Sehr geehrter Herr Kutzner,
in unserem Land wird diskutiert. Die Entscheidung der SPD, nach zehn Jahren gemeinsamer Regierung mit der CDU nun für die nächste Wahlperiode eine Koalition mit der Linkspartei auszuhandeln, hat Emotionen ausgelöst. Ich bekomme Zuschriften, Menschen rufen an, melden sich per E-Mail oder schreiben wie Sie auf meinem Portal direktzu. Ich bedanke mich hier in meiner Antwort an Sie, sehr geehrter Herr Kutzner, stellvertretend für jede einzelne Wortmeldung. Es ist gut, dass die Politik, die wir in den folgenden fünf Jahren für Brandenburg gestalten wollen, so viele Bürgerinnen und Bürger bewegt.
Doch nun zu Ihrer konkreten Frage. Erinnern wir uns: Vor 20 Jahren, im Jahr 1989, sind wir in Ostdeutschland für freie Wahlen auf die Straße gegangen, für ein Ende der SED-Herrschaft und des damit zusammenhängenden Denkens in Freund-Feind-Schemata. Heute haben wir eine funktionierende Demokratie und das bringt es mit sich, nach den Wahlen mit deren Ergebnis konstruktiv umzugehen. Die SPD ist als stärkste Kraft aus den Landtagswahlen hervorgegangen und hat einen klaren Regierungsauftrag erhalten. Sie musste sich die Frage stellen, mit welcher Partei sie inhaltlich die meisten Gemeinsamkeiten hat, mit welchem Partner sich eine stabile Regierung bilden lässt. Die SPD hat sich dabei einzig und allein davon leiten lassen, was für die Zukunft Brandenburgs wichtig und richtig ist.
Die Sondierungsgespräche haben deutlich gemacht, dass die politischen Gemeinsamkeiten mit der CDU nach 10 Jahren gemeinsamen Regierens so gut wie aufgebraucht sind. Um die Herausforderungen der nächsten Jahre zu meistern, um die Erwartungen der Brandenburgerinnen und Brandenburger an bessere Lebenschancen gerecht zu werden, bedarf es einer neuen politischen Akzentsetzung. Es geht um das, was ich eine vorsorgende Gesellschaftspolitik bezeichne: Wir müssen Wirtschaft und Soziales auf neue Art und Weise zusammen denken; konkret geht es beispielsweise darum, mit Mindestlöhnen dafür zu sorgen, dass es in der Arbeitswelt gerechter zugeht. Aber auch um die Frage, wie wir Bildungserfolg und sozialen Aufstieg unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ermöglichen können. Hier sind die inhaltliche Übereinstimmung der SPD mit der Partei DIE LINKE größer als mit der CDU.
Ich registriere übrigens, dass die Unternehmer in ihrer Gesamtheit sehr gelassen auf die neue Koalition reagieren. Da und dort wird die Befürchtung formuliert, die Regierung werde wirtschaftsunfreundlicher als bisher. Das wird nicht der Fall sein, dafür stehe ich ein. Wir werden den eingeschlagenen Erfolgspfad der Wirtschaftsförderung weiter gehen, an Bewährtem festhalten und dort nachjustieren, wo es sich als nötig erweist.
Ich kann, sehr geehrter Herr Kutzner, heute auf die Nachfolger der damaligen Gegner zugehen, weil unsere friedliche Revolution siegreich war und neue Horizonte eröffnet hat. Zur Demokratie gehört auch, die bisherige Opposition in die Pflicht und Verantwortung nehmen zu können. Die Koalition mit der LINKEN ist eine gewissenhafte politische Abwägung. Zwei Parteien haben sich sehr nüchtern auf koalitionsvertraglicher Grundlage für die nächsten fünf Jahre zusammengetan.
Wir haben in den Verhandlungen auch intensiv über die jeweilige historische Herkunft, über Haltungen und Werte gesprochen. Beide Seiten war es wichtig, dass es keine „Schlussstrich-Koalition“ ist – im Gegenteil. Wir werden uns weiter mit der DDR-Geschichte auseinandersetzen. Es heißt in der Präambel des Koalitionsvertrags: „Eine Verklärung der SED-Diktatur wird es mit dieser Koalition nicht geben. Der offene und kritische Umgang mit früheren Fehlern ist ebenso notwendig wie die Übernahme von Verantwortung für verursachtes Unrecht.“ Aufarbeitung und Versöhnung bleiben also Daueraufgaben. Und eines war von vornherein klar: Frühere informelle und professionelle Mitarbeiter der Staatssicherheit dürfen nicht in Regierungsämter. DIE LINKE hat das akzeptiert.
Erlauben Sie mir zum Abschluss, sehr geehrter Herr Kutzner, noch ein Wort zu Ihren Ausführungen hinsichtlich vermeintlicher Fehlentscheidungen der brandenburgischen Politik. Es ist wahr, in der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes gab es Höhen und Tiefen. Einiges, was nach dem gravierenden Umbruch 1990 angepackt und angeschoben wurde, ist nicht geglückt. Das halte ich nicht für unnormal, zumal niemand eine Blaupause hatte für einen solch stürmischen Übergang von einer sozialistischen Planwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft. Aber eines steht fest: Die brandenburgischen Landesregierungen seit 1990 haben – bei allen Problemen – mit Vehemenz um jeden einzelnen Arbeitsplatz gekämpft, haben sich um neue zukunftsfähige Ansiedlungen und den Erhalt von wettbewerbsfähigen Strukturen bemüht, um Chancen für die Menschen aufzutun. Einige Beispiele: Der Uckermark-Standort Schwedt ist heute mit Petrolchemie und Papierindustrie hervorragend aufgestellt. Die Lausitz gilt heute weltweit als vorbildhaft für die Gestaltung von Bergbaufolgelandschaften. Cottbus ist ein moderner Wissenschafts- und Energiestandort. Der Eurospeedway Lausitz schreibt schwarze Zahlen. Der Weltkonzern Arcelor Mittal hat in Eisenhüttenstadt investiert und betreibt das traditionsreiche EKO-Stahlwerk. Brandenburg ist auf dem Feld der Erneuerbaren Energien mit dem `Leitstern´ als bestes bundesdeutsches Land ausgezeichnet und auch in der Luft- und Raumfahrtbranche in Deutschland führend. Der neue Flughafen Berlin Brandenburg International in Schönefeld ist aus meiner Sicht mitnichten eine Fehlentscheidung, sondern schon heute ein Jobmotor und wird unser Tor zur Welt.
Alle diese Fakten sind mit ein Grund dafür, dass Brandenburg – anders als viele andere Bundesländer – bislang relativ gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist, dass wir Ende Oktober mit 11 Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Mitte der 1990er Jahre aufweisen können und dass wir auf insgesamt gute Jahre der vergangenen Legislatur zurück blicken. Ich bin zuversichtlich, dass die neue Koalition auch die kommenden fünf Jahre gut regieren wird. Sie wird daran zu messen sein, ob sie erfolgreich zum Wohle der Brandenburgerinnen und Brandenburger gearbeitet haben wird.
Mit freundlichem Gruß
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