Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor W. Hagen am 17. Oktober 2011
12900 Leser · 70 Stimmen (-3 / +67) · 3 Kommentare

Sonstiges

Politikauffassung

Wandlitz, 14. Oktober 2011

Sehr geehrter Herr Platzeck,

der Flughafen BBI hat Ihnen ja schon viel Post gebracht. Ich greife das Thema auf, weil Sie im Zusammenhang damit Ihre Auffassung von Politik öffentlich gemacht haben. In einem Ihrer Antwortschreiben zu den Protesten (13. Februar 2008) haben Sie fast kummervoll festgestellt: „Seit ich nach 1990 in politische Funktionen gewählt worden bin, lebe und arbeite ich in wachsendem Maße mit der Erkenntnis, dass Politik es selten allen recht machen kann“

Das lässt auf die menschlich sympathische Maxime schließen, es gern allen recht zu machen. Aber – abgesehen davon, daß der „einfache“ Mensch nur ein bisschen Lebenserfahrung braucht, um zu wissen, daß man es generell fast nie allen recht machen kann, schon gar nicht bei Entscheidungen zu wirtschaftlicher Entwicklung, die mit Standorten und Bauvorhaben verbunden sind - als Politikauffassung bringt diese Maxime mich ins Grübeln.

Ich gehe eigentlich davon aus, daß der verantwortliche Ministerpräsident eines Landes im Zusammenhang mit gesellschaftlich oder wirtschaftlich notwendigen und/oder wünschenswerten Vorhaben in erster Linie eine sachbezogene Entscheidung zu treffen habe. Dem muß eine genaue Prüfung des Vorhabens auf Sinn heute und in Zukunft, auf Kosten, Vor- und Nachteile für die verschiedenen davon betroffenen Menschengruppen und Relation zwischen Nutzen für eine Gruppe und Schaden für mögliche andere Gruppen, etc. vorausgehen. Aber dann ist doch wohl eine Lösung durchzusetzen, die dem Vorhaben gerecht wird, in die Zukunft gedacht ist und für die geringst mögliche Zahl an Menschen Nachteile bringt. Und das bedeutet: die jeweilige Sache ist „recht zu machen“. Halten Sie eine solche Auffassung für einen Irrtum?

Im Fall des BBI haben Sie es jedenfalls meiner Ansicht nach nahezu niemandem recht gemacht:
- der Wirtschaft nicht, denn ihr ist mit dem Standort Schönefeld schon zu Beginn (z. B. Nachtflugverbot) nicht optimal gedient und für einen weiteren Ausbau, der notgedrungen kommen müßte, erst recht nicht.
- Den 200.000 – 300.000 Anwohnern und Betroffenen nicht. Mit dem Standort Schönefeld hat man ganz bewusst - anders kann ich es nicht sehen – Schaden für die größtmögliche Zahl Betroffener einkalkuliert.
- Und auch dem normalen Steuerzahler nicht. Da werden geplant 2,3 Mrd.€ (wie viel es dann wirklich sind, wird man sehen) für ein Projekt ausgegeben, das der regionalen Entwicklung dienen soll, aber an der falschen Stelle entsteht. Und das daher nicht die Leistung bringen kann, die damit verbunden sein müsste.

Gestatten Sie mir also bitte die Fragen:
WEM haben Sie es recht machen wollen, bzw. recht gemacht? WELCHE Einzelinteressen waren - bei der Entscheidung für den bekanntermaßen ungeeignetsten Standort - wichtiger als die oben angeführten?

Danke.

Mit freundlichen Grüßen

+64

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Antwort
von Matthias Platzeck am 21. Dezember 2011
Matthias Platzeck

Sehr geehrte Frau Hagen,

Sie haben recht, Politik hat immer wieder schwierige Abwägungsentscheidungen zu treffen. Immer gilt es, das Gesamtinteresse des Landes in den Mittelpunkt zu stellen, wie etwa bei der Errichtung von Windrädern, bei Entscheidungen über Schienenverbindungen oder eben auch bei der Flughafenplanung. Der sogenannte Konsensbeschluss der Landesregierungen von Brandenburg und Berlin sowie des Bundes von 1996 für die Entscheidung zum Flughafen Berlin Brandenburg ging im Wesentlichen von einer Prämisse aus: Der neue Flughafen wird die bisherigen drei Flughafenstandorte der Region ersetzen. Und er wird mit zwei Start- und Landebahnen leistungsfähiger sein, als die bisherigen 3 Standorte mit ihren 6 Start- und Landebahnen. Mit dieser Konzentration auf einen Standort wird für die Menschen in der Gesamtregion eine Nettoentlastung von Lärm erreicht.

Anders als von Ihnen dargestellt wird der neue Flughafen von Unternehmen und Gewerkschaften der Region unterstützt. Die von ihm ausgehenden Wirtschafts- und Arbeitsplatzimpulse sind heute bereits spürbar und werden sich mit Inbetriebnahme weiter verstärken. Die Verkehrsöffnungszeiten des Flughafens sind konkurrenzfähig und stellen mit Blick auf das System der wichtigen deutschen Flughäfen kein Alleinstellungsmerkmal dar. Bei Abwägung aller Argumente hat der Standort Schönefeld eine Vielzahl von wirtschaftsregionalen und umweltrelevanten Vorteilen. Das hat übrigens auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig 2006 ausdrücklich bestätigt.

Deswegen, sehr geehrte Frau Hagen, bin ich der festen Überzeugung, dass unser neuer Flughafen an diesem Standort das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in erwartetem Umfang unterstützen wird. Dabei übersehe ich nicht, dass für das unmittelbare Umfeld auch Belastungen entstehen. Sie sind im Planfeststellungsbeschluss benannt und werden durch Auflagen im Bereich des passiven Lärmschutzes abgefedert. Ich habe mich in der Vergangenheit und werde mich auch in der Zukunft für eine weitere Verbesserung der Lärmschutzmaßnahmen durch die Flughafengesellschaft einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen


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