Sehr geehrte Frau Böttcher,
auch wenn ich nicht so häufig den Fernseher einschalte, stimme ich mit Ihnen überein: Solche Fernsehinhalte haben auf dem Bildschirm nichts zu suchen. Aber das ist meine subjektive Meinung. Aus guten Gründen und leidvoller historischer Erfahrung haben wir im Grundgesetz die Presse- und Medienfreiheit zu einem hohen Gut erhoben, sodass Politiker nicht so einfach in ein Programm ´hineinregieren´ können.
Seit nunmehr über 20 Jahren existiert in Deutschland ein duales System im Hörfunk und Fernsehen – bestehend einerseits aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und andererseits aus den unterschiedlichen privaten Anbietern. Nur für die öffentlich-rechtlichen Anstalten von ARD und ZDF werden Gebühren erhoben, die privaten Anbieter finanzieren sich aus Werbeeinnahmen. So gesehen hat Ihre Empörung über eine mögliche Gebührenerhöhung mit der von Ihnen angesprochenen Sendung im privaten Kanal Pro Sieben nichts zu tun. Im Gegenteil: Ich gebe zu bedenken, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihrem Programmauftrag vor allem im Bereich der Information und anspruchsvoller Fernsehkunst nur entsprechen können, wenn sie angemessen ausgestattet sind.
Was die Programminhalte konkret betrifft, nun ja, da ist mitunter genaues Hinschauen gefragt. Genau aus diesem Grund wurden zur Lizenzierung und Kontrolle der Sender in den einzelnen Bundesländern Landesmedienanstalten etabliert. Darüber hinaus gründete sich die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Ziel der FSF ist es, einerseits durch eine Programmbegutachtung den Jugendschutzbelangen im Fernsehen gerecht zu werden und andererseits durch medienpädagogische Aktivitäten, Publikationen und Unterstützung von Forschungsarbeiten den bewussteren Umgang mit dem Medium Fernsehen zu fördern. Seit dem 1. August 2003 ist die FSF eine anerkannte Selbstkontrolleinrichtung. Mitglieder des gemeinnützigen Vereins sind alle bundesweit ausstrahlenden Sender des Privatfernsehens, so auch der von Ihnen angesprochene Sender.
Aufgabe der FSF ist es, zu bewerten, ob Fernsehsendungen Wirkungsrisiken für bestimmte Altersgruppen beinhalten. Wegen der im Grundgesetz verankerten Freiheit der Medien dürfen auch im Jugendschutz Qualität, Geschmack oder andere subjektive Eindrücke der Prüfer keine Rolle spielen.
Wenn die Prüfer einen Film mit Sendezeitbeschränkungen belegen, nur unter Schnittauflagen freigeben oder gar ablehnen, müssen sie plausibel begründen, dass Zuschauer bestimmter Altersgruppen durch eine Sendung beeinträchtigt werden könnten. Bei den Prüfentscheidungen werden Ergebnisse der wissenschaftlichen Medienwirkungsforschung sowie der Entwicklungspsychologie herangezogen.
Für die Antragstellung zur Prüfung sind in erster Linie die Jugendschutzbeauftragten der Sender zuständig. Auch die Mitglieder des Kuratoriums und – das ist besonders wichtig - die für die Aufsicht der Privatsender zuständige Kommission für Jugendmedienschutz haben das Recht, Anträge auf Prüfung zu stellen. Über die Landesmedienanstalten kann sich jeder bei der Kommission beschweren. Entsprechend Ihrer Bitte habe ich Ihr Anliegen an unsere Landesmedienanstalt weitergeleitet.
Unabhängig von alledem entscheidet natürlich jeder Einzelne, was er sehen möchte und was nicht. Und entscheidet sich dann eine Mehrheit gegen ein TV-Format, wird letztlich eine niedrige Einschaltquote das Produkt beerdigen. Auch wenn von uns keiner wie Uri Geller Löffel verbiegen kann – der Daumendruck auf den Ausschaltknopf der Fernbedienung tut es manchmal auch. Zum Schluss also noch einmal ganz persönlich und ganz deutlich: Auch ich finde, dass etliche Sendungen im privaten Fernsehen keinen Beitrag zu einem kulturvollen Umgang der Menschen untereinander leisten.
Mit freundlichem Gruß
Matthias Platzeck
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