Sehr geehrter Herr Silbernagel-Purchess,
auch wenn die Oderflut vom Mai/Juni 2010 inzwischen glücklicherweise Geschichte ist und Ihre Frage es im Voting etwas spät auf den Spitzenplatz gebracht hat, danke ich Ihnen herzlich für Ihre Wortmeldung. Zumal wir jetzt im August nach den dramatischen Regengüssen im Dreiländereck Sachsen, Polen und Tschechien schon wieder vor schwierigen Herausforderungen stehen. Ihr Schreiben zeigt eine Haltung der Solidarität und des Mitgefühls mit unseren Nachbarn, die ich sehr hoch schätze. Lassen Sie mich allen Menschen in Brandenburg danken, die in schwierigen Zeiten nicht nur mit Bangen auf das Wasser vor der eigenen Haustür blicken, sondern sich um die Nachbarn auf der anderen Seite des Stroms sorgen. Ich möchte Ihnen auch gerne rückblickend sagen, wie ich die Zusammenarbeit mit unseren polnischen Partnern in dieser Ausnahmesituation bewerte und welche Schlussfolgerungen zu ziehen sind.
Zunächst: Nach meiner in vielen Gesprächen diesseits und jenseits der Oder gewonnenen Einschätzung lief die Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden beim Hochwasserschutz unvergleichlich besser als noch bei der schweren Überflutung 1997. Das sehen auch die Vor-Ort-Verantwortlichen so. Es zeigt, dass wir damals die richtigen Lehren gezogen haben und sich unsere Fachleute viel intensiver austauschen. Die grenzüberschreitende Kooperation insbesondere mit den benachbarten Wojewodschaften Westpommern und Lebuser Land wurde als effektiv und vertrauensvoll eingeschätzt. Das ist unter anderem auch die Frucht der langjährigen intensiven Arbeitsbeziehungen der für Brand- und Katastrophenschutz Zuständigen in unserem Innenministerium mit der Nationalen Hauptkommandantur der Staatlichen Feuerwehr im polnischen Innenministerium und den Wojewodschaftskommandanturen in Stettin und Gorzów. So konnte durch die Teilnahme an den Beratungen der polnischen Katastrophenschutz- und Verwaltungsstäbe auf Ebene der Wojewodschaften ein aktueller Informationsaustausch über die Hochwassersituation grenzübergreifend gewährleistet werden.
Doch Brandenburg hat auch ganz konkret geholfen: Die Landeskatastrophenschutzleitung Brandenburg unter Vorsitz von Minister Rainer Speer stellte der Wojewodschaft Lebuser Land 660.000 Sandsäcke, zwei Schlauchboote, drei Notstromaggregate, 20 Stück Netzcontainer und 20 so genannte Bigpacks zur Verfügung. Auch das Ministerium für Wirtschaft und Europangelegenheiten übergab auf Bitten des Marschallsamtes Lebuser Land 63.000 Sandsäcke, Deichfolien und Fließtextilien.
Aber, sehr geehrter Herr Silbernagel-Purchess, die Zusammenarbeit geht auch nach dem Hochwasser weiter. So haben unsere polnischen Nachbarn vorgeschlagen, gemeinsam ein Konzept für Überflutungsflächen auf deutscher und polnischer Seite der Oder zu erstellen. Schutz vor Hochwasser für Slubice - und das Oderbruch - böte zum Beispiel ein gesteuerter Überflutungspolder in der Neuzeller Niederung mit fast 2.000 ha Fläche. Das Land Brandenburg arbeitet mit Hochdruck an diesem in seiner Größe bisher in Europa einzigartigen Hochwasserschutz-Projekt. Ich freue mich sehr, dass auch der Landtag kürzlich diese Stoßrichtung unterstützt hat.
Wie sinnvoll diese Überflutungsflächen sind, hat sich dieses Jahr eindrucksvoll gezeigt. Zur Entlastung im Unterlauf der Grenzoder hat Ende Mai die Flutung von 4400 Hektar im Nationalpark Unteres Odertal beigetragen, bei der ich selbst dabei war. Ohne diese Aktion hätte das Wasser an der Schwedter Stadtbrücke etwa einen Meter höher gestanden und auch Polen wäre wohl noch viel mehr unter Druck geraten.
Also, es bleibt dabei. Wir arbeiten eng mit Polen zusammen, um künftigen Fluten immer besser gemeinsam begegnen zu können. Wir werden Hochwasser an sich nicht verhindern können, aber die Auswirkungen auf die Menschen und die Wirtschaft können wir minimieren. Noch ein Wort zu unserem eigenen Land. Brandenburg hat nach 1997 viel getan und insbesondere an der Oder die Deiche nahezu vollständig erneuert. Und sie haben standgehalten.
Mit freundlichem Gruß
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