Sehr geehrter Herr Gallowitz,
Ihre Anfrage hat einen grundsätzlichen und einen sehr konkreten Aspekt. Ich will versuchen, auf beide einzugehen. Bitte verstehen Sie, dass ich in diesem Rahmen einige Fachbegriffe nicht näher erläutern und ein sehr komplexes Problem nur vereinfacht darstellen kann:
1. Mammon und Glaube
Geld und Vermögen unterliegen allem Anschein nach eigenen Gesetzmäßigkeiten. Dazu gehört, dass sie oft das Denken derjenigen beherrschen, die sie besitzen. „Je mehr er hat, je mehr er will“, sagt eine deutsche Redensart.
Davor, dass die Mittel zum Ziel werden, dass das Trachten und Handeln eines Menschen nur noch darauf ausgerichtet ist, den eigenen Besitz zu erhalten und möglichst noch zu vermehren statt ihn für Wichtigeres einzusetzen, warnt das Wort Jesu: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt 6,24). Dieses Wort, auf das Sie sich wahrscheinlich beziehen, gilt auch für die Kirche.
Am Beispiel des hl. Franziskus, der aus einer vermögenden Familie stammte und davon als junger Mensch bedenkenlos profitierte, kann man gut verfolgen, wie er in seinem Leben von Gott aus der damit verbundenen Verfallenheit befreit wurde und schließlich für sich persönlich all dem entsagte. Und doch kann selbst der von ihm gegründete Orden nicht völlig mittellos sein.
Eine mittellose Kirche wäre ohne Zweifel ein starkes Zeugnis für ein unbedingtes Gottvertrauen, vgl. z. B. Mt 6, 25ff. Sie könnte allerdings viele Aufgaben, die sie heute zum Teil auch im Dienst der Allgemeinheit wahrnimmt, nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen.
Deshalb heißt es im kirchlichen Gesetzbuch (CIC): „Die katholische Kirche hat das angeborene Recht, unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern.
Die eigenen Zwecke aber sind vor allem: Die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen.“ can. 1254
Und in can. 222 § 1 heißt es: „Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen, die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolates und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalts der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind.“
2. Das Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetztestexte vom 13.3.
Dass die Deutsche Bischofskonferenz das vom Papst approbierte und von Ihnen zitierte Rundschreiben keineswegs ignoriert, sondern sofort zur Kenntnis und dazu Stellung genommen hat, zeigt die Erklärung unserer Bischofskonferenz vom 24.4.2006. Diese hat in der wissenschaftlichen Diskussion ein heftiges Echo gefunden, über das sich Interessierte in diversen Monographien und seither erschienenen Aufsätzen bis in alle Einzelheiten kundig machen können. Sie verstehen, dass ich auf diese Diskussion der Fachleute hier nicht eingehen kann. Ein „Tabu“ ist dieser Text also nicht. Er ist vielmehr längst öffentlich zugänglich und wurde und wird ebenso öffentlich erörtert.
Das Erstaunliche an dieser Debatte ist für mich, dass die Jahrzehnte lang von den meisten Fachleuten in Deutschland vertretene und in der Praxis unserer kirchlichen Verwaltung durchgängig angewandte Rechtsvermutung des Kirchenaustritts als mindestens schismatischer Akt (mit den entsprechenden Rechtsfolgen) nun als unhaltbar erklärt wird. Natürlich ist nicht jede Kirchenaustrittserklärung eine Trennung von der Kirche, z. B. wenn ein Vater einfach seine Kinder mit abmeldet und auch seine Frau nötigt, die Austrittserklärung zu unterschreiben etc. Aber mich wundert doch sehr, dass die Kirchenaustrittserklärung auf einmal geradezu haarspalterischen Distinktionen unterworfen oder insgesamt bagatellisiert wird. Manche tun so, als ob sie in den allermeisten Fällen nicht der Schlusspunkt einer langen Entfremdungsgeschichte von der Gemeinschaft der Kirche wäre und nicht den Willen besiegelte, „mit diesem Verein nichts mehr zu tun zu haben“.
Die Deutsche Bischofskonferenz ist nicht erst seit 2006 in sehr intensiven Gesprächen mit den zuständigen päpstlichen Behörden; diese kannten von Anfang an die in Deutschland seit vielen Jahrzehnten kontinuierlich vertretene Rechtsauffassung, sie haben die entsprechende Verwaltungspraxis nicht beanstandet. Die Gespräche sind unsererseits getragen von der Bereitschaft, vom Gesetzgeber für unumgänglich erachtete Klarstellungen des Gesetzes zu befolgen, aber auch von der Erwartung, dass der in den meisten anderen Ländern unserer Erde gar nicht mögliche Kirchenaustritt nicht als eine Petitesse verkannt wird, die doch nur die „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ beträfe, die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Kirche aber in keiner Weise berühre.
Wenn Sie sich mit der Diskussion in Detail beschäftigen, werden Sie mir hoffentlich zustimmen, dass ich die hiermit verbundenen Fragen in diesem Rahmen beim besten Willen nicht weiter abhandeln kann - eines ist aber, so hoffe ich, deutlich geworden: Letztlich geht es um weit mehr als nur um das Geld.
Mit freundlichen Grüßen