Sehr geehrte Frau Kraschinski,
vielen Dank für Ihren emotionalen Eintrag auf meinem Portal. Gerade nach den Entbehrungen an freier, provokanter Meinungsäußerung in den jüngeren Jahren meines Lebens in der DDR schätze ich spürbare emotionale Anteilnahme am Zeitgeschehen. Zu Ihrer Frage: Ich bin generell dafür, das Andenken an deutsche Arbeiterführer aufrecht zu erhalten, zumal wenn sie – wie Ernst Thälmann - im Kampf gegen die faschistische Gewaltherrschaft ihr Leben gelassen haben. ´Zukunft braucht Herkunft´ - zu diesem, meinem Leitspruch stehe ich auch in diesem von Ihnen beschriebenen Fall. Erinnerung sollte dabei in einer Art und Weise geschehen, die der jeweiligen Persönlichkeit eigenes Wirken und besondere Leistungen würdigt, aber auch Widersprüche und Irrwege nicht ausspart, mithin ein historisch weitgehend korrektes Bild ermöglicht.
Zum konkreten Fall: Wie Sie wissen, hat der Eigentümer des Grundstücks vom Landkreis Dahme-Spreewald eine Abbruchgenehmigung für das bestehende Gebäude erhalten. Diese Entscheidung ist nach den denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Der Eigentümer hat geltend gemacht, dass für ihn der Erhalt des Gebäudes und die Öffnung für Besucher unter Berücksichtigung der Sanierungs- und laufenden Unterhaltungskosten eine unzumutbare Kostenbelastung darstellt.
Nach Feststellung der Experten konnte der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals nicht der Rang eines nationalen Kulturgutes eingeräumt werden. Auch wenn Sie, sehr geehrte Frau Kraschinski, das anders sehen mögen: eine Ursache liegt im Handeln der DDR-Behörden.
Bei dem sogenannten Sporthaus Ziegenhals, in dem die Gedenkräume eingerichtet wurden, handelt es sich bereits nicht mehr um das Originalgebäude der illegalen KPD-Tagung vom 7.02.1933, dieses musste aufgrund mangelnder Pflege wegen Baufälligkeit in den 50er Jahren abgerissen werden. Das heutige Gebäude "Sporthaus Ziegenhals" wurde 1958/59 errichtet und am 16.04.1959, dem 73. Geburtstag Thälmanns, im Beisein Walter Ulbrichts als Ernst-Thälmann-Gedenkstätte der Öffentlichkeit übergeben.
Selbst die wichtige Frage, ob das historische Sitzungszimmer "Thälmann-Raum" dabei erhalten blieb und umbaut wurde, konnte nicht geklärt werden. Hinzu kommt: Bereits bei Einrichtung der ersten Thälmann-Gedenkstätte am 7.02.1953 im damals noch vorhandenen historischen Gebäude musste die Ausstattung des Sitzungsraums auf Grundlage von Erinnerungen einiger Teilnehmer an der KPD-Tagung rekonstruiert werden.
Sehr geehrte Frau Kraschinski, mein Eindruck ist: der Landkreis als untere Denkmalschutzbehörde ist nicht unsensibel bei seiner Entscheidung mit dem Andenken an Ernst Thälmann umgegangen. Er hat dem Eigentümer aufgegeben, Ausstattungsstücke beziehungsweise einzelne Bestandteile der Gedenkstätte zu erhalten und bis zu einer endgültigen öffentlich zugänglichen Präsentationsmöglichkeit einzulagern. Vor einem Abriss ist die Gedenkstätte zudem fotografisch, zeichnerisch und schriftlich durch Beschreibung und Auswertung vorhandener Archivalien auf Kosten des Eigentümers zu dokumentieren. Ich meine, damit ist eine Lösung gefunden worden, die die Interessen des jetzigen Eigentümers wahrt und zugleich eine spätere, sachgerechte Würdigung des historischen Ereignisses in Ziegenhals nicht verbaut.
Mit freundlichem Gruß
Kommentare (0)Öffnen
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.