er viele Male seit der Erschaffung der Welt leiden müssen. Jetzt aber ist er am Ende der Zeiten ein einziges Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen“ (9,24-26). Die Initiative zu unserer Erlösung geht also nicht von Menschen aus, sondern von Gott: Christus hat die Macht der Sünde ein für allemal gebrochen; was wir in der Eucharistiefeier vollziehen, ist keine Wiederholung oder gar Ergänzung seines Opfers, sondern dessen Vergegenwärtigung.
Wenn wir davon sprechen, dass der Priester die Person Christi, des Hauptes der Kirche, repräsentiert, dann nennen wir damit seine Würde, zugleich aber auch seine Grenzen: Nicht der Priester leistet das Entscheidende, mag er ein noch so glänzender Liturge und Prediger sein, sondern alles kommt von Christus. Das hat einerseits zur Konsequenz, dass der Priester jeden Tag die Nähe des Herrn suchen soll, und ganz besonders da, wo dieser leiblich gegenwärtig ist: in der Eucharistie. Zugleich aber setzt hier vermutlich auch das Problem an: Wir leben in einer Gesellschaft von „Machern“, in der das Bewusstsein schwierig zu ertragen sein mag, dass man als Priester nicht der eigentlich Handelnde ist. Da könnte dann auch die Versuchung Oberhand gewinnen, sich statt der Zelebration anderen Tätigkeiten zuzuwenden, wo man eben selbst mehr „machen“ kann.
Wie viele Geistliche dieser Versuchung tatsächlich erliegen, vermag ich nicht zu beurteilen – aber den von Ihnen beklagten Trend gibt es sicherlich. „Wie kann man diesem entgegenwirken?“ fragen Sie. Das ist schwierig, denn welchen Sinn hätte es, Priester zur Messfeier zu zwingen? Es muss sich schon die Einsicht in die genannten Zusammenhänge durchsetzen. Von den frühesten Anfängen der Priesterausbildung an muss ein solches Bewusstsein gebildet und gefördert werden. Ich hoffe, dazu insofern beizutragen, als ich selber als Bischof aus der täglichen Feier der Eucharistie lebe. Dies empfehle ich auch meinen Priestern ohne jegliche Einschränkung. Dass Gläubige wie Sie sich ebenfalls um die lebendige Bindung der Priester an die Eucharistie sorgen, dürfte einen zusätzlichen Anreiz darstellen. Lassen Sie Ihre Seelsorger also Ihr Anliegen wissen!
Mit freundlichen Grüßen