Sehr geehrter Herr Garner!
Ihr Thema fügt sich ausgezeichnet ein in die gegenwärtige Adventszeit, in der wir uns auf das Fest der Menschwerdung des Gottessohnes vorbereiten. Allerdings: Schon die Datierung der Geburt Jesu ist schwierig, über exakte Angaben verfügen wir nicht. Von der Geburt seiner Mutter Maria schweigt die biblische Offenbarung. Wir wissen, dass Mädchen im orientalischen Kulturkreis schon früh verheiratet wurden (und oft auch heute noch werden), sodass ein Hochzeitsalter von etwa 14 Jahren als durchaus realistisch erscheint. Aber wie gesagt: Über Marias Alter bei der Geburt Jesu ist uns nichts Verbindliches gesagt. Dasselbe gilt für den heiligen Josef, dessen Alter hier aber ohnehin nichts zur Sache tut, da Maria gemäß biblischer und kirchlicher Glaubens- überzeugung ihren Sohn als Jungfrau empfing, also nicht von ihrem Verlobten, sondern durch das Wirken des Heiligen Geistes.
Ich habe die Publikation von Herrn Hesemann nicht vor Augen, nehme aber stark an, dass es sich bei diesem Ihrem ersten Punkt schlicht um ein Missverständnis handelt. Papst Johannes Paul II. selbst schreibt in seiner Enzyklika "Redemptoris Mater" von 1987 über den Sinn des Marianischen Jahres: "Gerade die besondere Verbindung der Menschheit mit dieser Mutter hat mich veranlasst, in der Zeit vor dem Abschluss des zweiten Jahrtausends seit der Geburt Christi in der Kirche ein Marianisches Jahr auszurufen" (n. 48; Hervorhebung durch mich). Nicht Marias, sondern Christi Geburt und deren damals bevorstehende 2000-Jahr-Feier bildeten also den Hintergrund des marianischen Jahres.
Dass Sie für Maria den Titel "Königin" akzeptieren, nicht aber "Herrin", überrascht mich ein wenig. Eine Königin ist doch nichts anders als die Herrin über ein Königreich! Und wenn "Herr" auch in der bedeutendsten griechischen Übersetzung des Alten Testamentes, der sogenannten "Septuaginta", gerne als Umschreibung des Gottesnamens herangezogen wird, so erhebt dieser Ehrentitel gleichwohl keinen Monopolanspruch. Der Apostel und frühere Pharisäerschüler Paulus beispielsweise bekennt sich ohne Umschweife zu dem einen Gott und Herrn im Himmel und scheut sich dennoch nicht, die Existenz "sogenannte[r] Götter" einzuräumen: "... und solche Götter und Herren gibt es viele" (1. Korintherbrief 8, insbesondere Vers 5).
Insbesondere in der Geheimen Offenbarung des Johannes trägt Christus den Ehrennamen "König der Könige und Herr der Herren" (19,16, vgl. 17,14; 1. Timotheusbrief 6,15). Das weist uns darauf hin, dass das Königtum Christi irdische Herrschaft(en) nicht ausschließt, sondern in gewissem Sinne "normiert": Solange irdische Könige und Herren im Sinne Gottes handeln, stehen sie geradezu in dessen Diensten. So schreibt schon der heilige Paulus den Römern: "Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen" (13,1-2). Wenn allerdings ein Mensch - sei er nun König oder ein sonstiger Herr - sich gegen Gott stellt, ist dies in der Tat Anlass für jeden Christen, sein Bekenntnis abzulegen; dafür geben die Märtyrer aller Zeiten ein eindrucksvolles Zeugnis. Bei Maria, die als einziger Mensch ohne Sünde ist und sich Gottes Willen ganz zu eigen gemacht hat, brauchen wir solche Befürchtungen jedoch nicht zu hegen.
Ihnen und allen Lesern dieser Serie wünsche ich zur verbleibenden Adventszeit und zum bevorstehenden Weihnachtsfest Gottes reichen Segen!
Mit freundlichen Grüßen