Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Henriette Ortel am 24. Februar 2009
8834 Leser · 203 Stimmen (-34 / +169) · 0 Kommentare

Soziales

Azubi am Existensminimum

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident ,

ich lebe in Potsdam und absolviere dort meine Ausbildung zur Erzieherin im 2. Ausbildungsjahr. Seid Anfang diesen Jahres beziehe ich nur noch BAföG, da ich das 25 Lebensjahr vollendet habe und somit keinen Anspruch auf Kindergeld habe. Somit muss ich meinen Lebensunterhalt mit weniger Geld bestreiten als ein ALGII-Empfänger. Es ist für mich aber unverständlich, dass mir als Harz IV Empfänger 229,74 Euro im Monat mehr zur Verfügung stehen als derzeit in meiner Ausbildung zur Erzieherin/Sozialpädagogin ?! Ich kann es nicht verstehen wie folgende Rechnung aufgeht:

Als ALGII Empfänger bezog ich vor der Ausbildung:
223 Euro Regelleistung + 154 Euro Kindergeld + komplette Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ( in meinem Fall 198 Euro)+ den Krankenkassenbeitrag+ 1 Euro Job 113Euro
Daraus ergibt sich folgende Rechnung:
223 €
+ 154 €
+ 198 €
+ 113 €
+ Krankenkassenbeitrag
= 688 Euro + Krankenkasse

Nun zu meinem Einkommen in der Ausbildung

331€ Grundbedarf( Differenz 46 €) + 124 Unterkunftskosten (Differenz 74€) + 59€ Krankenkasse ( Different 7,81€) +11,07€ Mietzuschuss ALGII

Daraus ergibt sich folgende Rechnung:

331€
+ 124€
+ 59€
= 514€ BAföG
+ 11,07€ ALGII
= 525,07Euro - Krankenkasse 66,81€
= 458,26 Euro

Die ersichtliche Differenz von 688 Euro Harz IV und meiner Ausbildungsvergütung in Höhe von 458,26 Euro beträgt:

229,74 Euro!

Von den 458,26 Euro müssen noch meine monatlichen Kosten für Miete (198 €), Fahrkarte (26,30 €), Strom (20 €), Bücher/ Schulmaterial /Bildungsausflüge (ca. 10 € monatl.), Versicherungen (6,61 €) usw. abgezogen werden, für die ich bei der ARGE oder sonstigen Ämtern keinen Erstattungsanspruch habe.
Es ist unmöglich mit diesem Betrag zu Leben (Überleben) !!!

Da aber bereits Anfang 2007 ein Gerichtsbeschluss (Aktenzeichen: S 10 ER 49/07)) ergangen ist, dass keine Einkommensprüfung bei der Berechnung für die Bezuschussung der ungedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung vorgenommen werden darf, da dies schon bei der Berechnung des BaföG geschehen ist, habe ich schon mit Ausbildungsbeginn das erste mal einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Unterkunfts- und Heizkosten gestellt. Dieser wurde recht schnell abgelehnt, mit dem Hintergrund ich habe zu viel Einkünfte. Eine Klage läuft.

Seit Anfang diesen Jahres bekomme ich nun noch mal 154 Euro weniger. Daher habe ich bis heute gehofft den noch ungedeckten Teil der Miete von der Arbeitsagentur erstattet zu bekommen. Jedoch bekomme ich mit heutigem Bescheid von denen lediglich 11,07 Euro für meine Miete dazu. Mit der Begründung der Quadratmeterpreis ist auf einmal für die Wohnung ist zu hoch und daher wird nur eine prozentuale Berechnung vorgenommen. Und die Differenz von der im BAföG enthaltenden Miete und der prozentualen Miete beträgt nach deren Berechnung 11,07 Euro.

Ich wohne in einer WG, weswegen ich nur so wenig Miete zahlen muss (198 €), eine vergleichsweise bzw. billigere Wohnung / Zimmer gibt es in Potsdam nicht, ich verstehe diese Ungerechtigkeit nicht! Ich weiß nicht wie ich das alles weiter bezahlen soll.

Da wird man echt gezwungen die Ausbildung hin zu schmeißen oder kriminell zu werden.

Ich habe weniger Geld, jedoch mehr Ausgaben und mache eine Ausbildung.

Ich und viele weitere Azubis in der schulischen Ausbildung leben unter dem Existenzminimum, das ist für mich unverständlich. Der Staat will doch weniger ALGII-Empfänger, aber so schafft er sich diese nur.

Ich hoffe sie können mir und allen anderen die davon betroffen sind helfen.

Mit freundlichem Gruß
H. Ortel

+135

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Antwort
von Matthias Platzeck am 06. Mai 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrte Frau Ortel,

ich danke Ihnen für Ihren Eintrag auf meinem direktzu-Portal, der von vielen Lesern gevotet wurde und somit auf großes Interesse stieß. Parallel haben Sie sich schon an unser Wissenschaftsministerium gewandt, das Ihnen – wie ich höre – auch bereits geantwortet hat. Ich will Ihnen und den anderen direktzu-Lesern natürlich gern auch öffentlich meine Einschätzung mitteilen.

Zunächst, liebe Frau Ortel, freue ich mich für Sie, dass Sie sich für den schönen Beruf der Erzieherin interessieren und eine Ausbildung aufnehmen konnten. Junge Erzieherinnen und Erzieher werden gebraucht. Sie werden in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass unsere Kinder gut betreut und fundiert lernen können. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie diesen Beruf einmal engagiert und glücklich ausfüllen können.

Doch nun zu Ihrem Anliegen. Azubis und Studenten müssen auch heute noch oft mit einem knappen Budget auskommen. BAföG sorgt aber dafür, dass gute Ausbildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Das ist zunächst einmal ein Verdienst unserer Gesellschaft, das vom Steuerzahler auch bezahlt werden muss. Sie schreiben nun, dass Sie als Empfängerin von Hartz-IV-Leistungen finanziell besser gestellt waren als jetzt als Auszubildende mit BAföG-Berechtigung.

Dies mag auf den ersten Blick so erscheinen, allerdings haben Sie in Ihrer Darstellung das Kindergeld und den Hinzuverdienst aus Ihrem 1-Euro-Job mit einbezogen, so dass sich der Betrag von 688,00 Euro ergab. Lässt man diese Beträge unberücksichtigt, so ergibt sich nur ein reiner Hartz-IV-Bezug von 421,00 Euro. Da das Kindergeld nur bis zum 25. Lebensjahr gezahlt wird, entfiel dieses für Sie unabhängig davon, ob Sie Hartz-IV-Leistungen oder BAföG beziehen.

Der Gesetzgeber hat sich aus gutem Grund entschieden, dass junge Leute in der Ausbildung auch durch das System der Ausbildungsförderung abgesichert werden und nicht über die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Das BAföG ist eine Sozialleistung des Staates, die Ihnen Ihre Aufwendungen für den Lebensunterhalt und die Ausbildung für einen begrenzten Zeitraum finanziert. Bedenken Sie auch, dass Ihre Ausbildungskosten der Staat übernimmt. Und mit der Aufnahme einer Ausbildung und deren erfolgreichen Abschluss eröffnen Sie sich selbst eine Perspektive für Ihr weiteres Berufsleben und damit die Grundlage, unabhängig von Sozialleistungen des Staates zu leben.

Zugleich besteht auch bei BAföG die Möglichkeit für Sie, sich monatlich etwas hinzu zu verdienen, um Ihre materielle Lage zu verbessern. Und Sie können einen Bildungskredit in Anspruch nehmen. Dies ist eine zusätzliche Möglichkeit zur Finanzierung Ihrer Ausbildung.

Liebe Frau Ortel, ich hoffe, Ihnen ein wenig mehr Verständnis für die Gesetzeslage und die dahinter stehenden Überlegungen vermittelt zu haben. Für Ihre weitere Ausbildung wünsche ich Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen,