Sehr geehrter Herr Hansen,
wenn ich alle zwei Wochen an meinem Computer über den Antworten auf die gewählten Fragen sitze, wird mir manchmal die Eingeschränktheit dieser internetbasierten Kommunikation deutlich. Gern hätte ich nämlich gerade in Ihrem Falle mehr zu Ihrem Werdegang und zur Motivation Ihrer Auskunftsbegehren gewusst – zumal Sie sich als erster Nutzer meines „direkt-zu-Forums“ gleich doppelt mit Ihren Fragen beim User-Voting durchgesetzt haben. Sei’s drum, ich will von meiner Seite die Antwort auf das hier Angesprochene mit einer sehr persönlichen Erinnerung beginnen.
Im Jahr 1989 war ich wie nicht selten zu DDR-Zeiten zu Besuchen in Ungarn . Am 1. Mai erlebte ich in Budapest erstmals in meinem Leben Maidemonstrationen von verschiedenen Parteien. Im Spätsommer habe ich dort mit ungarischen Freunden nächtelang über eine Flucht nach Österreich nachgedacht. Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich zu Hause in meiner Heimat verändern helfen wollte. Die Leere im Flugzeug auf dem Weg zurück in die DDR wird mir ebenso immer in Erinnerung bleiben wie unsere erste Potsdamer Großdemonstration und meine erste Fahrt im Trabi über die Glienicker Brücke am 10. November 1989. Wer diese ersehnte Zeitenwende miterleben und mitgestalten konnte, wird nie müde werden, die Lehren der Geschichte weiterzugeben.
Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ist und bleibt ein dauerhaftes Thema unserer Generation. Die Landesregierung ist sich dessen sehr bewusst und hat dazu erst kürzlich einen Kabinettsbeschluss gefasst. So soll die Vernetzung der Gedenkstätten und Museen vorangetrieben werden. Unterstützt werden unter anderem die Pläne des Hauses für Brandenburgisch-Preußische Geschichte, die friedliche Revolution von 1989/1990 in einer Dauerausstellung zu präsentieren. Die Landesregierung ruft zudem die Kommunen auf, die Spuren der friedlichen Revolution zu sichern und sichtbar zu machen und appelliert an die Schulen, Themen der Nachkriegsgeschichte auch im Rahmen von internationalen Schülerbegegnungen zu behandeln.
Auch im Land Brandenburg wird - wie überall in Ostdeutschland – der 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 1989 und Gründung der neuen Bundesländer im Oktober 1990 mit vielfältigen Geschichtsprojekten vorbereitet. Nur Faktenwissen um das Funktionieren des SED-Staates aber auch um das Alltagsleben der Menschen beugt Verklärung und Ostalgie ebenso vor wie der pauschalen Verurteilung und Verunglimpfung von Biografien. Ein Aspekt der Aufarbeitung ist selbstverständlich die Erforschung des DDR-Staatssicherdienstes.
Wie Sie wissen, stellt die „Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU)“ nicht nur die Stasi-Unterlagen Privatpersonen, Institutionen und der Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie unterrichtet auch die Öffentlichkeit im Sinne der historischen, politischen, juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung von Struktur, Methoden und Wirkungsweise des Staatssicherheitsministeriums.
Neben dem Hauptsitz in Berlin gibt es 14 Außenstellen mit eigenen Archiven in allen ehemaligen DDR-Bezirksstädten (außer Cottbus), so auch in Frankfurt (Oder) und Potsdam. Über die künftige Beibehaltung oder Schließung von Außenstellen dieser Bundesbehörde muss auch der Bund entscheiden. .
Die Außenstelle Potsdam ist, anders als dargestellt, noch nicht geschlossen und verlagert worden. Nach derzeitigem Kenntnisstand wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Jahre die Zahl der Außenstellen reduziert. Wichtig ist mir dabei, dass auch weiterhin ein für die Nutzer leicht erreichbares Angebot an Dienstleistungen der Stasi-Unterlagenbehörde gewährleistet wird. Der Forschungs- und Bildungsauftrag der Behörde wird z.B. durch Projekttage, Ausstellungen, Vorträge und Gespräche mit Zeitzeugen weiter ausgeführt werden, unabhängig von der Frage des Standortes der Archive. Im Falle einer eventuellen Zusammenführung der Bestände der Außenstellen in Berlin würde der Aktenzugang wie bisher gewährt und somit die Aufarbeitung durch Akteneinsicht nicht beeinträchtigt.
Zu Ihrer Frage nach einem eigenen Landesbeauftragten: Auf der Grundlage einer Vereinbarung aus dem Jahr 2001 arbeitet unser Brandenburgisches Innenministerium zur Aufarbeitung des persönlichen Schicksals von Betroffenen politischer Verfolgung in der DDR erfolgreich mit dem Berliner Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen zusammen. Seitdem wurden in über 530 Städten und Gemeinden Brandenburgs Beratungen durchgeführt. Insgesamt haben bisher annähernd 2600 Bürger vertrauliche Gesprächen mit den Mitarbeitern des Berliner Landesbeauftragten geführt und sich beraten lassen. Es werden auch und vor allem jene Bürgerinnen und Bürger angesprochen, die in Gemeinden abseits der großen Städte leben.
In der Hoffnung, Ihnen nachvollziehbar Auskunft gegeben zu haben, verbleibe ich
mit freundlichem Gruß
Matthias Platzeck
Kommentare (0)Öffnen
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.