Sehr geehrter Herr Appelt,
sie stellen eine Vielzahl von engagierten Fragen und haben sich – das lese ich heraus - sehr gründlich mit der Materie auseinandergesetzt. Ich habe davor großen Respekt. Für mich wird dadurch deutlich, wie wichtig Ihnen das Zusammenleben in unserem Land ist.
Zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen vorneweg, die illustrieren, dass der Landesregierung nichts ferner liegt, als Jungen oder junge Männer zu benachteiligen. Mit Beginn dieser Legislaturperiode wurde aus dem früheren Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Sie mögen einwenden, dies sei ein reiner Etikettenaustausch. Nach meinem Verständnis steht der Namenswechsel für einen umfassenderen Politikansatz.
Dieser äußert sich auch darin, dass wir in Brandenburg nicht – wie im übrigen Bundesgebiet – Ende April den Girls-Day durchführen, sondern einen Zukunftstag für Mädchen und Jungen. Die ursprüngliche Idee, Mädchen für anspruchsvolle Berufe zu interessieren, wurde bei uns zu einem Angebot für beide Geschlechter. Und weiter: In unserer Landesverwaltung haben wir Genderbeauftragte eingesetzt. Sie wirken engagiert dafür, dass überall Strukturen entstehen, die einer Benachteiligung wegen des Geschlechts entgegen wirken. Ich glaube, dass dies der einzig richtige Weg ist.
Noch ein Wort zu meinem Videopodcast zum Frauentag: Es ist unstrittig und leider überall noch vorzufinden: In Führungspositionen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Und: Oftmals werden Frauen für gleiche Arbeit immer noch schlechter bezahlt. Das sind Missstände, gegen die es auch heute noch anzugehen gilt.
Doch dessen ungeachtet: Die Landesregierung und vor allem das Bildungs- und Jugendministerium beschäftigt sich seit mehreren Jahren eingehend mit den von Ihnen angesprochenen Problemen. Entscheidend dabei ist auch die Frage, was gegen den statistisch erwiesenen geringeren Schulerfolg von Jungen an allgemeinbildenden Schulen zu tun ist.
Ein Schlüssel könnte sein, Jungen mehr männliche Erzieher als Bezugspersonen zur Seite zu stellen. So gibt es mehrere Initiativen und Projekte zur Qualifizierung für männliche Erzieher. Aber: Die Ausbildung von Grundschullehrern ist nicht über Qualifizierungsmaßnahmen abzusichern, sie erfolgt an Universitäten und anschließend im Vorbereitungsdienst. Es wäre schön, wenn sich mehr junge Männer für eine Ausbildung als Grundschullehrer entscheiden würden.
Die Fachleute im Jugendministerium setzen vor allem darauf, den Anteil der Jungen bei so genannten negativen Schulkarrieren zu verringern. Hierfür werden im Rahmen der Initiative Oberschule eine Vielzahl von Projekten und darüber hinaus gezielte Vorhaben mit Schulverweigerern durchgeführt. Es geht um eine Kultur des Kümmerns mit dem Ziel, keinen zurückzulassen.
Sehr geehrter Herr Appelt, über eine nachweisbare Benachteiligung von Jungen bei der Leistungsbewertung und bei den Empfehlungen für die weiterführende Schule liegen dem Bildungsministerium keine Erkenntnisse vor. Gleichwohl ist man sich dort bewusst, dass hier mehr Sensibilität gefragt ist als dies wahrscheinlich bisher der Fall war. Die dazu eingeleiteten Anstrengungen in der Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte werden erst mittelfristig Wirkungen entfalten.
Eine Richtigstellung muss ich zu Ihrer dritten Frage anbringen. Die „Brandenburger Initiative Schule und Hochschule auf dem Weg zu Naturwissenschaft und Technik“ (BrISaNT) ist ein Projekt zur Berufs- und Studienwahlorientierung, das sich sowohl an Schülerinnen als auch an Schüler der 10. bis 13. Klasse richtet. Mit diesem Projekt wird das Ziel verfolgt, strukturelle Hemmnisse in der Studien- und Berufswahl von Jungen und Mädchen zu überwinden und sie werden auch im Rahmen dieses Projektes gleichermaßen unterstützt. Ich gebe zu bedenken, dass in Brandenburg von den Abiturienten mehr junge Männer (70 Prozent) ein Studium aufnehmen als junge Frauen (60 Prozent).
Unsere Fachleute im Wissenschaftsministerium können auch nicht nachvollziehen, dass Sie den Frauenanteil an Neuimmatrikulierten im Studienfach Geographie mit der Beteiligung des GeoForschungs-Zentrum Potsdam (GFZ) am "Girls Project" in Beziehung setzen. Es handelt sich hier um zwei voneinander unabhängige Sachverhalte. Zur Klarstellung: Ihre Angaben zur Zahl der Neuimmatrikulierten im Fach Geographie bezieht sich auf veraltete Daten. Der Frauenanteil an Neu- und Erstimmatrikulierten im Bereich der Geographie beträgt hiernach nicht 60%, sondern rund 36%. Das „Girls Projekt“ am GFZ zielt darauf ab, Schülerinnen mit naturwissenschaftlichen und technischen Fächergruppen stärker vertraut zu machen. Das halte ich für eine lobenswerte Initiative.
Übrigens: Es stehen seit 2007 bis einschließlich dieses Jahr 800.000 Euro jährlich für „Familiengerechte Hochschulen und Chancengleichheit“ zur Verfügung. Diese Maßnahmen kommen auch Vätern zugute. Darüber hinaus – auch das gehört zur ganzen Wahrheit – fördern wir Programme, um Frauen auf eine Professur vorzubereiten. Dies ist notwendig, da Frauen in diesem Bereich nachweislich noch immer unterrepräsentiert sind. Die Quote für unser Land wies 2006 17,7% aus. Noch ein Wort zu den von Ihnen, Herr Appelt, festgestellten Ungleichgewichten bei den brandenburgischen START-Stipendiaten. Bedenken Sie, dass der Ausgangspunkt für die geringere Zahl bei den Jungen auch in den individuellen Bewerbungen von Schülern liegen kann.
Sie fragen auch, warum es bei den vom Bildungsministerium genehmigten wissenschaftlichen Untersuchungen nur zwei geschlechtsspezifische Projekte gibt und keine jungenspezifischen. Das Ministerium selbst führt keine Untersuchungen durch, sondern genehmigt lediglich entsprechende Anträge. Untersuchungen zu jungenspezifischen Thematiken sind bisher in Brandenburg leider nicht beantragt worden.
Bei den von Ihnen angesprochenen Orientierungsschwerpunkten bei der Schulbuchbegutachtung sieht indes auch das Ministerium Handlungsbedarf: Es beabsichtigt, bei der demnächst stattfindenden Aktualisierung dieser Schwerpunkte die von Ihnen kritisierte Passage zu ändern. Künftig soll für das Thema Benachteiligungen von Jungen und Mädchen sensibilisiert werden.
Sehr geehrter Herr Appelt, Ihrem Schreiben habe ich entnommen, dass Sie sich sehr gekonnt im Internet informieren. Deshalb zum Abschluss noch zwei Tipps für Sie und andere interessierte Leser auf dem direktzu-Portal. Die Landesregierung hat ausführlich statistische Befunde zu den von Ihnen angesprochenen Fragen, Hintergründen und insbesondere Zielen und Handlungsfeldern gegen Benachteiligungen von Jungen in einem Bericht zusammengestellt. Er wurde im Plenum des Landtags im Oktober 2007 diskutiert. Der Bericht ist abrufbar unter
http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb2.c.43....
Außerdem gibt es eine Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage vom Dezember vergangenen Jahres zur „Bildungssituation von Jungen in der Schule“ (LT-DS 4/7238). Sie ist abrufbar bei http://www.parldok.brandenburg.de/starweb/LTBB/start.html und stellt Informationen zu den seither getroffenen Maßnahmen unter anderem in der Lehrerbildung sowie in der Aus- und Fortbildung und bei außer unterrichtlichen Angeboten zusammen.
Mit freundlichem Gruß,
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