Sehr geehrter Herr Weth,
es sind solche Worte Jesu wie das von Ihnen angeführte, in denen man seinen lodernden Eifer für den himmlischen Vater wie auch für das Heil der Menschen über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg spürt. Je größer und tiefer die Frohbotschaft, desto eindringlicher die Warnung, dass man das geschenkte Heil auch wieder verlieren kann! Dies erklärt auch die drastische Formulierung: Wer einen „Kleinen“ - damit ist an dieser Stelle nicht das Kind gemeint, sondern der Jünger Jesu, der Gläubige – in seinem Glauben erschüttert und so dessen ewiges Heil gefährdet, dem drohen schreckliche Konsequenzen. Dieser Schrecken ist so groß, dass es für den Betreffenden sogar noch besser wäre, mit einem Mühlstein (gemäß dem griechischen Urtext mit einem besonders großen und schweren) um den Hals ins Meer versenkt zu werden – obwohl er auf diese Weise nicht einmal mehr ordnungsgemäß bestattet werden kann. Jesus spricht solche Warnungen nicht leichtfertig aus; wir tun gut daran, sie sehr ernst zu nehmen.
Allerdings: Jesus nennt (geschweige denn empfiehlt) die Ertränkung nicht als vorbeugende, das Ärgernis vermeidende Maßnahme, sondern illustriert mit ihr den Ernst der Folgen. Ähnlich gibt Christus ja auch keinen Freibrief für Selbstverstümmelungen, wenn er (bei den Evangelisten Markus und Matthäus) gleich darauf rät, Hand oder Fuß abzuhauen und das Auge auszureißen, falls man durch diese zum Bösen verführt wird (Matthäusevangelium 18,8-9). Die Kirche lehnt vielmehr „direkt gewollte Amputationen, Verstümmelungen oder Sterilisationen“ als Verstoß gegen das sittliche Gesetz ab (Katechismus der Katholischen Kirche 2297). Auch hier dienen die drastischen Worte als stilistisches Mittel, die schlimme Gefahr der Verführung zu Glaubensabfall und Sünde zu verdeutlichen.
Selbstmord ist für uns Christen unter keinen Umständen ein angemessener und richtiger Weg, denn „keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Römerbrief 14,7-8). „Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. … Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen“ (Katechismus der Katholischen Kirche 2280). Niemand hat ein stärkeres Zeugnis gegen den Verzweiflungsakt des Suizides abgelegt als Christus selbst, der das unbedingte Vertrauen auf Gott den Vater, die vollständige Geborgenheit in seinem Willen lehrte und lebte. Wer tatsächlich fürchtet, zum Anstoß für seine Mitchristen zu werden, findet in der Kirche vielfältige Hilfen, etwa in Gestalt erfahrener und einfühlsamer geistlicher Begleiter und Beichtväter.
Mit freundlichen Grüßen